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KI-Corner 08/20 / waswillstdumehr
Recruiting via Chatbot
Das Human Resource Management (HRM) wird digitaler, wie aktuelle Beispiele zeigen: Algorithmen können bereits heute Bewerberunterlagen und Videointerviews auswerten, Lernmodule an individuelle Bedürfnisse anpassen oder Standardanfragen von Bewerbern binnen Sekunden beantworten.

Der Einsatz KI-gestützter Human Resources (HR)-Chatbots gewinnt branchenübergreifend an Bedeutung. Der Studie „Monster Recruiting Trends 2020“ zufolge bieten 3,1 Prozent der Top-1.000-Unternehmen und rund zehn Prozent der IT-Unternehmen in Deutschland (HR)-Chatbots an (Monster 2020).

Die Studie hat ferner gezeigt, dass auch Bewerberinnen und Bewerber bei der Stellensuche ein solches Angebot gerne nutzen würden – je jünger, desto affiner sind die Menschen für Chatbots. Die Mehrheit der Kandidaten ist der Meinung, dass (HR)-Chatbots künftig eine schnellere Bewerbung im Vergleich zu anderen Bewerbungsverfahren (z. B. Post, E-Mail oder Formular) ermöglicht.

Etwa vier von zehn Kandidaten glauben in diesem Zusammenhang, dass durch den Einsatz von (HR)-Chatbots die Bewerbung einfacher und auch direkter wird. Darüber hinaus sind drei von zehn Kandidaten der Meinung, dass (HR)-Chatbots in absehbarer Zukunft in der Lage sein werden, die Bewerbung eines Kandidaten abzuwickeln.

Betrachtet man etwa die Jobsuche, so glauben drei von zehn Kandidaten, dass sie in zehn Jahren mit einem Sprachassistenten wie Alexa, OK Google oder Siri nach Stellenanzeigen suchen werden.

Auf der Unternehmensseite sind sechs von zehn Unternehmen (Top 1.000 und IT) der Meinung, dass (HR)-Chatbots ein geeignetes Instrument zur Unterstützung des Bewerbungsprozesses sind. Diese beantworten automatisiert deren Fragen – etwa zur Karriere, zu offenen Stellen oder allgemein zum Unternehmen.

KI-Teildisziplin Robot Recruiting im Aufwind

Mit ausgefeilten Instrumenten kann KI die Personalakquise erfolgreich unterstützen.

(HR)-Chatbots gehören zum Bereich Robot Recruiting. Darunter versteht man das Ergebnis der Automatisierung von Prozessschritten wie Eingabe der Stellenanzeige und die Auswertung eines Chatbots-Interviews mit einem Bewerber.

Dazu kommen Vorschläge für passende Bewerber aufgrund des Stellenprofils. Es wird aber auch die lernende Optimierung einer Stellenanzeige nach der erreichten Anzahl der Bewerbungen (Reichweite) dazugezählt.

Die Chatbot-Lösungen matchen nicht nur Stellenausschreibung und Bewerbung, sondern gleichzeitig werden auch Twitter-Feeds und Sentiment-Analysen von Nachrichten durchgeführt.

Dies erlaubt einerseits Rückschlüsse darauf, aus welchem Diskussionsmilieu ein Bewerber kommt, andererseits geschieht dies auch dazu, dass sich eine Firma ein Stimmungsbild über das eigene Image zu verschaffen sucht, das in den sozialen Medien vorherrscht.

Kern von Robot Recruiting ist das Matching. Das Ziel: Die Fähigkeiten sowie die Werte und die Persönlichkeit eines Kandidaten sollen ideal zum Unternehmen, zu den Kollegen und zum Stellenprofil passen.

Eine zentrale Herausforderung ist in diesem Zusammenhang, umfangreiche Datenbanken mit KI-Algorithmen konsultieren zu müssen. Zudem stellt sich die Frage, aufgrund welcher Parameter die Algorithmen „matchen“ und wie sie Begriffe verstehen: Was passiert mit Synonymen wie CEO oder Geschäftsführer?

Wie wissen die Algorithmen, ob ein Doktor ein wissenschaftlicher Titel oder ein Mediziner ist? Und wie gehen sie mit nicht geradlinigen Lebensläufen oder veralteten Jobtiteln um? Der Lösungsansatz für derartige Probleme ist das semantische und das search-basierte Matching, die miteinander kombiniert werden können (Bogen 2018).

Semantisches Matching versucht, die Bedeutungen zu erfassen, Wörter und Sätze zu verstehen. Diese Algorithmen erkennen Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen von Bezeichnungen wie „Head of HR“ oder „CHRO (Chief Human Resources Officer)“.

Sie verknüpfen Inhalte statt einzelner Wörter und erkennen so auch Synonyme. Wird ein „Arzt“ gesucht, erscheint auch „Mediziner“ in den Suchresultaten, nicht aber die „Doktorandin“ oder der „Arzthelfer“.

Je mehr Daten solche Systeme analysieren, desto besser werden sie. Semantisches Matching ist sehr genau, wegen des umfassenden Trainings der Algorithmen jedoch sehr zeitintensiv.

Search-basiertes Matching, auch bekannt als keyword-basiertes Matching, erkennt Begriffe in den Stellenausschreibungen und gleicht sie mit Begriffen in den Kandidatenprofilen ab. Eine Übereinstimmung (Match) findet nur statt, wenn die Begriffe identisch sind.

Synonyme wie „Personalleiter“ und „Leiter Personal“ erkennt das search-basierte Matching nicht. Dafür ist es hochautomatisiert, kann mit großen Datenmengen umgehen und ist äußerst schnell.

Beim Matching zwischen Bewerbung und Ausschreibung kommt es jedoch auf die Qualität und Spezifität der Bewerberaussagen einerseits und die Aufgabenbeschreibung und Qualifikationsanforderungen andererseits an.

Funktionsweise von Matching-Verfahren

Die Funktionsweise des Matching-Prozesses erläutert Abbildung 1. Ausgangspunkt ist die Normalisierung der Dokumente. Dabei bringt man sie alle in ein gleiches Format (z. B. in eine vergleichbare Tabellenform) und indexiert sie nach Kategorien.

Dementsprechend müssen auch die Fragen bzw. Anforderungen oder Profile aus den Ausschreibungen normalisiert werden und in die gleiche formale Darstellung gebracht werden wie die Bewerbungsdokumente. Durch Clusterbildung lässt sich die Ähnlichkeit zwischen den Clustern auf der Frageseite und denen auf der Bewerbungsseite bestimmen. Iterativ wird dann nach der maximalen Ähnlichkeit zwischen den Clustern gesucht.

(HR)-Chatbots werden auf verschiedenen Plattformen eingesetzt. Einige Unternehmen nutzen Chatbots bereits auf ihren Facebook-Seiten. Diese erscheinen bei Besuchen im Facebook-Messenger.

Dort wird dem Bewerber angeboten, Fragen zum Unternehmen oder zur gewünschten Stelle zu stellen. Im Anschluss werden passende Stellenangebote vorgeschlagen, woraufhin er einen ersten Kontakt aufnehmen kann.

(HR)-Chatbots können auch direkt in der Unternehmensseite eingebunden sein. Dort hilft die Anwendung beim Anfertigen der Bewerbung oder bei der Suche nach der gewünschten Stelle. Zu diesem Zweck beantwortet der Bewerber dem Bot Fragen zu seiner Person (z. B. Name, frühester Eintrittszeitpunkt oder Motivation). Diese Informationen können anschließend von einem menschlichen Recruiter eingesehen und bewertet werden.

Beim Active Sourcing kann ein (HR)-Chatbot dabei behilflich sein, indem per Texteingabe mitgeteilt wird, welche Stelle besetzt werden muss. Der Chatbot stellt anschließend einige Fragen, um die Suche weiter einzugrenzen. Anschließend screent das hinter dem Chatbot implementierte System Jobportale und andere Quellen im Internet, um passende Kandidaten ausfindig zu machen und über verschiedene Kanäle Kontakt mit ihnen aufzunehmen.

Sobald potentielle Mitarbeiter Interesse zeigen, übermittelt der Bot diesen erste Informationen über das Unternehmen und den angebotenen Job und führt gegebenenfalls ein kurzes Interview.

Vorteile: (HR)-Chatbots können interne Prozesse erleichtern und die Mitarbeitenden motivieren – etwa bei interaktiven HR-Schulungen oder Mitarbeiterbewertungen. Auch in Karriere-Webseiten integriert sind (HR)-Chatbots nützlich. Sie können sofort auf Fragen zum Unternehmen eingehen, stehen stets zur Verfügung und können dem Bewerber in Echtzeit antworten.

Die Recruiter müssen keine Standardfragen zum Unternehmen beantworten. Sie sparen Zeit, die sie für die persönliche Kandidatenpflege einsetzen können. (HR)-Chatbots verbessern daher nachweislich die „Candidate Experience“, also die Art und Weise wie Bewerber den Bewerbungsprozess erleben. Außerdem erscheint das Unternehmen modern und fortschrittlich.

Fazit

In Bezug auf den (HR)-Bereich zeigen sich vielsprechende Entwicklungen der KI im Bereich der Administration und des Recruitings. Hier kann KI vor allem Routineprozesse übernehmen. Bei Personalmarketing und -auswahl unterstützt KI die Suche, Ansprache und Betreuung von Interessenten mittels Parsing und Chatbots.

Dadurch erweitert sich einerseits der mögliche Suchraum für Personal, andererseits ist dadurch bereits bei der Suche eine digitale Vorauswahl möglich, deren Qualität zu erreichen, in der Vergangenheit nur mit aufwändigen manuellen Analysen von Bewerbungsunterlagen möglich war.

Der nächste Schritt kann dann eine tiefergehende KI-basierte Diagnostik sein, in der Audio- und Videodaten von KI in Sequenzen zerlegt und analysiert werden.

Über die heute verfügbaren Methoden der Text-, Sprach- und Emotionsanalyse lassen sich informative Rückschlüsse auf die Persönlichkeit und andere Merkmale von Personen ziehen. Die größte Chance der Algorithmen, ihre Effizienz, kann zugleich ein hohes Risiko sein. Diskriminierende Muster können durch algorithmische Systeme reproduziert, skaliert und soziale Ungleichheit verstärkt werden.

Für Sparkassen eröffnet der Einsatz von (HR)-Chatbots eine Chance, dass Algorithmen ihnen dabei helfen, Bewerbungsprozesse besser zu gestalten und Recruitern wertvolle Zeit zu verschaffen, sich auf die persönliche Interaktion mit vielversprechenden Kandidaten zu konzentrieren.

Literatur
Bogen, Miranda u. Aaron Rieke (2018): Help Wanted. An Examination of Hiring Algorithms, Equity, and Bias. Washington, D.C. Startseite: https://www.upturn.org/reports/2018/hiring-algorithms/ (Stand: 10. Juli 2020).
Monster (2020): Digitalisierung und Zukunft der Arbeit – Ausgewählte Ergebnisse der Recruiting Trends 2020, Startseite: https://media.newjobs.com/id/hiring/419/page/Recruiting_Trends_2020/Studien_2020_Digitalisierung.pdf (Stand: 20. Juli 2020).

Autor
Prof. Dr. Dirk Neuhaus, MBA ist Professor für Informationssysteme in Finanzdienstleistungsunternehmen an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe in Bonn und forscht auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.

Prof. Dr. Dirk Neuhaus
– 25. August 2020