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BBL_Kreditgeschäft
Erfolgreich mit richtigen Stellhebeln
Fin- und Bigtechs greifen immer stärker die Kundenschnittstelle im Kreditgeschäft an. Um sie abzuwehren, müssen Sparkassen zügig Gegenmaßnahmen einleiten. Zehn Stellhebel zeigen wie.

Kreditgeschäft 2021: unterschiedliche Absprungpunkte in der Sparkassen-Finanzgruppe

Das Kreditgeschäft steht – allein aufgrund laufend angepasster regula­torischer Vorgaben – bei den meisten Sparkassen im Fokus. Die damit in Verbindung stehenden Standards für Technik und Prozessunterstützung im Aktivgeschäft sind bereits gesetzt.

Dennoch bleibt: 371 Sparkassen = 371 unterschiedliche Ausgangssitua­tionen im Kreditgeschäft. So liegt unter anderem die Bandbreite bei der Umsetzung der Modellorganisation Kredit 3.0 in Sparkassen aktuell zwischen 20 und 90 Prozent.

Die Ursachen für diese sehr unterschiedlichen Absprungpunkte sind vielfältig, denn Veränderungsgeschwindigkeit und Anpassungsfähig­keit der einzelnen Häuser variieren stark. Darüber hinaus sind, abhän­gig von der strategischen Ausrichtung im Vertrieb oder der individuellen Risikopolitik der Sparkasse, unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt worden.

Der Ergebnisdruck zwingt ausnahmslos alle Sparkassen dazu, vor allem im Individual- bzw. risikorelevanten Geschäft, auf Wachstum zu setzen. Mit bonitätsstarken Kunden soll zumindest ein Teil des rückläufigen Zins­überschusses kompensiert werden.

Damit kommen – und das gilt für alle 371 Sparkassen – vergleichbare Herausforderungen auf die Marktfolge Aktiv/Produktion zu. Diese Her­aus­forderungen lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Gewähr­leistung einer schlanken und stark standardisierten Produktion im Stan­dardgeschäft zur Schaffung von Freiräumen für das Individualgeschäft.
Aber wie kann eine solche schlanke Produktion im Standardgeschäft aussehen?

Kreditgeschäft 2025: Produktionsgedanken vorantreiben

Produktion 2025 bedeutet, Standard- und Individualgeschäft schon in der Aufbauorganisation zu differenzieren.

Um das standardisierte Kreditgeschäft zu optimieren, sollten alle Maß­nah­men unter der Prämisse des Produktionsgedankens stehen. Bisher ist der Begriff „Produktion“ in der Sparkassen-Finanzgruppe nicht um­fas­send akzeptiert.

Daher werden aktuell verschiedene Definitionen und Aussagen mit „Produktion“ in der Sparkasse assoziiert. Beispiele dafür sind:

  • Produktion kann hocheffizient ausgeführt werden.
  • Produktion funktioniert in vielen Bereichen der Sparkasse gut (z. B. in der Standard-Baufinanzierung).
  • Produktion funktioniert in einigen Bereichen der Sparkasse weniger gut (z. B. bei der Risikobetrachtung von Konzernverflechtungen).
  • Produktion ist mehr als Marktfolge.
  • Produktion kann in Teilen ausgelagert werden etc.

Bevor die Erkenntnisse aus diesem Beitrag in einem möglichen An­spruch an die Produktion münden, sei eins vorweggeschickt: Kosten­senkungspotenziale von 50 oder mehr Prozent, die mit einer effizienten Produktion in Verbindung gebracht werden, sind plakativ.

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Denn mögliche Kostensenkungen hängen immer (!) von der individuellen Ausgangssituation der Sparkasse ab, wobei Projekterfahrungen zeigen, dass Quoten von 10 bis 30 Prozent GuV-wirksam umsetzbar sind.

Hinzu kommt, dass ergriffene Einzelmaßnahmen nicht nur die Effi­zienz steigern, sondern ebenfalls die Risikopolitik und die Kundenschnittstelle der Sparkasse tangieren können. Diese Tatsache lässt sich abmildern, in dem das Standardgeschäft in den Fokus von Effizienzsteigerungen gerückt wird. Das Individualgeschäft wird gleichzeitig unter Wachstums- und Risikoaspekten betrachtet.

Dennoch muss eine Frage beantwortet werden: Ist eine Sparkasse bereit, die Effizienz im Kreditgeschäft zu erhöhen, wenn damit ein Risikoanstieg verbunden ist und wird der Vertrieb im Erzielen von Mehrertrag nicht gehemmt? Abbildung 1 verdeutlicht die beispielhafte Bewertung einzelner Stellhebel in diesem Zielkonflikt.

So führt eine standardisierte Kreditkontrolle zwar zu Effizienzgewinnen, hat jedoch Einfluss auf die Risikopolitik der Sparkasse. Gleichzeitig hat das Anpassen von Kontrollverfahren keinen Einfluss auf die Kunden­schnitt­stelle und sollte den Vertrieb nicht hemmen, Mehrertrag zu generieren.

Nach der Betrachtung des Produktionsgedankens kommen wir nun zurück zur Ausgangsfrage: Welche konkreten Maßnahmen und Stellhebel können jetzt zur Umsetzung des Produktionsgedankens angegangen werden?

Stellhebel 1: Produktion beginnt bereits im Markt

Projekterfahrungen zeigen, dass der Fallabschluss im Markt, obwohl bereits seit Jahren forciert, immer noch bei zu wenigen Geschäfts­vor­fällen „gelebt“ wird. Unvollständig eingesetzte IT, unpräzise Arbeits- und Prozessbeschreibungen sowie die Zurückhaltung beim aktiven Kredit­verkauf sind Hauptgründe für Fallabschlussquoten im Markt, die unter den Möglichkeiten bleiben.

Es gilt, den Fallabschluss im Markt und den Fallabschluss durch den Kunden selbst bis zum Jahr 2025 signifikant auszuweiten. Wichtige Instru­mente dafür sind unter anderem die private und gewerbliche Aktivlinie. Denn eine Aktivliniendurchdringung von etwa 40 bis 50 Prozent der Geschäfts- und Gewerbekunden ist in der Praxis umsetzbar.

Aus Gesprächen wird immer wieder deutlich, dass Sparkassen ihre Kunden kennen und eine vorhandene Aktivlinie nicht immer bedeuten muss, dass auch eine Finanzierung ausgereicht wird.

Der Multikanalgedanke und die aktuellen Digitalisierungsfortschritte (z. B. in Form des Firmenkundenportals) entkräften jedoch diese Argumen­tation: Man stelle sich vor, ein gewerblicher Kundenberater im stationä­ren Vertrieb verwehrt den Kreditverkauf trotz vorhandener Aktivlinie. Einige Stunden später nutzt derselbe Kunde den fallabschließenden Kreditverkauf in der Internet-Filiale und erhält – aufgrund vorhandener Aktivlinie – ohne umfangreiche Finanzierungsangaben den Kreditbetrag.

Zusammenfassend muss neben technischen und konzeptionellen Anpassungen auch ein kulturelles Umdenken stattfinden, um den Fallabschluss im Markt weiter voranzutreiben. Denn eins steht fest: „Produktion“ beginnt nicht erst mit der Übergabe eines Kreditvorgangs an die Marktfolge.

Daher muss der Produktionsgedanke auch im Marktbereich weiter verstärkt werden. Aus diesem Grund muss das Kreditgeschäft 2025 Front-to-end, das heißt vom Kundengespräch bis zur Ablage des Kreditvertrags, neu ausgerichtet werden.

Stellhebel 2: Bestandsprozesse angehen

Trotz hoher Kapazitätsbindung und Relevanz an der Kunden­schnittstelle haben die Bestandsprozesse bei den meisten Sparkassen lange Zeit nicht im Fokus der Optimierung gestanden. Die Technikdurchdringung ist gering und die OSPlus-Nutzung ausbaufähig.

Ansatzpunkt ist auch hier eine eindeutige Zuordnung der Bearbeitungs­ver­antwortung zwischen Markt und Marktfolge. In vielen Sparkassen ist etwa die Bestandsbearbeitung in der privaten Baufinanzierung nicht optimal geregelt.

Geht eine Zinsprolongation über den Standard hinaus, reicht die Erfah­rung des Primärberaters oftmals nicht aus. Zudem werden die erforder­lichen Bestandsbearbeitungen wie ein Schuldnerwechsel – für den Fall der Scheidung eines Kunden – nicht oder nur zögerlich an den Fachbe­treuer weitergegeben.

Neben diesen anspruchsvollen Fällen kann jedoch der Produktionsge­danke auch bei Standardbestandsprozessen entwickelt werden. Die Massenzinsprolongation in OSPlus vereint etwa die Bestandsbearbei­tung erheblich, indem klar definierte Grenzen der Darlehensrestschulden den Einsatz dieses Standardisierungswerkzeugs verbindlich festlegen. Darlehensselektion, Angebotsberechnung, Angebotserstellung und -versand finden in einem maschinellen Verfahren ohne manuelle Bearbeitung statt.

Stellhebel 3: OSPlus-Neo-Baufinanzierung

Erste Gehversuche, um eine fallabschließende Baufinanzierung zu realisieren, hat die damalige Sparkassen Informatik bereits 2000 unter­nom­men. Nach 20 Jahren Entwicklungsarbeit verfügen die Sparkassen nunmehr über ein Instrument, das in der Standard-Baufinanzierung eine fallabschließende Bearbeitung ermöglicht.

Die Quote der über OSPlus-Neo-Baufinanzierung bearbeiteten Neuge­schäfts­vorfälle liegt bei den Sparkassen aktuell zwischen 30 und 40 Prozent. Und die Durchdringungsquote nimmt kontinuierlich zu. Seit dem Re­lease 20.1 lassen sich private Baufinanzierungen für N-Personen fall­ab­schließend durchführen und Bestandssicherheiten des Kreditnehmers einbeziehen.

Unter OSPlus-Neo-Baufinanzierung finden viele Tätigkeiten „dunkel“ statt (z. B. Scoring, Konditionenermittlung). Die Umsetzung von OSPlus-Neo-Baufinanzierung unterstützt damit den Produktionsgedanken und führt nach Projekterfahrungen der Autoren zu deutlichen Effizienzgewinnen im Standardgeschäft der Marktfolge Aktiv/Produktion.

Stellhebel 4: Kreditkontrollen standardisieren

Die regelbasierten Prozesse sind mittlerweile in den meisten Sparkassen umgesetzt. Die Unterscheidung zwischen fallabschließenden Prozessen, Prozessen mit Einzelvotum und KKR, Prozessen mit Einzelvotum und StandardRating oder Prozessen mit Zeitvotum werden durch die Technik erkannt und der richtigen Prozessstraße zur Bearbeitung in der Markt­folge Aktiv/Produktion zugeordnet. Die Kontrollverfahren sind hingegen häufig noch nicht auf die regelbasierten Prozesse gemäß PPS-Vorgaben angepasst.

So sollte bei fallabschließenden Prozessen auch in den Kontrollver­fah­ren die Marktfolge Aktiv/Produktion vollständig „raus sein“. Eine nachge­lagerte Kontrolle erfolgt in einem zu definierenden Umfang nur durch die Führungskraft im Markt.

Standardvorfälle werden damit anders kontrolliert als das Individual­ge­schäft. Somit muss die Komplexität der Kreditkontrollen mit dem Risiko­gehalt der Prozesse ansteigen. Mehr Effizienz in den Kreditkon­trollen sind vor allem in Standardprozessen, das heißt in der Produktion, durch Vereinfachungen und Wegfall von Kontrollen realisierbar.

Dies ermöglicht einen auch vom Kunden als wirklich fallabschließend wahrgenommenen Prozess. Im Individualfall mit Zweitvotum ist dagegen häufig eine Verstärkung der Kontrollhandlungen erforderlich. So erfolgt die materielle und formelle Kontrolle prozessbegleitend durch die Kreditanalyse und Kreditsachbearbeitung im Sinne einer Vollkontrolle.

Stellhebel 5: Standard- und Individualgeschäft bereits in der Aufbau­organisation trennen

Der Produktionsgedanke zur Hebung von Effizienzen sieht eine Unter­schei­dung zwischen Standard- und Individualgeschäft vor:

  • Teile des Standardgeschäfts sollten dabei fallabschließend bearbeitet werden (Stellhebel 1).
  • In den Bestandsprozessen ist ein Einsatz von Technik vor allem im Standardgeschäft sinnvoll (Stellhebel 2).
  • Der Einsatz von OSPlus-Neo-Baufinanzierung (Stellhebel 3) und die Differenzierung der Kreditkontrollen (Stellhebel 4) setzen den Produktionsgedanken für die Standardgeschäftsvorfälle um. Die regelbasierten Prozesse unter OSPlus-Kredit unterstützen dies.

Mit einer Unterscheidung der Aufbauorganisation in eine Marktfolge Standard (Produktion) und Marktfolge Individual wird diese Trennung auch aufbauorganisatorisch gefestigt. Häufig werden jedoch in der Sparkassenpraxis trotz Einsatz regelbasierter Prozesse Standardfälle wie Individualfälle behandelt.

Die hier beschriebene Trennung unterstreicht die Behandlung des Standards als Standard. Gleichzeitig wird die in der Betriebsstrategie der Zukunft (BdZ) beschriebene Zusammenfassung der so neu gefassten Marktfolge Standard (Produktion) mit der Marktfolge Passiv vorbereitet.

Neben den hier beschriebenen fünf Stellhebeln im Aktivgeschäft sollten fünf weitere Stellhebel (hier Stellhebel 6 bis 10) Bestandteil der Neuausrichtung bis 2025 sein (s. Abb. 2).

Die Definition und das „Leben“ der Schnittstelle zwischen Markt und Marktfolge ist ein „Dauerbrenner“ seit es die Funktionstrennung gibt. Eine Vereinheitlichung von Risikorelevanz- und KKR-Grenze sowie weiteren Kreditbetragsgrenzen hat die Effizienz weiter erhöht. Die Anforderungen an das Kreditsekretariat steigen allerdings weiter.

Für die Neuausrichtung des Kreditsekretariats ist der „Blick nach vorne“ erforderlich, um die Produktion für künftige Anforderungen fit zu machen. Doch das Förderkreditgeschäft ist nach Wahrnehmung der Autoren vernachlässigt. Die aktuellen Rahmenbedingungen erfordern hier eine Trendumkehr. Alle zuvor beschriebenen Stellhebel bedeuten Verände­rungen, die ein Mitnehmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfor­dern. Neben den Personalentwicklungsmaßnahmen ist parallel ein Veränderungsmanagement zu installieren, das verschiedene Vorgaben leisten sollte:

  • Das Thema „Augenhöhe Markt und Marktfolge“ weiter sicherstellen
  • Ein Commitment der Mannschaft auslösen bzw. verstärken.
  • Die Frage der personalwirtschaftlichen Realisierung von Potenzialen berücksichtigen.

Fazit: Produktion 2025 als Lösung für Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe?

Die Herausforderungen für die Sparkassen und ihre Verbundpartner sind gewaltig. Neben den bereits vorhandenen Einflussfaktoren (Niedrigzins­phase, Demographie etc.) kommen mit der Einlagenschwemme, der Einengung des Ermessensspielraums durch detailliertere rechtliche Vorgaben und nicht zuletzt durch die Corona-Krise neue Problemstellungen hinzu.

Die Sparkassen reagieren richtigerweise mit der Stärkung der medialen Kanäle für Vertrieb und Service, der Trennung des privaten und gewerb­lichen Geschäftes durch Überleitung der Geschäftskunden auf das BusinessCenter sowie der individuellen Beratung im Individualge­schäft zur Ausschöpfung von risikoorientiertem Wachstum. Dies erfordert auch Veränderungen in der Marktfolge Aktiv/Produktion. Neben der weiterhin risikoorientierten Kreditpolitik sowie des Beitrags zur Hebung von Kosten­effizienzen ist die Marktfolge Aktiv/Produktion durch die oben angesprochenen Anforderungen in hohem Maße gefordert.

Produktion 2025 bedeutet daher, Standardgeschäft und Individual­geschäft bereits in der Aufbauorganisation zu differenzieren, um bis 2025 das Individualgeschäft (vor allem das komplexe Kreditgeschäft) als Wachstumsbereich zu fokussieren.

Produktion 2025 bedeutet ebenso, dass Qualität und Effizienz der inter­nen Einheit mit externen Dienstleistern verglichen wird. Der Anspruch dabei ist, dass das Standardgeschäft bis 2025 einen Professionalisie­rungsgrad erreicht, der eine jederzeitige Auslagerung an einen Dienst­leister zulässt.

Aber der Produktionsgedanke muss auch den Markt in die Pflicht neh­men, da er die Fallabschlussquote bis 2025 steigert und eine einheitliche Anlieferungsqualität sicherstellt. Die hier aufgezeigten zehn Stellhebel sind somit nicht die alleinige Lö­sung für die Herausforderungen, sondern ein wesentlicher Baustein zur Lösungsfindung bis 2025.

Autoren
Michael Schmidt ist Geschäftsführer und Gründungspartner und Dr. Matthias H. Jahnke, MBA Manager bei SSC Management Consult in Köln.

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Michael Schmidt, Matthias H. Jahnke
– 25. März 2021