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Was macht ... Marcus Schmitter
„Glatt den richtigen Zeitpunkt verpasst“
Eigentlich müsste Marcus Schmitter in Partylaune sein. Seit 30 Jahren steht der passionierte Musiker im Karneval auf der Bühne, seit 25 Jahren arbeitet er bei der Kreissparkasse Köln. Doch Corona trübt das Doppeljubiläum.

Eine Narrenkappe hat sich Marcus Schmitter für das Interview nicht aufgesetzt, würde er auch nicht, selbst wenn er eine zur Hand hätte. In Stimmung ist der Karnevalsfan nämlich nicht gerade, obwohl am 11.11., für viele Karnevalisten der höchste Feiertag, die schönste Zeit des Jahres beginnt. „Eher müsste ich mir einen Trauerflor anlegen“, findet der 45-Jährige.

Seit 30 Jahren markiert der 11. November für den gebürtigen Kölner, der bei der Kreissparkasse Köln als Referent Medialer Vertrieb arbeitet, den Höhepunkt im Jahr. Bis Aschermittwoch bringt er dann mit seiner Band, den im Rheinland allseits bekannten „3 Colonias“, an jedem Wochenende die Fans in Stimmung. Bei Ohrwürmern wie „Ob Kölsch, ob Pils, ob Alt, de Hauptsach is, et knallt“ wird geschunkelt, getrunken und gelacht.

Bei einem Auftritt  hat er seine Frau kennengelernt, seine drei Kinder haben den Vater in der närrischen Zeit nie anders erlebt als von Termin zu Termin eilend. „Je nach Alter fanden die meine Auftritte mal absolut peinlich oder große Klasse“, erzählt Schmitter, der Akkordeon spielt und singt. Vor allem die 18-Jährige habe erkannt, mit wie viel harter Arbeit der fröhliche Nebenjob verbunden sei.

Bei der Kreissparkasse Köln im Medialen Vertrieb, bei den „3 Colonias“ und den „Gaudibuam“ auf der Bühne: Marcus Schmitter.

Und jetzt? Seit Corona die Eventbranche lahmgelegt hat, läuft so gut wie nichts mehr. Weder hat das Festkomitee Kölner Karneval am 11.11. am Heumarkt im Herzen der Stadt die Session vor Tausenden Gästen offiziell eröffnet, noch können sich große und kleine Fans auf die großen Umzüge freuen. Alles abgesagt! „Das tut im Herzen weh“, sagt Schmitter.

Erstmals ein stinknormaler Arbeitstag

Und erstmals seit rund 20 Jahren sei der 11.11. für ihn ein stinknormaler Arbeitstag gewesen. „Um 11.11 Uhr wollten wir eigentlich während einer Telko ein Karnevalslied anstimmen, haben dann aber glatt den richtigen Zeitpunkt verpasst“.

Ein Geschäft wie in normalen Jahren wird es für Schmitter deshalb nicht. Zwischen 40- und 70-mal tritt er normalerweise mit zwei verschiedenen Bands auf, vor Mini-Publikum mit einigen wenigen Gästen, aber auch vor 2500 Menschen in großen Hallen.

Zu den traditionsreichen „3 Colonias“ stieß der Musiker erst 2013, da hatte er schon lange Erfahrungen mit seiner eigenen Band, den „Original Bergischen Gaudibuam“, gesammelt. Die Garanten für „Mordsgaudi aus dem Bergischen Land“, die Volksmusik, Kölsche Tön und Schlager spielen, gründete Schmitter schon mit 16 und tritt seitdem als Seppi in Lederhosen auf.

„So hat mich meine Frau auch das erste Mal gesehen, sich dann aber trotzdem mit mir getroffen.“

Kosten laufen weiter, Einnahmen bleiben aus

Anders als vielen Fulltime-Karnevalisten bereiten ihm die wirtschaftlichen Folgen jedoch keine schlaflosen Nächte. „Schon früh habe ich entschieden, dass ich zwar mein Hobby professionalisiere, im Hauptjob aber bei der Kreissparkasse bleibe, schon wegen meiner Familie.“

In diesem Jahr wird er wohl mit der Musik Minus machen. Die Einnahmen fallen mehr oder weniger aus, die Kosten, etwa für die Versicherung des Tour-Busses und die Lagermiete, laufen derweil weiter. „Aber es gab natürlich auch gute Jahre“, räumt der Rheinländer ein.

Beim Interview klingt Schmitter wie ein typischer Kölner, nicht so sehr wegen seines Dialekts, sondern wegen seiner optimistischen Grundhaltung. Im Gespräch darf natürlich ein Artikel aus dem Kölschen Grundgesetz nicht fehlen. „Et hätt noch emmer joot jejange.“

Gründe für leichte Zerknirschtheit hätte er einige. Ausgerechnet im Jahr seines Doppeljubiläums – 30 Jahre Bühne und 25 Jahre Kreissparkasse Köln  – vermasselt ihm Corona nicht nur die Karnevalssaison, sondern durchkreuzt auch die Teilnahme am Mit!-Programm des DSGV. So bekam der Bankkaufmann die Chance, für ein Jahr beim DSGV in Berlin auf der Strategieebene im Segment Payment eine ganz andere Seite des Jobs zu erleben.

„Ich hatte gerade die neuen Kollegen in Berlin kennengelernt, als die meisten Mitarbeiter wegen Corona ins Homeoffice geschickt wurden“, erinnert sich der Sparkässler, der Anfang Januar die neue Aufgabe angetreten und in Wilmersdorf eine kleine Wohnung angemietet hatte.

Doch aus vier Tagen Berlin und einem Tag bei der Kreissparkasse in Köln wurden erst einmal fünf Tage Homeoffice zu Hause im Rheinland, wenngleich Schmitter weiterhin am Mit!-Programm teilnahm.

„Technisch hat das alles gut geklappt, aber ich hatte mich natürlich auf Berlin und die tolle Chance, vor Ort im DSGV-Gebäude mitarbeiten zu können, gefreut.“ Immerhin: Seit August kann Schmitter wieder ab und an pendeln.

„Naturbeklopptes“ Konzept

Einen Song pro Jahr schreiben die „3 Colonias“. Das Konzept nennt Schmitter „naturbekloppt“. „Wir sind da nicht auf der Suche nach dem tieferen Sinn, wir wollen mit einem Augenzwinkern die Realität widerspiegeln“. Mit Refrains wie „Palim, Palim, nach jedem Essen muss e Schnäpsje sin“ oder „Ach, wenn doch nur jeden Tag Karneval wär, dann bleibt die Wohnung leer“ scheinen sie den Nerv zu treffen.

Ihre Fans müssen künftig allerdings auf Streaming oder Downloads ausweichen. Schon vor Corona fällte das Trio einvernehmlich die Entscheidung, dass an Aschermittwoch 2021 Schluss ist.

„Musikalisch wandelt sich der Kölner Karneval vom traditionellen zum pop-lastigen Stil. Diesen können wir mit unserem Trio nicht bedienen und wollen es auch nicht“, erklärt Schmitter. „Wir hören deshalb auf, wenn es noch schön ist.“

Aber mit den „Gaudibuam“ wird er weiterhin eine Mordsgaudi veranstalten.

Eli Hamacher
– 23. November 2020