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BBL_Prozessmanagement
Strategie als Kraftquelle für Veränderung
In kritischen Veränderungsphasen müssen sich Beschäftigte an der Strategie neu ausrichten können. Diese Eigenschaft wird umso wichtiger, je größer und dezentraler eine Sparkasse ist.

Bevor man in einer Sparkasse über sehr konkrete Change-Werkzeuge nachdenkt, muss eine klare Gesamthausstrategie definiert werden. Denn ein gutes Change-Konzept nützt leider nichts, wenn das zugrunde liegende Zielbild unzureichend ist.

Im Gegenteil: Eine gute Umsetzung in Verbindung mit einer unvollständi­gen beziehungsweise schlechten Grundausrichtung kann dafür sorgen, sehr schnell in eine „falsche Richtung zu laufen“. Inkonsistenzen führen zu Proble­men bei der operativen Umsetzung und werden schnell als Anlass genutzt, die Gesamtstrategie infrage zu stellen.

Es wäre allerdings fatal, das Thema Change im Rahmen des Strategie­prozesses völlig auszublenden. Skeptiker könnten nun argumentieren: Wieso eigentlich? Früher sind Strategien doch immer top-down vorgegeben und dann umgesetzt worden? In Krisenzeiten kann ein derartiges Vorgehen weiterhin durchaus sinnvoll sein.

Soll allerdings aus einer Position der Stärke heraus gehandelt werden, birgt eine Top-down-Vorgehensweise in Reinkultur die Gefahr, dass Beteiligte die Motivation verlieren, ihre Mitwirkung versagen oder sich überrumpelt fühlen. Deshalb ist schon früh für eine breite Einbindung der Mannschaft zu sorgen. Dies funktioniert dann, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:

  • Alle Akteure werden bei Einzelthemen abholt.
  • Es herrscht Einigkeit über die weitere Vorgehensweise.
  • Man entwickelt ein übergeordnetes Modell.

Nur so lässt sich die notwendige Umsetzungsdynamik entfalten, die für die heute weitgreifend erforderlichen Veränderungen notwendig ist.

Die Projekterfahrung der Autoren zeigt, dass im Strategiefindungs­pro­zess viele Fehler direkt zu Beginn gemacht werden. Strategien scheitern bereits weit vor der Umsetzungsphase, da sie unverständlich formuliert sind und nicht alle Beschäftigte der Sparkasse erreichen.

Es ist nachvollziehbar, dass Strategiearbeit sehr stark von Abstraktionen getrieben ist. Aber eine Gesamthausstrategie ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Erreichen von Unternehmenszielen.

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Es muss möglich sein, dass eine Strategie vom gesamten Team in Form „strategischer Denk- und Handlungsmuster“ verstanden (!) werden kann. Erst danach ist es überhaupt möglich, eine echte Veränderung herbeizu­führen.

An dieser Stelle wird nun die enge Verbindung von Strategie und Chan­ge deutlich: Eine starke, nachvollziehbare Strategie dient als Kraftquelle und Motivation für den Veränderungsprozess. Sie muss eine energetisch aufladende Funktion aufweisen.

Vor allem in kritischen Veränderungsphasen müssen sich die Beschäftigten an der Strategie neu ausrichten können. Projekterfahrungen zeigen, dass diese Eigenschaft umso wichtiger wird, je größer und je dezentraler strukturiert eine Sparkasse ist.

Somit muss im Rahmen der Strategiedefinition rollierend hinterfragt werden: Sind die getroffenen Aussagen

  • verständlich,
  • energetisch positiv aufgeladen,
  • in Krisenzeiten als Re-Orientierungspunkt dienlich?

Führungskräfte als Changemanager Nummer eins

Wie schafft man es, dass ein Veränderungsprozess – etwa aufgrund einer neuen strategischen Ausrichtung – positiv im Unternehmen veran­kert wird? Ganz klar: Indem strategische Denk- und Handlungsmuster zunächst auf allen Führungsebenen (inklusive Top-Management) vorgelebt werden.

Das Führungsteam muss ein klares Bekenntnis abgeben, um die Glaubwürdigkeit der neuen Ausrichtung zu unterstreichen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die fehlende Selbstverpflichtung von Führungskräften zum Misslingen von Veränderungsprozessen führt.

Projektbeispiele zeigen, dass einflussreiche Führungskräfte oftmals selbst nicht vom strategischen Ergebnis überzeugt sind und deshalb die Strategie nicht entschieden genug vorantreiben.

Vor allem wenn sich Vertriebs- und Organisationsstrukturen ändern und aus diesem Grund Führungspositionen neu ausgeschrieben werden, sind Führungskräfte unmittelbar vom unternehmerischen Wandel betrof­fen (siehe Abb. 1).

Diese Betroffenheit darf jedoch die eigentliche Rolle der Führungsperson nicht, auch nicht temporär, außer Kraft setzen. Eine schwierige Anfor­derung, wenn man an das Sicherheitsbedürfnis des Einzelnen denkt.

Eine gute Führungskraft tritt immer als Leitfigur auf, auch wenn sie Unsi­cherheiten um ihre künftige Rolle in der Sparkasse verspürt. Neben der Vorbildfunktion übernimmt sie noch weitere, essenzielle Aufgaben im Rahmen eines Veränderungsprozesses (siehe Abb. 2). Hierbei ist sie vor allem für die Mobilisierung des Teams zuständig, das heißt sie strahlt positive Energie auf die Beschäftigten aus.

An dieser Stelle wird erneut die Untrennbarkeit von Strategieentwicklung und Change sichtbar: Das gesamte Führungsteam wird ab dem ersten Tag eng in den Prozess der Strategiefindung eingebunden. Dadurch wird verhindert, dass beim Führungsteam Zweifel am Veränderungsprozess aufkommen.

Im Gegenteil: Alle Führungskräfte werden in die Lage versetzt, die Kraft­quelle der Unternehmensstrategie positiv zu beeinflussen. Außerdem können sie recht schnell geeignete Werkzeuge identifizieren, die im Rahmen der Umsetzung zum Tragen kommen sollten.

Um dieses hohe Maß an Transparenz während des Strategieentwick­lungs­prozesses zu ermöglichen, ist oftmals ein Umdenken auf Vor­stands­­ebene notwendig. Projekterfahrungen verdeutlichen, dass die Ein­bindung aller Führungskräfte noch lange nicht in jede Unternehmens­kul­tur Einzug gehalten hat.

Widerständen begegnen

Man sollte sich zunächst bewusst machen, dass eine strategische Neu­ausrichtung niemals alle Beschäftigten erreicht. Praxiserfahrungen zeigen, dass rund 25 Prozent des Gesamtpersonals einem Veränderungsprozess kritisch bis sehr kritisch gegenüberstehen.

Somit sind unternehmerische Neuausrichtungen immer mit Widerstän­den behaftet. Entscheidend ist im ersten Schritt, die große Zahl indiffe­renter Mitarbeiter*innen zu erreichen, um zu vermeiden, dass sich eine kritische Grundstimmung unbegründet ausbreiten kann.

Weiterhin ist herauszufinden, welche Art von Widerständen es gibt. So können rational begründete Widerstände äußerst nützlich sein, um Inkonsistenzen in einer Strategie aufzudecken und in die Diskussion zu treten.

Erneut liegen Strategie und Changemanagement eng beieinander: Der Change-Prozess ist dabei die Rückkopplungsschleife für die strategische Neuausrichtung. Oftmals sind es jedoch Emotionen und unbewusste Verhaltensweisen, die für Blockaden während des Change-Prozesses verantwortlich sind (siehe Abb. 3).

Eine transparente Kommunikation dient dazu, Verlustängste, Furcht und Unsicherheiten zu reduzieren. Zusätzlich müssen Qualifizierungsmaß­nahmen angeboten werden, um auf die neuen Anforderungen reagieren zu können.

Projektbeispiele sind im Folgenden die Einwandbehandlung gegenüber Servicekunden bei der Kundenüberleitung in ein Kundenservice- oder digitales Beratungscenter sowie die Darstellung der damit verbundenen Kundenreise.

Beispielmaßnahmen: Kundenreise und Behandlung von Einwänden

Wie können Widerstände aufgrund einer neuen Unternehmensstrategie entstehen und wie lassen sich diese Widerstände überwinden? Mitt­lerweile haben sich immer mehr Sparkassen im Kontext einer neuen Vertriebsstruktur entschieden, Servicekunden auf das Kundenservice- oder das digitale Beratungscenter überzuleiten.

Um stationäre Kapazitäten zu gewinnen, ist es wichtig, dass Service­kunden an den neuen, medialen Vertriebsweg herangeführt werden. Klassischerweise werden Servicekunden jedoch weiterhin die Filiale beziehungsweise Geschäftsstelle aufsuchen. Hier vermischen sich nun Strategie und Umsetzung:

  • Wie soll mit Servicekunden künftig verfahren werden?
  • Wie „hart“ oder „weich“ geht die Sparkasse damit um?
  • Wie erfolgt die Überleitung (zeitpunkt- oder zeitraumbezogen)?
  • Wie soll diese Maßnahme intern und extern kommuniziert werden?

Oftmals gibt es bei der operativen Ausgestaltung dieser Überlegungen Widerstand im stationären Vertrieb. Rein rational betrachtet bietet die Überleitung der Servicekunden ausschließlich Vorteile für die Filialen beziehungsweise Geschäftsstellen.

Die Bestandsbearbeitung für Servicekunden (zum Beispiel Ereignisse, Überziehungen) entfällt und Ressourcen können für die Ansprache und die Betreuung von Potenzialkunden genutzt werden. Projekterfahrungen zeigen jedoch, dass die rationalen Vorteile kaum bis gar nicht im stationären Vertrieb wahrgenommen werden. Stattdessen überwiegen:

  • Angst um die Zukunftsfähigkeit der eigenen Position,
  • Furcht vor Konfliktgesprächen mit Kunden,
  • Unsicherheit vor der Ansprache von Potenzialkunden.

Hinzu kommt, dass sich Filialmitarbeiter*innen – unter anderem aufgrund ihrer starken Kundenorientierung – selten mit der Überleitung von Service­kun­den auf das Kundenservice- beziehungsweise das digitale Beratungscenter identifi­zieren können. Umso wichtiger ist es, dass die Führungsmannschaft von der geplanten Kundenüberleitung überzeugt ist.

Um die geplante Maßnahme zum Erfolg zu führen, müssen im ersten Schritt die Vorteile der Kundenüberleitung bei den betroffenen Mitarbeitern*innen transparent dargestellt werden. Hierzu bietet sich etwa die Darstellungsform einer Kundenreise an.

Es können grafische beziehungsweise bildhafte Prozessdarstellungen genutzt wer­den, um aufzuzeigen, wie eine künftige Betreuung auf medialem Weg stattfindet und welche Vorteile die Kunden davon haben.

Kundenreisen sollten als konkrete Fallbeispiele aufgebaut werden, in der einzelne Musterkunden mit der neuen Situation konfrontiert werden. Dadurch fällt es den Beschäftigten leichter, sich mit der jeweiligen Kundeninteraktion zu identifizieren.

Grafische Darstellungen haben zudem den Vorteil, dass sie deutlich kurzweiliger als reine Textkommunikation sind und daher nicht im Tagesgeschäft untergehen.

Nachdem die Vorteile für die Kunden verdeutlicht worden sind, sollten Einzelmaßnahmen für das Team im stationären Vertrieb aufgesetzt werden. Es bietet sich an, dass mögliche Kundeneinwände gegenüber dem Filialteam gesammelt werden, um eine passende Einwand­behandlung zu entwickeln.

Dabei müssen alle Vertriebsführungskräfte eng eingebunden werden, um ein nachgelagertes Einzel-Coaching zu ermöglichen. Die Diskussion der Einwände sollte in Form von Gruppen-Workshops erfolgen, um die positive Dynamik der Workshop-Teilnehmer*innen für die Antwortfindung zu nutzen.

Am Ende der Kommunikations- und Trainingsmaßnahme das gesamte stationäre Vertriebsteam in der Lage sein, eine energetisch positive Argumentation gegenüber Kunden zu formulieren.

Fazit

Die Beispielmaßnahmen zeigen, dass eine Strategiefindung nicht mit der Definition von Leitsätzen endet. Ein strategisches Zielbild hat Ausstrahl­ef­fekte bis weit in die Umsetzung hinein. Werden Umsetzungsmaß­nah­men akzeptiert und Erfolge erzielt, kann dies als positives Qualitätssiegel für die Unternehmensstrategie interpretiert werden.

Führungskräfte und Umsetzungsbegleiter*innen sollten ab dem ersten Tag in den Strategieentwicklungsprozess einbezogen werden, um die positive Energie der Gesamtstrategie zu erhöhen und im Rahmen der Umset­zungs­maßnahmen ausstrahlen zu können. Obwohl die Verbindung von Strategie und Change an essenziellen Punkten deutlich wird, kommt die ganzheitliche Betrachtung dieser Themenstellungen noch immer deutlich zu kurz.

Autoren
Matthias H. Jahnke ist Senior Manager und Michael Schmidt Geschäfts­führer und Gründungspartner bei SSC Management Consult in Köln.

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Matthias H. Jahnke, Michael Schmidt (Foto oben: shutterstock)
– 19. August 2021

Volker B.

Ein interessanter und sehr wichtiger Artikel.