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Sparkasse der Zukunft – Teil VII
Die Struktur folgt der Strategie
Sparkassen-Consulting-Führungskräfte stellen ihre Standpunkte, Ideen und Visionen zum Thema Sparkasse der Zukunft dar – eine Beitragsserie in sieben Teilen.

Die Sparkasse der Zukunft: Wie soll sie sein? Als Sparkassen Consulting haben wir aus Ideen und Entwürfen dazu eine erste Vision entwickelt. Wir griffen in den vergangenen Artikeln dieser Serie fünf Elemente auf, die zukünftig von besonderer Wichtigkeit in den Sparkassen sein werden. Sie sind aus unserer Sicht so essenziell, dass sie über die Wettbewerbsfähigkeit und damit über die Zukunftsfähigkeit der Sparkasse entscheiden. Zum Abschluss der Serie beleuchten wir noch die Frage nach möglichen Aufbaustrukturen.

Structure follows strategy: Wer kennt ihn nicht, diesen Imperativ? Für die Sparkasse der Zukunft (SpadZ) setzt diese Handlungsmaxime den größten Veränderungsvorgang seit 60 Jahren in Gang. Denn in den letzten Jahrzehnten wurden Strukturen immer komplexer. Allerdings wandelten sie sich in vorhersehbaren und relativ langsamen Schritten. Nun disruptiert die gewohnte Entwicklung, vorhandene Strukturen drehen sich um 180 Grad in sehr schnellem Tempo.

Die Strukturen müssen sich neuen Strategien anpassen. Das bedeutet konkret: Wenn es in Zukunft noch weniger Standorte und insgesamt weniger Personal geben wird, dann gibt diese Strategie die neue Struktur vor. Darüber hinaus muss die Struktur auch den veränderten Modellen von Führung und Zusammenarbeit Rechnung tragen. Was wird sich also ändern in den Strukturen der Sparkasse der Zukunft?

Mit Blick auf die Geschäftsführung werden die Sparkassen zukünftig nur noch zwei Vorstandspositionen zu besetzen haben. Ein zahlenmäßig größerer Vorstand ist lediglich noch sinnvoll, wenn das Vertriebsgeschäft entweder besonders groß oder besonders spezialisiert ist. Der Ansatz für das zweiköpfige Führungsduo folgt dem Modell, die SpadZ in zwei große Bereiche zu teilen: den Frontstage-Bereich, also Markt beziehungsweise Vertrieb, und den Backstage-Bereich, mithin den Stab und die Marktfolge. 

Mit Blick auf die Marktfolge und die Stabsbereiche werden sich zwei inhaltliche Linien herausbilden: Finanzen und Risiko sowie Betrieb und Produktion. 
Hier sind die Anforderungen zum einen auf die Bereitstellung und Steuerung des Produktionsfaktors Kapital ausgerichtet und zum anderen auf den Produktionsfaktor Arbeit und die daraus abzuleitenden Prozesse und Informationen sowie die notwendige Infrastruktur. Dieses Konglomerat an Betrieb, Steuerung und Überwachung kann ein Vorstandsmitglied leiten. Zusätzlich zugeordnet werden hier die Revision und das Beauftragtenwesen.

Die ehemals getrennt strukturierten Bereiche Personal und Organisation wachsen ganz natürlich, wie von der BdZ skizziert, zusammen. Hier finden sich im Wesentlichen die betriebswirtschaftlichen Disziplinen Personalbemessung, Personalbereitstellung und Personalentwicklung wieder. Sourcing-Entscheidungen sind ein laufender Prozess, den diese Einheit verantwortet. Zudem kümmert sich dieser Bereich um die IT-Steuerung und alle bankfachlichen, aufsichtsrechtlichen Anforderungen sowie um organisatorische Zusammenarbeitsmodelle, mithin um das Prozessmanagement.

Auf Basis dieser Grundlagen verantwortet eine Produktionssteuerung einen Großteil der Kundenprozesse (inkl. der Marktfolgeprozessschritte) und alle damit verbundenen Aufgaben wie zum Beispiel Kontrollen, Anwendungen & Releases, Dienstleistersteuerung, rechtliche Fragestellungen und vieles mehr. Somit erfolgt die Abwägung „make or buy“ an einer Stelle unter Einbezug aller relevanten Informationen nach immer dem gleichen Schema entsprechend den strategischen Vorgaben. Vorhandene Marktfolgen konzentrieren sich ausschließlich auf die dort relevanten Kundenprozesse im Zusammenspiel mit dem Vertrieb.

Eine weitere Einheit sorgt dafür, dass die IT und die sonstige Infrastruktur bereitgestellt wird. Auch hier nach der regelmäßigen Prüfung von „make or buy“.
Aufgaben des Beauftragtenwesens sind in einer dafür eingerichteten Einheit gebündelt und agieren mit den betroffenen Einheiten im Haus nach klaren Abgrenzungen, wie zum Beispiel dem Modell der drei Verteidigungslinien. Zuarbeiten zum Beauftragtenwesen durch andere Stellen im Haus sind so weit als möglich automatisiert oder im Rahmen klarer Prozesse regelmäßig auf den notwendigen Umfang und deren aufsichtsrechtliche Relevanz hin zu überprüfen. Wo möglich werden institutsübergreifende Synergien genutzt.

Für alle Einheiten des Backstage-Bereiches ist ein hohes Maß an technischer Unterstützung und Automatisierung nötig. Gerade im hier ebenfalls angesiedelten Rechnungs- und Meldewesen sowie in der Gesamtbanksteuerung und im Risikomanagement beschränken sich die manuellen Vorgänge auf das Nötigste. Die Überprüfung, ob Technisierung von Prozessen möglich ist, muss regelmäßig erfolgen.

Technikeinsatz, Automatisierungen und Auslagerungen reduzieren den Kapazitätsbedarf sowohl an Personal als auch an anderen Ressourcen. Deshalb ist eine neue Form der Zusammenarbeit notwendig. So ist es erforderlich, dass die ausführenden, fachlich spezialisierten Personen Entscheidungen unmittelbar und direkt treffen können. 

Damit zeitfressende „Abstimmungsorgien“ fortan ein Relikt der Vergangenheit sind, müssen die Personen, die eine Entscheidung zu treffen haben, ein hohes Maß an Qualifikation für ihren jeweiligen Aufgabenbereich vorweisen. Die Handlungsspielräume müssen klar abgegrenzt sein. Die Frage nach der Zuständigkeit, also die Frage „Wer entscheidet?“, muss immer zu 100 Prozent nachvollzogen werden können. 

Kompetenzregelungen müssen sicherstellen, dass alle Entscheidungsmöglichkeiten zueinander passen. Schlanke Mechanismen der Entscheidungsfindung entlang der Hierarchie müssen etabliert werden. 

Führung konzentriert sich in diesem Modell stärker darauf, die Beschäftigten zu befähigen, ihre Aufgaben zu erledigen und weniger darauf Entscheidungsfindungen koordinieren zu müssen.

Im Großen und Ganzen werden sich im „Nicht-Vertriebs-Strang“ einer Sparkasse, also im Backstage, viele kleine, permanent miteinander agierende Inseln bilden, deren Aufgabengebiete in sich so weit wie möglich geschlossen sind, deren Abstimmung untereinander so passgenau wie notwendig ist und deren Handlungsweise von einer eindeutigen, transparenten strategischen Ausrichtung geleitet ist.

Mit Blick auf den gesamten Vertrieb einer Sparkasse ist festzustellen, dass das Management des Vertriebs auch im Vertriebsressort direkt anzusiedeln ist. Denn nur so verfügt die zweite Vorstandsposition auch über die organisatorischen Mittel und den entsprechenden Zugriff, den Vertrieb zu ermöglichen, zu gestalten, zu messen und zu steuern. Matrixstrukturierte Konzepte sind mit vielen Schnittstellen und unklaren zeitaufwändigen Abstimmungsprozessen verbunden. Deshalb finden sie in der SpadZ keine Berücksichtigung. 

Während die Aufgaben der Vertriebssteuerung oder der Vertriebswegekonzeption klar in diesem Bereich liegen, stellt sich unmittelbar die Frage nach der Zuordnung der Aufgaben rund um das Produktmanagement. Im Idealfall gehört das Produktmanagement mit den zugehörigen Kundenprozessen in eine Hand. Aber in welche? 

Im Vertriebsmanagement würde durch die Integration der Prozessverantwortung plötzlich die Notwendigkeit entstehen, tiefes technisches und organisatorisches Wissen aufzubauen. In der oben schon beschriebenen Produktionssteuerung gibt es wiederum nicht das notwendige Know-how rund um die Produkteigenschaften. 
Die Tendenz in einigen Sparkassen geht aktuell zum Aufbau von Produktmanagementkompetenzen in der Produktionssteuerung.

Der Grund ist klar: Produkte werden immer standardisierter und austauschbarer, sodass der Fokus eher auf der prozessualen Seite und weniger auf der betriebswirtschaftlichen Seite liegt. Auch das Management von Bestands- oder Altbestandsprodukten ist in der SpadZ verwalterisch geprägt und weniger kundenfokussiert. Egal wie, es ist essenziell, diese äußerst relevante Schnittstelle zwischen den Vorstandsressorts in der Sparkasse sauber zu organisieren und einen effizienten Austausch zwischen den Beteiligten sicherzustellen.

Daneben ist es von elementarer Bedeutung, die Durchlässigkeit der verschiedenen Vertriebswege in der Sparkasse zu reorganisieren. Denn Kunden werden zukünftig situativ über den Zugangskanal zur Sparkasse entscheiden. Dennoch erwarten sie auf allen Kanälen die volle Leistungsbereitschaft und Produktpalette. Der Kunde von heute erwartet eine omnikanale Sparkasse. Vielfach gibt es an dieser Stelle noch technische, rechtliche und manchmal vielleicht auch nur gefühlte Hindernisse, die es sukzessive zu beseitigen gilt.

Neben der Abwicklung von Standardanliegen, die zukünftig wohl weitestgehend digital und ohne Eingriff der Mitarbeiter ablaufen werden, steht die Beratung von Kunden in ihren komplexeren Lebenssituationen immer mehr im Vordergrund. Dies erfordert einen generellen Umbau der Vertriebsstrukturen.

Kunden werden zukünftig weder von keinem noch von einem einzigen zugeordneten Berater betreut. Vielmehr werden Kunden mit ihren komplexen Anliegen von unterschiedlichen Personen beraten und betreut. Die Zeiten, in denen der zugeordnete Berater einen Spezialisten hinzuzieht, um sein fehlendes Fachwissen auszugleichen, gehören der Vergangenheit an. Eine dauerhafte 1:1-Zuordnung eines Kunden zu einem Berater ist wohl nur noch für besonders aktive, für Sparkassen attraktive oder komplexe Kunden“segmente“ in der heutigen Denkweise sinnvoll.

Die Mehrzahl der Kunden wird die dauerhafte 1:1-Kunden-Berater-Beziehung nicht vermissen, da sie keinen Mehrwert mehr bietet. Denn die digitalen Beratungs- und Serviceprozesse für die Standardfinanzthemen werden zunehmen. Für die komplexeren Finanzbedürfnisse wird hingegen ein Spezialist erwartet, da der Kunde nur ihm zutraut, sein Bedürfnis oder sein Anliegen bestmöglich im Kundensinne zu lösen.

Diese Entwicklung führt unmittelbar zur Frage nach sinnvollen Prozessen zur Überleitung des Kunden vom ersten Kontaktpunkt zum richtigen Spezialisten und der Be- und Verrechnung von Erfolgen. 

Parallel dazu ist die Frage der Standorte wichtig. Denn Kleinstgeschäftsstellen, Tandem-Filialen und Geschäftsstellen, deren Berater zu festen Öffnungszeiten vor Ort sind, ergeben im skizzierten Betreuungsmodell keinen Sinn. Auch mobile Geschäftsstellen gibt es in der Sparkasse der Zukunft nicht. Denn wenn letztlich alle Alterskohorten mehr Payment-Dienstleistungen nutzen und an Bank-Online-Prozessen teilhaben, sind die stationären Standorte weder zeitgemäß noch betriebswirtschaftlich sinnvoll.

Für mitarbeiterbedienten Service wird es immer weniger Bedarf geben. Auch der Bedarf an zentralen Standorten mit Beratungsangebot wird weiter zurückgehen. Die Konzeption der Standorte und ihre Kommunikation zum Kunden bleibt eine Herausforderung. 

Denkbar ist, dass mitarbeiterbedienter Service nur noch in wenigen, dafür aber gut erreichbaren Standorten angeboten wird. Nur dann lohnt sich noch das Vorhalten des entsprechenden Personals. Unter Einbezug von Omnikanalstrategien lassen sich ganz neue dezentrale Lösungen entwickeln, die Mitarbeitern im Vertrieb lange Fahrtwege zu zentralen Beratungsstandorten ersparen und gleichzeitig auf einen Mix aus dezentralen Beratungsbüros und medial gut ausgestatteten Remote-Arbeitsplätzen setzen. 

Beratung wiederum kann nach Terminvereinbarung sowohl in kleinen Beratungsbüros (eventuell in ehemaligen kleinen Geschäftsstellen) als auch in repräsentativen Standorten etabliert werden. So könnten aus ehemaligen kleinen Geschäftsstellenstandorten dezentrale Beratungsstandorte entstehen, an denen einerseits persönlich beraten wird und andererseits die Räumlichkeiten für Video- und Telefonberatungen genutzt werden. Die hierfür notwendige Anzahl und Etablierung von Standorten können so dem scheinbaren Rückzug der Sparkassen aus der Fläche ein Stück entgegenwirken. Allerdings ist auch das ein Zwischenschritt zur schlussendlichen Komplettaufgabe derartiger Standorte. 

Im Vertriebsumfeld wird durch alle diese Änderungen eine andere Form der Zusammenarbeit notwendig werden. Vertriebsmitarbeiter müssen mit den jeweiligen Kundenanliegen deutlich unternehmerischer umgehen als bisher. Sowohl hinsichtlich der Qualität und Kundenzufriedenheit als auch hinsichtlich von Effizienz und Effektivität. Jedes Kundenerlebnis entscheidet stärker als bisher über den Verbleib oder ein Wiederkommen, letztlich über die Begeisterung des Kunden.

Um hier gut gewappnet zu sein, sind themenspezifisch umfänglichere und breitere Qualifikationen der Beraterinnen und Berater notwendig. Des Weiteren sind effiziente Überleitungsprozesse nötig, die genau den richtigen Berater beziehungsweise die richtige Beraterin im richtigen Moment zum Einsatz bringen und Prozessabläufe, die eine gute Kundenberatung erst ermöglichen.

Für beides ist engagiertes Führungspersonal nötig, das diese Veränderungsphase in den nächsten Jahren im laufenden Betrieb managt. Die Führungskräfte müssen ihre eigenen Aktivitäten viel mehr auf das Ermöglichen und die Umsetzung des bevorstehenden Wandels richten. Immer weniger wird auch hier der Fokus auf „Entscheidungen“ liegen.

Denn Entscheidungen muss der Vertrieb am Kunden im Rahmen von definierten Handlungskompetenzen treffen: Entweder ist dies ein realer Mitarbeiter oder ein KI-Algorithmus. Künstliche Intelligenz wird zudem Service- und einfache Beratungsanliegen vollautomatisch erledigen und damit auch eine vorgelagerte Schnittstelle zwischen Kunden und Beratern abbilden. So kann sich die unternehmerische Verantwortung des Vertriebs auf die relevanten Anliegen mit Beratungsbedarf richten.

Um all die skizzierten Veränderungen in internen Bereichen und im Vertrieb auf die gesetzten Ziele auszurichten, benötigt es eine Strategie. Trotz vieler Unsicherheiten muss diese Strategie entwickelt, regelmäßig nachjustiert und verfeinert werden. Alle Veränderungen muss die Strategie in Beziehung setzen, sodass sie sich über alle Bereiche (im Gleichklang) operationalisieren lässt. Darüber hinaus muss die Strategie von allen verstanden werden.

Diese Strategie zu entwickeln ist die Herausforderung der Gegenwart, um die nächsten fünf bis zehn Jahre unter den sich immer schneller verändernden Rahmenbedingungen zielorientiert gestalten zu können. Umstrukturierung stellt jedoch keinen Selbstzweck dar. In der Sparkasse der Zukunft müssen kontinuierlich Messungen zur Erfolgsfeststellung auf Basis von Standardprozessen und betriebswirtschaftlichen Kundenkennzahlen erfolgen, um sagen zu können: Diese Aufbaustruktur ist sinnvoll und folgt der Strategie (auch noch morgen).

 

Sparkasse der Zukunft 

Teil I – Blick zurück nach vorn

Teil II – Zugangswege im Omnikanalvertrieb

Teil III – Beratung in Lebenssituationen

Teil IV – Selbst und ständig mit Prozessen 4.0

Teil V – Arbeitsplätze und ihre Ausgestaltung

Teil VI – Arbeit und Führung 4.0

 

Herbert Hartmann und Sascha Ruh, Sparkassen Consulting (Bilder: Shutterstock)
– 27. Oktober 2021