Welche Chancen und Risiken erwachsen Banken und Sparkassen aus Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsthemen? Dieser Frage ist die HFM auf ihrem diesjährigen Symposium nachgegangen.
Zu beobachten ist, so der Tenor in Bonn, dass die Aufsicht wieder loslegt mit umfassenden Prüfungen (zugleich mit erweiterten Inhalten) und beabsichtigt, neue Vorhaben umzusetzen.
In den vergangenen eineinhalb Jahren hatte sie aufgrund der Coronapandemie und mit Rücksicht auf die ohnehin angespannten Kapazitäten der Kreditwirtschaft Prüfungs- und Regulierungsaktivitäten zurückgestellt.
Finanzinstitute müssen sich somit wieder frühzeitig mit neuen Prüfungs- und Regulierungsinhalten auseinandersetzen. Sieben Referenten aus Bankaufsicht und Finanzpraxis haben deshalb in Bonn aktuelle Handlungsfelder und künftige Entwicklungen der Regulierung skizziert.
Krise ohne Effekte auf NPL-Niveau
Reinhold Vollbracht, Leiter der Stabsstelle „SSM-Bankenaufsicht/JST-Koordination“ bei der Deutschen Bundesbank, hat zu Beginn über die aktuellen Entwicklungen der europäischen Bankenaufsicht berichtet.
Aus seiner Sicht hat die Krise bisher keinen Effekt auf das NPL-Niveau gehabt. Es liegt für den deutschen Bankensektor stabil bei rund 1,2 Prozent. Bei den signifikanten Instituten im Euroraum ist es von 3,7 (erstes Quartal 2019) auf 2,6 Prozent (viertes Quartal 2020) gesunken.
Mit Blick auf die Coronapandemie hat Vollbracht aufsichtliche Maßnahmen vorgestellt, die zur Entlastung der Institute sehr kurzfristig umgesetzt worden waren. Dazu zählen:
- Verschiebung des EBA-Stresstests;
- Implementierung von Basel III.
Die SSM-Aufsichtsprioritäten haben 2021 gelegen auf:
- Steuerung von Kreditrisiken und Kapitalausstattung;
- Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle;
- Governance (einschließlich Steuerung von IT- und Cyber-Risiken).
Erfolgreicher Kampf gegen Cyber-Risiken
Letzteres Thema hatte Matthias Stoffel, Leiter des S-Cert beim SIZ, in seinem Vortrag im Blick. Der Einsatz von Cloud-Computing wächst demnach und ist für die Finanzhäuser notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aus der Cloud erwachsen jedoch digitale Angriffspunkte und Fehlerquellen.
Stoffel hat dargelegt, welche Sicherheitslücken es gibt, und zugleich erläutert, wie man diese beobachtet, findet und gegebenenfalls neutralisiert. Häufig handelt es sich nach seinen Erfahrungen um Ransomware-Angriffe, manipulierte Patches (zum Beispiel Software) und allseits bekannte Phishing-Versuche.
Stoffels Credo: Die nachhaltige Weiterentwicklung der IT-Sicherheit sorgt dafür, dass die Branche letztlich besser aufgestellt ist und auch andere branchenfremde Institutionen aus den gewonnenen Erkenntnissen profitieren können, was zum allgemeinen Kampf gegen Cyber-Kriminalität beiträgt. Daher lohnen sich auch scheinbar hohe Investitionen in die IT-Sicherheit.
Vollbracht gab ferner einen Ausblick auf die SSM-Prioritäten für 2022 bis 2024. Neben den Cyber- und Umweltrisiken gehört dazu, die Folgen der Pandemie im Bereich der Kreditrisiken zu bewältigen, sowie das Thema Diversität.
Digitale und grüne Transformation zu finanzieren, eröffnet Banken und Sparkassen aus seiner Sicht aber auch Chancen für neue Geschäftsaktivitäten im Kreditgeschäft. Bei steigender Inflation steht ferner das Zinsänderungsrisiko wieder im Fokus. Schwerpunktthemen nationaler Aufsichtsstrategie in den kommenden Jahren dürften sein:
- enge Überwachung der Institute mit Blick auf Auswirkungen der Pandemie (Kreditrisiken bei Immobilien sowie Geschäftsmodellrisiken);
- IT- und Cyber-Risiken;
- detaillierte Analyse von Geschäftsmodellen.
Ferner wird die Aufsicht verstärkt Zahlungs- und E-Geldinstitute sowie Betreiber des Kryptoverwahrgeschäfts im Blick haben. Im weiteren Verlauf ist es nun wesentlich, den internationalen Anforderungen im gesamten Kontext weiter gerecht zu werden. Vollbracht hat jedoch auch angekündigt, dass vor allem kleinere und mittelgroße Institute mit operativen Erleichterungen rechnen können.
Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Beim Megatrend Digitalisierung sind die Chancen klar ersichtlich, aus Sicht der Bankenaufsicht sind dennoch Risiken vorhanden, die entsprechende Prüfungsverfahren notwendig machen:
- Verlust von Wissen;
- eingeschränkte Verhandlungsmacht der Banken gegenüber den Cloud-Anbietern und der damit verbundene „Vendor Lock-in“;
- Durchführung von Revisionsprüfungen der Cloud-Anbieter;
- allgemeine Konzentrationsrisiken.
Die Bankenaufsicht setzt sich für eine sehr prinzipienorientierte und technologieneutrale Regulierung in digitalen Risiken ein und steht dem digitalen Fortschritt der Institute offen und positiv gegenüber. Dieser macht die Banken demnach rentabler, wettbewerbs- und widerstandsfähiger. Dennoch müssen die Institute die einhergehenden Risiken im Auge behalten und angemessen steuern.
Hier finden Sie weitere Beiträge aus den Betriebswirtschaftlichen Blättern (BBL)
⇒ Infotipp: Setzen Sie auf diesen Link ein Bookmark – und Sie haben jederzeit einen Überblick über die Betriebswirtschaftlichen Blätter.
Auch das Thema Nachhaltigkeit ist für die Aufsicht hochrelevant. Die Risiken für das Bankenwesen zeigen sich vor allem in den Auswirkungen des Klimawandels, die Einfluss auf die künftige Kreditvergabe haben. Zugleich kann er aber auch zu Verlusten durch Kursrückgänge oder physische Schäden sowie Reputationsverlusten führen.
Finanzinstitute kommen also nicht drum herum, sich diesen Veränderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene anzupassen. So sieht es zumindest auch Prof. Dr. Thomas Dietz, Referatsleiter Bankgeschäftliche Prüfungen bei der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Berlin und Brandenburg.
Er hat auf dem Symposium betont, dass bei Prüfungen und im Rahmen von Aufsichtsgesprächen stärker thematisiert werden dürfte, wie in den Häusern mit Nachhaltigkeitsrisiken umgegangen wird.
Erforderlich ist wiederum, Methoden der Risikoerfassung und -beurteilung zu erweitern und anzupassen. Die Flutkatastrophe im Ahrtal ist ein Beleg dafür, wie klassische Risikomodelle bei der Modellierung der Auswirkungen von Klimarisiken an ihre Grenzen stoßen.
Dietz hat deshalb an die Teilnehmer appelliert, künftig mehr szenariobasierte Analysen und Stresstests durchzuführen. Für wichtig hält er, eine Datenbasis zu Nachhaltigkeitsrisiken aufzubauen. Die Prüfer sind sich jedoch der aktuell noch vorhandenen Daten- und Messprobleme bewusst und berücksichtigen diese entsprechend.
EBA: Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen
Die aus Paris per Videokonferenz zugeschaltete Katrin Weissenberg, ESG Risk und Bank Expert bei der European Banking Authority (EBA), hat einen Überblick über die vielfältigen Initiativen der EBA gegeben, die darauf abzielen, Nachhaltigkeitsrisiken in allen drei Baseler Säulen zu berücksichtigen.
MaRisk und Basel III: Weiterentwicklung der Gesamtbanksteuerung
Wesentliche Neuerungen bei der Auslagerung zum 1. Januar 2022 durch MaRisk und FISG sowie Eckpunkte der 7. MaRisk-Novelle hat Torsten Kelp, Referatsleiter BA 54-SREP, Risikomanagement, OpRisk und Institutsvergütung bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), aufgezeigt.
Um die Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung umzusetzen, ist es erforderlich, die MaRisk anzupassen. Da die EBA-Vorgaben einen höheren Detaillierungsgrad als die MaRisk haben, ist geplant, diese nicht vollständig in die MaRisk zu übernehmen, sondern auf die relevanten Stellen der EBA-Leitlinie zu verweisen.
Just am Veranstaltungstag hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur finalen Umsetzung von Basel III vorgelegt. Michael Engelhard, Leiter Bankaufsicht/Politik beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, konnte deshalb einen topaktuellen Überblick über die aus Sparkassenperspektive wesentlichen Inhalte des Kommissions-Vorschlags geben und eine erste Einschätzung vornehmen:
- Das Risikogewicht für Beteiligungen innerhalb von Haftungsverbünden oder in Institutsgruppen bleibt wie bisher bei 100 Prozent.
- In der CRR III gibt es keine Änderung des KMU-Unterstützungsfaktors, womit dieser unverändert beibehalten wird.
Umsetzungsstand des Zielbilds Banksteuerung kommt voran
Über aktuelle Entwicklungen aus dem Fachrat Banksteuerung – quasi dem Maschinenraum – hat Hubert Winter, Vorsitzender des Vorstands der Kreissparkasse Grafschaft Bentheim zu Nordhorn und zugleich Vorsitzender des Fachrats, berichtet. Er hat den aktuellen Umsetzungsstand des Zielbilds Banksteuerung skizziert.
Das Umsetzungsprojekt kommt danach mit großen Schritten voran. Da die Frist der Aufsicht für den Annex des Risikotragfähigkeits-Leitfadens Ende 2022 ausläuft, kommt, so seine Prognose, auf die Institute im kommenden Jahr mit dem Roll-out viel Arbeit zu. Perspektivisch werden die Institute jedoch entlastet.
Die Institute müssen aber die dafür erforderlichen Kapazitäten in den Häusern bereitstellen. Winter hat dazu auf die vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen hingewiesen. Künftig sind nach seiner Ansicht weitere Themen in die Banksteuerung zu integrieren.
Im Fokus steht dabei die Entwicklung eines standardisierten Angebots, das die Anforderungen des Großteils der Sparkassen erfüllt und die betriebswirtschaftliche Steuerung einer Sparkasse ausgehend von der Strategie der Institute ermöglicht.
Praxisrelevanz ist enorm wichtig
Die Sparkassen wissen um die Bedeutung der Bankenregulierung, glauben Prof. Dr. Anne Böhm-Dries, Prorektorin für Lehre an der HFM, und Prof. Dr. Anja Schulz, Inhaberin der Stiftungsprofessur Bankenregulierung, mit denen die BBL nach der Veranstaltung kurz gesprochen haben. Sie waren die Gastgeberinnen des 7. Symposiums Bankenaufsicht, welches die HFM alljährlich ausrichtet.
BBL: Was ist charakteristisch für das Symposium Bankenaufsicht, das Ihre Hochschule ausrichtet?
Prof. Dr. Anne Böhm-Dries: Unser Symposium vermittelt umfassende Einblicke in aktuelle Regulierungsvorhaben aus erster Hand und damit verbundene praktische Handlungsempfehlungen für Umsetzungsfragen und nahende Prüfungen. Die hochkarätige Besetzung mit Aufsehern, Wissenschaftlern und Instituts- und Verbandsvertretern sowie die topaktuellen Inhalte in Kombination mit der wissenschaftlichen Perspektive sind klare Alleinstellungsmerkmale unseres Symposiums.
Wir adressieren vor allem die regulatorischen Fragestellungen, die die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe und andere mittelständische Kreditinstitute besonders bewegen. Die Praxis-Relevanz der Inhalte für die teilnehmenden Fach- und Führungskräfte ist enorm.
BBL: Wo sehen Sie den Kernpunkt der diesjährigen Ausgabe?
Böhm-Dries: Die Bundesbank erwartet für die Realwirtschaft einen umfassenden Transformationsprozess, getrieben durch die beschleunigte Digitalisierung und das Thema Nachhaltigkeit, was sich umfassend auf Finanzinstitute auswirkt. Hierauf wird die Bankenaufsicht einen Fokus legen. Die Finanzinstitute tun gut daran, sich bereits jetzt auf diese Themen vorzubereiten. Da kommt einiges auf Banken und Sparkassen zu…
BBL: Beim Stichwort Transformation haben einige Referenten immer viel von Chancen und Risiken gesprochen. Welche halten Sie für besonders relevant?
Prof. Dr. Anja Schulz: Zu den Chancen gehören etwa eigene Produktivitätsfortschritte durch die Digitalisierung und vor allem die Gewinnung neuer Geschäftsmöglichkeiten infolge der grünen Transformation, da diese finanziert werden muss. Risiken bilden sicherlich die Angreifbarkeit digitaler Geschäftsprozesse sowie die Verschlechterung von Kreditnehmerbonitäten und Sicherheitswerten infolge des Wandels zu einer emissionsärmeren Wirtschaft und beispielsweise aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse.
BBL: Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit, lässt man die Referate Revue passieren, aktuell in der Bankenaufsicht?
Schulz: Das Thema ist nicht mehr wegzudenken. Derzeit widmen sich sämtliche Regulierungsbehörden intensiv Nachhaltigkeitsaspekten und diskutieren geeignete Maßnahmen zum Management, zur Messung sowie Beurteilung der Risiken. Das Merkblatt der Bafin zu Nachhaltigkeitsrisiken, der entsprechende Leitfaden der EZB und die EU-Taxonomie zur Nachhaltigkeit liegen dazu bereits vor.
Zudem hat die deutsche Aufsicht erst kürzlich einen Bericht über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im deutschen Finanzsektor veröffentlicht. In einem nächsten Schritt könnten die von der Bafin im Merkblatt formulierten Empfehlungen Bestandteile der geplanten 7. MaRisk-Novelle und damit rechtlich verbindlich werden.
BBL: Beim Thema Digitalisierung dürften IT- und Cyber-Risiken eine ähnliche Rolle spielen?
Schulz: Ja, eine angemessene Berücksichtigung von IT- und Cyber-Risiken haben die überarbeitete BAIT zum Ziel, die zeitgleich mit der 6. MaRisk-Novelle im August veröffentlicht worden sind. Dann wird in der diesjährigen SREP-Runde erstmals – aufgrund der Coronapandemie um ein Jahr verzögert – der Umgang mit den sogenannten Informations- und Kommunikationstechnologierisiken durch die Aufsicht beurteilt, zunächst anhand von Auswertungen umfangreicher Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Finanzinstitute.
Der Fokus liegt vor allem auf IT-Drittdienstleistern. Unter anderem deshalb sind die Anforderungen an Auslagerungen in der 6. MaRisk-Novelle deutlich erweitert und eine künftige Meldepflicht für wesentliche Auslagerungen in dem im Juni verabschiedeten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) festgeschrieben worden.
BBL: Welches Resümee ziehen Sie aus dem Symposium beziehungsweise was raten Sie den Sparkassen jetzt?
Böhm-Dries: Die Branche muss nach der langen Verschnaufpause jetzt unbedingt wieder aktiv werden. Die Aufsicht erwartet vor allem Fortschritte bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement. An diesem Punkt ist künftig mit mehr und detaillierteren Vorgaben zu rechnen.
Schulz: Daneben sollten die Banken und Sparkassen ihre Aktivitäten hinsichtlich der Umsetzung von Basel III intensivieren. Zu begrüßen ist hier zwar die von der EU-Kommission vorgeschlagene Terminverschiebung auf Anfang 2025 und vor allem die Beibehaltung der Mittelstandsprivilegierung. Die Umsetzung der Basel-III-Vorgaben erfordern aber zahlreiche Anpassungen von IT-Systemen und Prozessen.
Dabei sollten auch bereits die Vorgaben der EBA zur Kreditgewährung und -überwachung berücksichtigt werden, die ebenfalls Bestandteile der anstehenden 7. MaRisk-Novelle sind. Denn Prozesse, die auf effiziente und effektive Weise den regulatorischen Anforderungen und den Geschäftszielen entsprechen, werden künftig Kosten reduzieren.
Autor
Jürgen Janik ist Redakteur der Betriebswirtschaftlichen Blätter in Mannheim.
Hier finden Sie weitere Beiträge aus den Betriebswirtschaftlichen Blättern (BBL)
⇒ Infotipp: Setzen Sie auf diesen Link ein Bookmark – und Sie haben jederzeit einen Überblick über die Betriebswirtschaftlichen Blätter.