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Unternehmenskultur / waswillstdumehr
Co-Working statt Kassenhalle
Die Sparkasse Bremen zieht von der Altstadt in den Technologiepark. Dort lässt sich agiler arbeiten und nachhaltiger wirtschaften. Doch es ist auch ein symbolischer Schritt – in die Nähe innovativer Digitalunternehmen.

So mancher Bürger assoziiert die Sparkasse Bremen noch immer mit ihrer imposanten Kassenhalle samt Lichtkuppel. Seit 1906 residierte das Institut in einem repräsentativen Jugendstilgebäude am Rande der Altstadt. Der Bau hatte einst nicht nur Kunden, sondern auch Architekturliebhaber angelockt, selbst Kaiser Wilhelm II. soll unter ihnen gewesen sein.

Mit dem Geschäftserfolg der Sparkasse wuchs dann der Platzbedarf, also wurden Nachbarhäuser dazugekauft, saniert und wieder umgebaut. Zuletzt umfasste das Areal mehrere Gebäudekomplexe und 11.000 Quadratmeter Grundfläche. Zum Vergleich: Das ist anderthalb Mal das Fußballfeld im Bremer Weserstadion.

Verkauf an israelische Investoren

Jetzt ist der Standort Geschichte. Ende 2017 hat die Sparkasse die Liegenschaft an die israelische Investorengruppe der Familie Schapira verkauft. Die hat in Bremen bereits mehrere Projekte realisiert und konnte mit ihrem Konzept überzeugen, sagt Tim Nesemann, Vorstandschef der Sparkasse Bremen. Über den Kaufpreis wurde laut Sprecherin Nicola Oppermann Stillschweigen vereinbart.

Die neue Zentrale für rund 600 Mitarbeiter: Das vollverglaste Erdgeschoss des fünfstöckigen Gebäudes steht auch Nichtkunden offen.

Beratung und Service sind natürlich auch weiterhin im Innenstadtbereich zu finden – unter anderem beschäftigt ein neu gestaltetes Kundenzentrum in der Bahnhofstraße 40 Mitarbeiter auf vier Ebenen. Die Zentrale mit 600 (von insgesamt 1100) Mitarbeitern ist dagegen in einen Neubau gezogen.

Im Technologiepark will die Sparkasse ein neues Kapitel aufschlagen. Der Stadtteil im Norden Bremens hat sich in den vergangenen 30 Jahren rund um die Universität entwickelt. Heute haben auf dem 170 Hektar großen Areal mehr als 550 Unternehmen, Institute und Forschungseinrichtungen ihren Sitz.

Ehrgeizige Ziele in Glas und Stahl

Rund 80 Millionen Euro hat die Sparkasse in ihren neuen Standort investiert, nach zwei Jahren Bauzeit war die Zentrale im Herbst vergangenen Jahres bezugsfertig. Mit der neuen Heimat verfolgt Vorstandsvorsitzender Nesemann (unser Bild oben) ehrgeizige Ziele: ein agileres Arbeiten, ein nachhaltigeres Wirtschaften und fruchtbare Nähe zu den neuen Nachbarn.

Lounge und Atrium bieten Raum für informellen Austausch mit Menschen aus Firmen und Forschungseinrichtungen des Technologieparks.

„Unsere Wettbewerber von morgen sind nicht die Banken von heute, sondern das sind die Googles, Apples und Facebooks“, sagt er in einem Interview. „Und die sitzen nicht an der Wallstreet, sondern im Silicon Valley. Daher müssen wir uns mit Menschen umgeben, die forschen und Innovationen entwickeln.“

Der Austausch soll sowohl informell als auch geplant zustande kommen. So ist im vollverglasten und lichtdurchfluteten Erdgeschoss nicht nur ein mediterranes Restaurant, sondern auch eine große Lounge samt Snack-Theke für alle Besucher geöffnet. Hier könnte man also über einem Sandwich ins Gespräch kommen.

Start-up-Fläche wird vermietet

Zudem wird die Sparkasse eine sogenannte Start-up-Fläche mittelständischen Firmenkunden für einzelne Tage oder Wochen vermieten. Dort sollen mit Unterstützung eines Innovationsberaters aus ersten Ideen echte Innovationen werden. Darüber hinaus gebe es Kooperationen mit Fachbereichen der Universität. So will man zum Beispiel gemeinsam zur Digitalisierung der Finanzmärkte forschen, wie Unternehmenssprecherin Oppermann berichtet.

Blick in den Innenhof und auf eine der Terrassen. Die Außenflächen dienen nicht nur der Entspannung, überall kann auch gearbeitet werden. Jeder Mitarbeiter hat einen Laptop.

Auch die rund 600 Mitarbeiter selbst sollen künftig häufiger gemeinsam und interdisziplinär an Projekten arbeiten, mit mehr Eigeninitiative, Entscheidungsfreiheit und Teamfeedback statt Beurteilung durch den Vorgesetzten. Die neue Arbeitsweise, die unlängst bei der Sparkasse Bremen eingeführt wurde, findet ihre architektonische Entsprechung in offenen Büro-Ebenen auf drei Stockwerken.

Zonen für Zusammenarbeit oder Konzentration

Klassische Einzel- oder Doppelbüros gibt es nicht mehr, an ihre Stelle treten Co-Working-Spaces für Projektarbeiten, Homebases für die alltägliche Tischarbeit und Quietrooms für ungestörte Konzentration. Dabei soll auch mal mehrmals täglich der Arbeitsplatz gewechselt werden. Notebooks, die man in Dockingstationen stöpselt, machen es möglich. Dank dieser lässt sich aber auch im Innenhof, auf den verschiedenen Außenterrassen, in der Lounge – oder im Homeoffice – arbeiten.

Höchste Ansprüche stellt der Vorstand an die Nachhaltigkeit der neuen Zentrale – angestrebt wird das „Platin-Zertifikat“ der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Diesen Standard erfüllen nur sehr wenige Gebäude in Deutschland.

Auch das ist Nachhaltigkeit: Ein Fitnessraum spornt zur regelmäßigen Bewegung an.

Seit März 2020 ist die Sparkasse Bremen durch Kompensationsprojekte klimaneutral. Bis 2030 soll das auch ohne Kompensation gelingen, so Nesemann. Dabei leistet der Neubau einen wichtigen Beitrag durch die Installation einer Solaranlage auf dem Dach. Die benötigte Energie stammt zu zwei Dritteln aus Geothermie. Rund 60 Prozent Strom sollen im Vergleich zum früheren Hauptsitz eingespart werden.

Ladestationen, Car-Sharing und Job-Tickets

Fürs angenehme Klima im Neubau sorgt der bepflanzte offene Innenhof. Zudem erleichtert man die klimaneutrale Mobilität für die Belegschaft. Dafür wurden zahlreiche Stellplätze für Fahrräder geschaffen, ergänzt um Ladestationen für E-Bikes und Elektro-Autos, Duschräume und Umkleiden. Statt Firmenwagen zu kaufen, arbeitet die Sparkasse mit dem Car-Sharing-Unternehmen Cambio zusammen und stellt ein Job-Ticket für öffentliche Verkehrsmittel bereit. Die Straßenbahn hält vor der Tür.

Nachhaltigkeit hat aber noch mehr Facetten, etwa die Erhaltung der Gesundheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So arbeitet jeder Mitarbeiter an einem höhenverstellbaren Schreibtisch. Im obersten Stockwerk der neuen Zentrale gibt es einen Fitnessraum mit verschiedenen Sportgeräten und einen „Familienraum“, in dem bei Engpässen in der Betreuung Kinder spielen können.

Ins Familienzimmer können auch mal Kinder mitgebracht werden, wenn es zu Hause einen Betreuungsengpass gibt.

Die Bewährungsprobe für die neue Hauptstelle, die im Erdgeschoss zudem über 18 unterschiedlich gestaltete Beratungsräume verfügt, steht noch aus. Da aufgrund der Coronapandemie die meisten Mitarbeiter derzeit zu Hause arbeiten, wirken die Etagen, die der Vorstandsvorsitzende der Presse jüngst in einem virtuellen Rundgang vorstellte (unser Bild ganz oben), noch leer.

Kunst und Krempel versteigert

Viel Schnickschnack wird ohnehin nicht dazukommen. Ihre alten Möbel hat die Sparkasse zurückgelassen, Gemälde, Skulpturen und Tabakdöschen wurden zugunsten der Gut-für-Bremen-Stiftung versteigert. Bis auf einige wenige Aktenordner ist viel Papier digitalisiert worden. Die Mitarbeiter waren dazu angehalten, höchstens einen Schuhkarton mit Dingen aus dem alten ins neue Büro mitzunehmen.

Der ehemalige Standort soll jetzt einer umfangreichen Sanierung unterzogen werden. Ein Entwurf des Star-Architekten Daniel Libeskind mit vier Türmen so hoch wie der Bremer Dom wurde vom Senat jedoch abgelehnt. Derzeit ist im Gespräch, vielleicht den Bereich Medien- und Kommunikationswissenschaften der Uni Bremen auf dem innerstädtischen Areal anzusiedeln.

Lesen Sie hier den Nachhaltigkeitsbericht 2020 der Sparkasse Bremen.

Silvia Besner
– 7. Juni 2021