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BBL_ERIX-App (mit Tipps)
Wie Fusionen besser gelingen
Der Erfolgsdruck lastet schwer auf fusionierten Instituten. Eine Analyse-App wertet Entwicklungen aus. Erfolgsfaktoren für Zusammenschlüsse, aber auch Probleme werden transparenter.

Immer wieder werden Fusionen von Sparkassen und Banken als sinnvolle Maßnahme ins Spiel gebracht, um in schwierigem Fahrwasser die eigene Marktposition zu sichern oder gar auszubauen. Darüber hin­aus gelten Zusammenschlüsse als geeignetes Mittel, um Skalen­effekte (Economies of Scale) zu realisieren.

Dabei handelt es sich um Betriebsgrößenvorteile: Stückkosten können sinken, da sich die Fixkosten auf höhere Stückzahlen verteilen. Und nicht zuletzt können Vorteile aus dem Verbund verschiedener bzw. ver­schiedenartiger Vertriebs- und Produktionsbereiche resultieren (Econo­mies of Scope) – auch wenn diese Effekte bei Sparkassen und Genos­sen­schaftsbanken lediglich eine geringere Rolle spielen.

Zusammenschlüsse kontrovers diskutiert

Ob Zusammenschlüsse tatsächlich den erhofften wirtschaftlichen Nutzen haben, darüber gehen die Meinungen in der Fachwelt weit auseinander. Einige Experten halten Fusionen für überlebenswichtig, andere sehen darin keinen großen Mehrwert oder – ganz im Gegenteil – halten Verschmelzungen sogar für schädlich.

Im Folgenden werden deshalb einmal Fusionen im Sektor der Sparkas­sen und Genossenschafts­banken anhand konkreter Zahlen und Daten beleuchtet.

Für diesen Zweck gut geeignet sind Offenlegungsdaten im Kontext der Säule 3 (Supervisory Disclosure Process, kurz SDP). Diese Zahlen müs­sen von sämtlichen Instituten nach einem fest vorgegebenen Muster ver­öffentlicht werden. Sie bilden demzufolge nicht nur den Markt voll­ständig ab, sondern sind auch homogen und damit eine hervor­ragende Aus­gangs­basis für Vergleichsanalysen.

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Fusionsanalyse auf Basis von SDP-Da­ten

Beginnend mit dem Geschäftsjahr 2015 haben die Autoren die SDP-Da­ten für alle nicht systemrelevanten deutschen Sparkassen und Kredit­ge­nos­senschaften (LSI-Primärinstitute) in Datenbanken erfasst. Die Daten­er­hebungen geben flächendeckend Einblicke in Geschäftsmodelle, Er­geb­nislage, Risikoprofile und nicht zuletzt Kapitalausstattung sämtlicher LSI-Primärinstitute. Sie sind die Basis für eine Fusionsanalyse.

Zwischen 2015 und 2019 sind 409 ursprünglich rechtlich autonome Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch Verschmelzung in am Ende 196 Fusionsinstituten aufgegangen. Am häufigsten waren dabei Zusammenschlüsse von zwei Sparkassen oder Banken, in lediglich knapp acht Prozent der Fälle kam es zur einer Dreier- bzw. Viererfusion.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage: Wie konnten sich fusionierte Banken gegenüber anderen Instituten behaupten. Betrachtet worden ist die Effizienz und Resistenz vor und nach erfolgtem Zusammenschluss.

Einsatz eines Effizienz-Resistenz-Index (ERIX)

Zum Einsatz kam dabei das Konzept ERIX (Effizienz-Resistenz-Index): Es bildet den (in-)effizienten Umgang mit Personal-, Sach- und Kapital­res­sourcen ab und ist gleichfalls Gradmesser für die Widerstandsfähig­keit einer Bank. Dabei werden die Institute anhand ihrer Effizienz (Risi­kokapitalverzinsung) gerankt.

Ein weiteres Ranking erfolgt im Hinblick auf die Risikoresistenz (freies Risikokapital, Erlöskonzentra­tionen). Beide Rangfolgen werden zu einer einzigen verdichtet und indexiert auf einen Wertebereich von null (schlechtester) bis 100 Prozent (bester Rangplatz).

Das Ergebnis ist der ERIX. Ein sehr griffiger Kennwert, der unterschied­liche Dimensionen zu einem einzigen Wert komprimiert, damit als Spit­zenkennzahl ein Institut in das Gesamtfeld einzuordnen vermag und so Quervergleiche einfach und schnell ermöglicht.

Ein Institut mit einem Wert von etwa 75 Prozent schneidet verglichen mit allen anderen LSI-Primärinstituten mithin ziemlich gut ab. Ein Viertel (25 Prozent) der Institute liegen auf der Rangliste zwar noch über der Auswertungsbank. Dafür lässt sie aber drei Viertel aller Sparkassen und Genossenschaftsbanken hinter sich.

Selbstverständlich lässt sich der ERIX-Wert in seine Komponenten zerle­gen und auf diese Weise bis ins Detail auf seine einzelnen Einflussfakto­ren herunterbrechen.

Exkurs: ERIX-App hilft bei Analyse

Mit einer speziellen App können ERIX-Werte und ausgewähl­te weitere Spitzenkennziffern jeder Sparkasse und Genossenschafts­bank kostenlos abgerufen werden. Die App ist im iTunes Store oder Google Play Store erhältlich. Dort einfach nach „ERIX“ suchen.‎ Es ist lediglich eine kurze Registrierung erforderlich, anschließend wird die App kostenfrei heruntergeladen (s. Abb. 1).

In einem Eingabefeld lassen sich Institutsname oder alternativ Sitz der Bank (z. B. Stuttgart) eingeben und bei mehreren Treffern aus der angezeigten Auswahlliste das gewünschte Haus auswählen.

Nun das Feld „Anzeigen“ betätigen. Es erscheinen die vier zentralen Kennzahlen: Größe, Erfolg, Kapital und Effizienz-Resistenz-Index (ERIX) jeweils auf einer separaten „Kachel“.
 

Fusionsinstitute entwickeln sich unterschiedlich

Die Analyse der Fusionen anhand des ERIX zeigt: Im Jahr ihres Zusammenschlusses rutschen die Häuser auf der Rangliste um rund zehn Prozentpunkte ab, was in etwa 120 Rangplätzen entspricht (s. Abb. 2). Gründe für den drastischen Rückgang liegen erfahrungsgemäß vor allen Dingen im fusionsbedingten zusätzlichen Zeit- und Sachaufwand, nicht zu unterschätzen sind auch Ergebnisverschlechterungen aufgrund von Verunsicherungen bei Kunden und Mitarbeitern.

Berücksichtigt man die Größe der Institute durch Gewichtung des ERIX mit der Bilanzsumme, so vermindert sich der Rückgang zwar – vermutlich aufgrund der besseren Absorptionsfähigkeit größerer Häuser für die Fusionsbelastungen. Gleichwohl beträgt der durchschnittliche Rangplatzverlust dann immer noch fünf Prozentpunkte und somit rund 60 Plätze im Gesamtfeld aller Institute (s. Abb. 2).

Im ersten Jahr nach der Fusion steigt der ERIX wieder an, kann den Rück­gang aus dem Fusionsjahr aber längst nicht wettmachen. Offen­sichtlich wird also ein möglicher Fusionsnutzen nicht sofort gehoben. In den folgenden Jahren verbessern sich die Platzierungen abermals. Nach insgesamt drei Jahren haben die Fusionsinstitute den Daten zufolge ihre ursprüngliche Ranglistenposition im Großen und Ganzen zurückerobert und eine fusionsbedingte Belastung in Summe somit verarbeitet (s. Abb. 2). Ein differenzierter Blick fördert jedoch deutliche Abweichungen zwischen verschiedenen Clustern zu Tage:

1. ERIX-Veränderung nach Institutsgröße

Im Schnitt führen nur mittelgroße Fusionen mit einem Bilanzvolumen zwischen einer und 2,5 Milliarden Euro zum Erfolg. In dieser Größenklasse haben sich die Institute um sieben Prozentpunkte – also knapp 90 Rangplätze – verbessert.

Kleine (unter einer Milliarde Euro) und große Fusionsinstitute (über 2,5 Milliarden Euro) rangieren noch deutlich unterhalb ihres Ausgangsni­veaus (s. Abb. 3). Möglicherweise überstrahlen die Kosten den Nutzen bei Kleinfusionen, während die Aktivierung von Synergiepo­tenzia­len bei Großfusionen an der Komplexität scheitert.       

2. ERIX-Veränderung nach Institutsgruppe

Kreditgenossenschaften (kurz VR) übertreffen bereits nach zwei Jahren ihre ursprünglichen Rangplatzierungen und sind bei Fusionen mittelfristig gesehen erfolgreicher als Sparkassen (SK). Während sich fusionierte Genossenschaftsbanken um 2,9 Prozentpunkte (rund 35 Rangplätze) steigern, liegen Sparkassen nach Ablauf von drei Jahren im Mittel um 2,8 Prozentpunkte unter ihrer Ausgangsplatzierung (s. Abb. 4).

Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Unterschied kulturell bedingt ist und die genossenschaftliche Flexibilität bei Fusionen förderlich wirkt, das öffentlich-rechtliche „Korsett“ Sparkassen demgegenüber eher einbremst.

3. ERIX-Veränderung nach Institutsqualität

Institute mit Ausgangsplatzierungen im unteren Ranglistenbereich (ERIX: kleiner/gleich 50 Prozent) werden im Zuge von Fusionen besonders gut aufgefangen und können ihre Listenposition um 7,5 Prozentpunkte (90 Rangplätze) steigern. Zusammenschlüsse „solider Partner“ (ERIX: größer 50 Prozent) haben dagegen einen Absturz um 9,2 Prozentpunkte (110 Rangplätze) zur Folge (s. Abb. 5).

„Rettungsfusionen“ sind also ganz offensichtlich erfolgreicher umzuset­zen als strategiegetriebene Zusammenschlüsse. Damit bestätigt sich die Erfahrung, dass ein „Durchregieren“ erfolgreicher Institute dem schwä­che­ren Partner zugutekommt, während der Erfolgspfad bei Fusionen „auf Augenhöhe“ durch Gerangel um Kompetenzen und Konzepte oft blockiert wird.
  
4. ERIX-Veränderung nach Ausgewogenheit

Deutlich kleinere Institute werden ganz offensichtlich zumeist gut inte­griert. Fusionen gleichgroßer Institute schneiden hingegen weniger erfolgreich ab. Dies unterstreicht eine nach Bilanzsummenrelationen getrennte Betrachtung. Lag das Größenverhältnis der Fusionshäuser über zwei, so hat sich die Ranglistenposition im Schnitt um 9,1 Prozent­punkte (rund 110 Rangplätze) verbessert. Bei bilanzsummenbezogen eher ebenbürtigen Partnern verschlechterte sich die Platzierung um vier Prozentpunkte oder rund 50 Ranglistenplätze (s. Abb. 6).

Keine Fusion um jeden Preis

Angesichts dieser Ergebnisse ist die Frage also durchaus berechtigt, in­wieweit eine Zusammenarbeit oder gar Zusammenlegung von Primär­instituten deren Zukunftsfähigkeit sichern kann. Anlass für derartige Über­legungen müssen nicht unbedingt erkennbare oder bereits eingetre­tene wirtschaftliche Schwächen sein.

Eine Fusion sollte als Strategieoption vor allem dann in Betracht kom­men, wenn eine Bank aus der Position der Stärke heraus handeln und entscheiden kann. Daher ist ratsam, sich möglichst frühzeitig mit der Thematik zu befassen – und natürlich den passenden Partner zu suchen.

Dies gilt auch und vor allem vor dem Hintergrund der aktuell sehr rege ge­führten Diskussion um die Tragfähigkeit und Widerstandsfähigkeit von Geschäftsmodellen. Dieser Frage widmet sich inzwischen selbst die Bafin intensiv im Zuge des bankaufsichtlichen Überprüfungsprozesses SREP, der ein eigenständiges Prüffeld „Geschäftsmodellanalyse“ (Business Model Analysis, kurz BMA) vorsieht.

Die Vorgaben für die BMA stammen von der Europäischen Bankenauf­sichtsbehörde EBA und sind Teil eines speziellen Leitfadens. Darin werden die Aufsichtsbehörden zur Durchführung zukunftsgerichteter Analysen der Geschäfts- und Risikostrategien aufgefordert.

In diesen Kontext passen die von der Aufsicht offen geäußerte Besorgnis über das Profitabilitätsniveau sowie die Ermahnung an die Banken und Sparkassen, Möglichkeiten zu eruieren, um einer weiteren Erosion der Profitabilität entgegenzuwirken. Denn eine auskömmliche Thesaurie­rungsfähigkeit ist der Schlüssel, um erkennbar weiter steigende Kapital­an­forderungen einzuhalten.

Sondierungen verhindern Überraschungen

Zugegebenermaßen sind Fusionsüberlegungen ein sensibles Thema, das behutsam und mit Bedacht angegangen werden sollte. Eine Son­dierung anhand öffentlich verfügbarer Daten kann daher ein sinnvoller und probater erster Schritt sein, um Auswirkungen von Kooperationen bzw. Fusionen auf Effizienz und Resistenz zu simulieren und auf diese Weise ohne großes Aufsehen grundsätzlich geeignete Partner herauszu­filtern, bevor konkrete weitere Maßnahmen unternommen werden.

Im Zuge einer derartigen Sondierung werden zunächst sämtliche für eine Kooperation bzw. Zusammenlegung prinzipiell in Frage kommende Ban­ken zusammengetragen (Long-List). Nun erfolgt die quantitative Betrach­tung mit SDP-Daten zur Vorschau auf Fusionswirkungen.

Mit dem verfügbaren Zahlenmaterial können durch Integration der Datensätze in nahezu beliebiger Weise Simulationen etwa im Hinblick auf Bilanzbild, Ergebnisstrukturen, regulatorische Kennzahlen oder Effizienz- und Resistenzwerte durchgeführt werden.

Entscheidungsträger haben so Dimensionen und Zahlenarchitektur nach einem möglichen Zusammenschluss bereits vorher konkret vor Augen. Sie können Synergieeffekte mit dem Blick nach vorne für unterschied­liche Fusionskonstellationen auf der Zeitachse durchspielen und erhalten eine Vorschau auf die jeweiligen Effekte.

Ergänzt werden die harten Fakten um eine qualitative Ebene, wobei sich der Blick hier auf die Interessen von Eigentümern/Trägern, Mitarbeitern, Kunden, Verbänden, Aufsichtsbehörden und allgemeiner Öffentlichkeit richtet.

In die Betrachtung mit einbezogen werden auch Strategieausrichtungen, (Führungs-)Kulturen und Charaktereigenschaften handelnder Personen in den jeweils einbezogenen Instituten, soweit hierzu Informationen aufgrund von Kontakten und konkreten Erfahrungen vorliegen. Diese Daten werden ebenfalls erfasst und strukturiert aufbereitet, damit sie in die Simulationen mit eingebunden werden können.

Auf diese Weise lassen sich die für eine Zusammenarbeit oder Zusam­men­legung in Frage kommenden Partner zunächst geräuschlos aussie­ben, dann priorisieren und schließlich auf einer Short-List zusammen­fassen. Sie bildet ein solides Fundament, auf dem sodann die weiteren konkreten Schritte unternommen und konkrete Gespräche angebahnt werden können.

Fazit

In bestimmten Fällen scheint – nicht nur unter dem aufsichtlichen Brenn­glas – eine sinnvolle Alternative zur Positionierung im aktuell schwierigen Bankenumfeld in einer institutsübergreifenden Zusammenlegung von Funktionen oder gar der Verschmelzung von Instituten zu liegen.

Im Grunde wird von den Sparkassen und Banken sogar erwartet, diese Option im Rahmen der künftigen Ausrichtung des eigenen Hauses ins Kalkül einzubeziehen und die Erfolgsaussichten mit Blick auf die Rentabilitätswirkungen zu bewerten.

Aufgrund ihrer Vollständigkeit und Homogenität können SDP-Daten im Rückblick Aufschluss über den Erfolgsgrad von Fusionen geben und eine gute Unterstützung bei der zukunftsgerichteten Eruierung von Zusammenschlüssen bieten.

Autoren
Rolf Beike und Niklas Lach sind Geschäftsführer der Beikelach GmbH in Stuttgart.

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Rolf Beike, Niklas Lach
– 9. März 2021