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Nachhaltigkeit / Interview
„Wir können beides haben: Wirkung und Geschäft“
Sparkassen sind bei Nachhaltigkeit in einer guten Ausgangslage – aber sie könnten geschäftlich mehr daraus machen, sagt Wiebke Merbeth, Leiterin Nachhaltigkeit bei der BayernInvest. Ein Gespräch über Zahlen, Chancen und den dicken grünen Daumen.

Frau Merbeth, wo sehen Sie den ersten Ansatzpunkt für Sparkassen, die mehr in Sachen Nachhaltigkeit machen wollen?
Merbeth: Im Bereich der eigenen Vermögensanlage, also Depot-A und Fondsanlagen, können Sparkassen zum einen relativ leicht mit der Umsetzung beginnen und zum anderen auch schnelle Erfolge sichtbar machen.Hier haben die Sparkassen die größten Chancen, schnell zum Vorreiter zu werden und das von den Verbänden entwickelte „Zielbild 2025“ zu erreichen. In der Eigenanlage sind die Kennzahlen der Sparkassen teilweise schon sehr gut.

Warum gerade dort?
Vor allem, weil das klassische Portfolio den Schwerpunkt nicht auf klimaintensive Branchen legt. Banktitel sind ökologisch gut, weil die Branche vergleichsweise weniger CO2 verbraucht als viele Industrien und zumindest aktuell die Messung sogenannter finanzierter Emissionen noch nicht gut möglich ist. Anleihen aus Euroländern sind bei S (social) und G (governance) gut bewertet, weil dort beispielsweise Menschenrechte geachtet werden.

Pfandbriefemittenten weisen die Klimaeigenschaften des Bankensektors auf und zeigen in der Regel eine gute Governance, weil sie konservativ mit Risiken umgehen und langfristig ausgerichtet sind. Öffentliche Anleihen aus dem europäischen Raum haben insgesamt eine gute „ESG-Qualität“. Allerdings sind die Klimaauswirkungen dieser Papiere bisher nur beschreibbar, nicht messbar. Uns fehlen Daten.

Wie können Sparkassen denn ohne diese Daten eine hohe „Nachhaltigkeitsqualität“ im Kerngeschäft sicherstellen?
Es bietet sich an, internationale Normen wie den UN Global Compact als Standard heranzuziehen. Zumal wir in der MiFiD II demnächst eine neue Zielmarktdefinition mit dieser Berücksichtigung bekommen.

Als Faustregel sollte gelten: Keine roten Ampeln überfahren! Dort, wo es zum Verhalten oder zu Leistungen von Unternehmen Warnungen gibt, sollte man das Engagement hinterfragen. So arbeiten sich Sparkassen sukzessive an die Erfüllung internationaler Normen heran.

 

Wiebke Merbeth, Leiterin Nachhaltigkeit bei der BayernInvest.


Trotzdem bleibt das Problem, Anlagen und Kredite vor allem unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zu bewerten. Hilft da die EU-Taxonomie?
Sie ist ein Ansatz, ja. Im ersten Schritt werden elf Indikatoren für Umwelt und vier Indikatoren für Soziales definiert, die eine Richtschnur bilden. Die Bafin wiederum achtet auf Wesentlichkeit in den einzelnen Risikoarten. Beides greift ineinander.

Das klingt kompliziert. Wonach sollten sich Sparkassen also richten?
Meine Empfehlung wäre: Schauen Sie sich die großen Bestände an. Schlummert da was? Bei kleineren Losgrößen sollten ähnlich gelagerte Engagements einheitlich betrachtet werden und bei der Risikoanalyse ist eine Approximation wichtig.

Eine Annäherung über den großen grünen Daumen gewissermaßen?
Ja. Bestimmte Indizes stellen ein gutes Instrument dar und sind gerade für kleinere Häuser nutzbar und ausreichend aussagekräftig, was Nachhaltigkeitsrisiken und -wirkungen angeht. Zumindest in der näheren Zukunft. Die BayernInvest begleitet Nachhaltigkeitsbestrebungen bei den Eigenanlagen und hilft bei der Auswertung und bei Überlegungen zur nachhaltigeren Ausrichtung. Es geht um Daten – Datenanalyse, Datenvergleiche, Datenoptimierung.

Gehen wir mal auf die Kundenseite. Auch kleinere Unternehmen stehen  vor dem Problem, dass sie eine Vielzahl von Nachhaltigkeitskennzahlen ausweisen sollen.
Ich empfehle ihnen, das Thema aktiv anzusprechen. Sie werden wichtige Impulse geben und erhalten. Eine Schreinerei kann ökologisch punkten, wenn sie nachweist, woher sie ihr Holz bezieht und wie sie es verarbeitet. Sie punktet sozial mit ihrem Ausbildungsengagement. Und sie punktet bei Governance, wenn das Debitorenbuch gut geführt ist.

Entscheidend ist es, zu ermitteln, welche Zahlen längstens verfügbar und welche Leistungen bereits erreicht sind, diese gehören herausgestellt. Das ist ein wichtiger Schritt, damit auch eine Sparkasse zu diesem Kunden eine positive Nachhaltigkeitsaussage machen kann.

Worin sehen Sie den Schlüssel?
Sie bewirken am meisten, wenn Sie Nachhaltigkeit im Kerngeschäft verankern. Nachhaltigkeit muss sowohl über die Risikosteuerung laufen als auch über das Marketing verstanden werden. Es sollte im täglichen Handeln selbstverständlich werden, die eigene Wirkung mit zu bedenken.

 

„Sie bewirken am meisten, wenn Sie Nachhaltigkeit im Kerngeschäft verankern. Nachhaltigkeit muss sowohl über die Risikosteuerung laufen als auch über das Marketing verstanden werden.“

 

Genau das fordern ja auch viele gesellschaftliche Gruppen und nicht zuletzt der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung. Sie fordern „mehr Impact“ durch die Finanzwirtschaft.
Die neuen Offenlegungspflichten, nach denen sich auch Sparkassen orientieren müssen, könnten dazu führen, dass Investments vor allem dorthin gelenkt werden, wo es entsprechende Nachweise gibt.

Und was passiert dann mit den übrigen Unternehmen?
Das ist das Problem. Einem Teil droht die Isolation vom Kapitalmarkt, Stichwort gestrandete Vermögenswerte. Eine Refinanzierung erfolgt dann zu anderen Bedingungen, teurer, aufwendiger.

Sie haben sich persönlich im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung engagiert. Wurden die Argumente der Sparkassen-Finanzgruppe dort gehört?
Manche Zusammenhänge müssen wir als Sparkassen-Finanzgruppe immer wieder vorbringen, gerade auch in der Diskussion um das „Attraktivermachen“ von nachhaltigen Anlagen. Die Stichworte dazu sind green supporting und brown penalizing. Ein Begünstigen „grüner“ Assets unterschlägt, dass sie nicht automatisch weniger risikobehaftet sind. Ein Bestrafen „brauner Assets“ macht diese angreifbar und erschwert ihre Transformation.

Wenn die Regulierung hier übersteuert, werden sich Anleger und Kreditgeber gleichgerichtet aus Branchen zurückziehen. Damit können neue Blasen entstehen oder Vermögenswerte stranden.

Man hört oft das Argument, Finanzinstitute sollten „mehr Geld“ in die ökologische Erneuerung der Wirtschaft lenken. Sogar die Geldpolitik will das tun. Eine gute Idee?
Ich sehe eine „grüne Geldpolitik“ von zwei Perspektiven kritisch. Wenn sich große Kapitalgeber und sogar Notenbanken auf die nachhaltigsten Emittenten stürzen, verzerrt das die Renditen in diesem Segment und belastet den gesamten Anlegermarkt. Vor allem aber bleiben Innovations- und Wachstumschancen in der Breite ungenutzt, die geschäftlich deutlich attraktiver sein können. Wir müssen Nachhaltigkeit endlich als Wachstumstreiber begreifen, nicht nur als neue Chance auf schnelles Geld.

Wodurch genau entsteht dieses Wachstum?
Jedes Engagement muss sozial, ökologisch und nach Governance-Aspekten bewertet werden. Es ist entscheidend, die Schnittmenge aus diesen Faktoren zu vergrößern. Windkraftanlagen oder Elektromotoren, bei denen es an Standards in der Lieferkette fehlt, sind vielleicht grün, aber sicher nicht erstrebenswert.

 

„Jedes Engagement muss sozial, ökologisch und nach Governance-Aspekten bewertet werden. Windkraftanlagen oder Elektromotoren, bei denen es an Standards in der Lieferkette fehlt, sind vielleicht grün, aber sicher nicht erstrebenswert.“

 

Und wie entsteht Wachstum für Sparkassen?
Ein wichtiger Bereich für Sparkassen sind die Immobilienanlagen. Nicht jedes Geschäftsgebiet kann auf Wind- oder Wasserkraft setzen. Aber überall können wir durch Maßnahmen zur Energieeffizienz Wachstum schaffen. Sparkassen haben über ihr Geschäftsmodell riesigen Einfluss auf einen Bestand, der sich zu „grünen Immobilien“ wandeln lässt. Die Real IS als Gesellschaft der BayernLB verfolgt diesen Weg und stellt beispielsweise das globale Portfolio auf Grün-Strom um, um schon kurzfristig CO2-Einsparungspotenziale heben zu können.

Damit hätten die Sparkassen dann auch reichlich Stoff für das nichtfinanzielle Reporting.
Das stimmt, wobei ich das für eine künstliche Trennung halte. Nachhaltigkeitseffekte sind finanziell relevant und sollten in die normale Berichterstattung integriert werden.

Gerade Sparkassen sind durch ihr Geschäftsmodell doch schon immer so aufgestellt, dass sie eben nicht nur für eine Finanzrendite arbeiten. Für sie bietet es sich an, auch eine gesellschaftliche Rendite und eine Umweltrendite auszuweisen. Also ihre Verantwortung – aber eben auch den konkreten Nutzen ihrer Arbeit zu zeigen.

Anke Bunz
– 17. März 2021