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Führung
Mit Trauer umgehen
In Pandemiezeiten kommt es häufiger zu Trauerfällen, die am Arbeitsplatz die Handlungsfähigkeit von Teams und Einzelpersonen beeinträchtigen. Führungskräfte können mithilfe von Prävention und professionellen Hilfsangeboten unterstützend wirken.

Seit einem Jahr verändert das Virus den Berufsalltag grundlegend. Viele Führungskräfte begegnen am Arbeitsplatz häufiger als zuvor Trauernden, die den Verlust von Angehörigen oder Freunden beklagen. Weil zurzeit viele soziale Kontakte und vertrauensvolle Begegnungen fehlen, ist die seelische Not manchmal groß.

„Die Pandemie hat oft dazu geführt, dass viele Menschen sogar ihren sterbenden Angehörigen nicht nahe sein können“, sagt Stefanie Garbade. Die zertifizierte Trauerbegleiterin führt in Osterholz-Scharmbeck das Unternehmen TrauerLeben und war zuvor 25 Jahre in verschiedenen Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe tätig. 

Trauerfeiern müssten heute mit einer stark eingeschränkten Zahl an Trauergästen ohne die sonst üblichen Begegnungen stattfinden: „Menschen in Trauer können wegen Stigmatisierungen und Schuldzuweisungen Schamgefühle entwickeln“, sagt Garbade. Mit Abschied und Verlust seien in unserer Gesellschaft vielfältige Ängste verbunden, die Pandemie verstärke diese Unsicherheit zusätzlich.

 

Berät Unternehmen präventiv und in akuten Fällen: Tauergebleiterin Stefanie Garbade, die 25 Jahre in der Sparkassen-Finanzgruppe tätig war, bevor sie sich selbständig machte.

Trauer gehört zum Leben, braucht aber Resonanz

Garbades Kollegin Doris Kruck aus Marl erläutert, soziale Distanz sei derzeit zwar notwendig, verhindere aber auch, dass trauernde Menschen angemessene Unterstützung finden.

„Trauer gehört zum Leben. Trauer, die keine Gestaltungsmöglichkeit und keine Resonanz findet, kann psychisch krank machen und zu langfristigen Krankschreibungen, Fehlzeiten und inneren Kündigungen führen“, sagt Trauerbegleiterin Kruck, die zuvor im genossenschaftlichen Bankensektor als Personalleiterin tätig war.

Laut Auskunft der Unternehmerinnen sterben in Deutschland etwa 950.000 Menschen pro Jahr, die coronabedingte Übersterblichkeit nicht eingerechnet. Mehr als die Hälfte der rund 83 Millionen Deutschen sei erwerbstätig. Im Durchschnitt seien bei einem Trauerfall bis zu fünf Menschen betroffen. Jeder zehnte Erwerbstätige befinde sich demnach in einem akuten Trauerprozess, das seien etwa 4,7 Millionen Beschäftigte.

 

„Trauer ist (k)ein Wirtschaftsfaktor“: Stefanie Garbade referiert über die ökonomischen Folgen von Trauer am Arbeitsplatz.

In den Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe arbeiten mehr als 205.000 Menschen. Die Anzahl der Trauernden lasse sich zwar nur schätzen, sei coronahalber aber auch in Sparkassen und Verbundunternehmen wahrscheinlich gestiegen, so Garbade.

Beim Trauerfall im Team kommt es auf die Führungskraft an

Damit gewinne Trauer am Arbeitsplatz als Thema an Bedeutung. Einschlägige Studien zeigten, dass vor allem Führungskräfte Befinden und Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich beeinflussen könnten: „Das gilt vor allem dann, wenn sie sich in belastenden Situationen befinden“, sagt Garbade.

Die Personalabteilungen von Sparkassen sollten daher auf innerbetriebliche Trauerfälle vorbereitet sein: „Wir haben eine Checkliste erstellt“, sagt Jutta Eisermann, Assistentin im Zentralbereich Personal der Kreissparkasse Böblingen. Hier sei beispielsweise festgelegt, was geschehen solle, wenn ein Pensionär des Instituts oder der Ehepartner von Ehemaligen verstorben sei.

„Aber es gibt auch Ablaufpläne für den Fall, dass ein Mitarbeiter stirbt“, sagt Eisermann und erwähnt beispielsweise die Todesanzeige in Regionalzeitungen, Kondolenzschreiben an die Familie und anderes. Michael Siefert, Personalchef der Kreissparkasse Böblingen, hatte zum Thema „Trauma am Arbeitsplatz“ bereits vor einigen Jahren eine interne und professionell geleitete Veranstaltung für Führungskräfte initiiert.

Heiko Knüppel, Personalratsvorsitzender der Sparkasse Harburg-Buxtehude, hat an einem Tagesseminar zum Thema „Wie man Trauernden begegnet“ teilgenommen. Veranstalter sei aber nicht die Sparkasse gewesen, sagt Knüppel. Die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz habe für das Seminar einen Dienstleister beauftragt.

„Die Behörde förderte hiermit den Arbeitsschwerpunkt „Trauer am Arbeitsplatz“ und richtete sich an Hamburger Wirtschafts- und soziale Dienstleistungsunternehmen“, erläutert der Personalratschef. 

Präventivveranstaltungen bewähren sich im Trauerfall

Die Trauerbegleiterinnen Garbade und Kruck beraten ebenfalls präventiv. Damit lernen die Verantwortlichen in den Häusern, was bei einem Trauerfall zu tun ist, vom Kondolenzbrief bis zur übergangsweisen Neuverteilung von Aufgaben (siehe unten).

Auch die Mitarbeiter sind nach solchen Veranstaltungen umfassend vorbereitet, sehen sich gestärkt im Umgang mit trauernden Kollegen und können eigene Verlusterfahrungen gezielter einordnen.

 

Trauerbegleiterin Doris Kruck: „Soziale Distanz ist derzeit zwar notwendig, verhindert aber, dass Trauernde angemessene Unterstützung finden.“ Zuvor war Kruck als Personalleiterin in Volks- und Raiffeinsenbanken tätig.

Das Thema Trauerbewältigung könne aber auch dann wichtig werden, wenn ein Kunde persönliche Verluste erleide: „Beispielsweise sollten Vermögensberater sorgfältig darauf vorbereitet werden, einen trauernden Private-Banking-Kunden angemessen anzusprechen“, sagt Kruck.

Auch in den Firmenkundenabteilungen könnten künftig schwierige Gesprächssituationen bevorstehen, etwa wenn Unternehmer pandemiehalber und unverschuldet in Existenznöte geraten oder bereits insolvent sind. Eine angemessene Ansprache entscheide auch hier oft über die Perspektive einer Kundenbeziehung (siehe unten).

Kolleginnen und Kollegen von Trauernden fühlen sich oft unsicher

Doch meist fehle es generell an Unterstützung für Kollegen von Trauernden. Zwar wolle jeder in dieser Situation das Beste, fühle sich aber oft unsicher und gehemmt.

„Nicht jedes Team verfügt über die notwendige Kompetenz und Haltung zur angemessenen Begegnung und Zusammenarbeit mit dem Trauernden und kann ein Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit vermitteln“, sagt Kruck.

Für Führungskräfte gebe es aber vielfältige Möglichkeiten, ein Team an dieser Stelle durch präventive Maßnahmen zu unterstützen. Die Trauerbegleiterinnen referieren beispielsweise bei Betriebsversammlungen und anderen Mitarbeiterveranstaltungen oder nehmen zeitweise an Bereichsworkshops teil, um ihr Thema zur Sprache zu bringen.

Doris Kruck mit Präsentation. Die Vorträge und Workshops der beiden Unternehmerinnen gibt es auch im Digitalformat.

Auch schwere Themen vertragen „eine Portion Leichtigkeit“

Auch bei solchen Referaten über ernste Themen komme es auf „eine Portion Leichtigkeit“ an, sagt Garbade, um Beschäftigten Hemmungen zu nehmen und mehr Sicherheit im Umgang mit dem Thema Tod zu geben. Die Trauerbegleiterin empfiehlt: „Keine Angst vor fremden Tränen.“

Die Unternehmerinnen bieten zudem Workshops für Mitarbeiter und  Führungskräfte an und intervenieren auch in akuten Fällen. Sie empfehlen aber, das Thema frühzeitig und präventiv aufzunehmen. Die Vorträge und Workshops gebe es auch im Digitalformat. „Das wird zurzeit gerne angenommen“, sagt Garbade.  

Trauer am Arbeitsplatz

1. Was können Führungskräfte präventiv tun?

  • Vorträge bei internen Veranstaltungen, um Mitarbeitern das Thema zu vermitteln: Was ist Trauer, welche Auswirkungen hat sie, wie kann ich ihr begegnen, wie kann ich auf trauernde Kolleginnen und Kollegen zugehen?
     
  • Workshops für Führungskräfte
     
  • Implementierung eines kompletten Trauermanagements
     
  • Workshop für Vermögensberater: Kunden binden und halten in Zeiten der Trauer und persönlicher Verluste

 

2. Wie agiert eine Führungskraft, wenn ein Mitarbeiter in seinem persönlichen Umfeld einen Todesfall hatte?

  • In Kontakt gehen, zuhören, Mitgefühl zeigen und als Ansprechpartner in Beziehung bleiben. Orientierung geben, Sicherheit vermitteln, Verbundenheit zeigen. Ruhe und Souveränität ausstrahlen
     
  • evtl. gemeinsam nach Lösungen suchen (flexible Arbeitszeit, Sonderurlaub, Unterstützung durch eine Trauerbegleitung)
     
  • Nach sorgfältiger Rücksprache mit dem Betroffenen das Team darüber in Kenntnis setzen, was passiert ist und wie mit dieser Information umzugehen ist
     
  • Klären, ob und wer einen Kondolenzbrief verfasst und zur Beerdigung geht

 

Viele fühlen sich im Umgang mit Trauernden unsicher oder gehemmt. Keine Angst vor fremden Tränen, empfehlen die Trauerbeleiterinnen Garbade und Kruck. Bereits einfache Gesten der Verbundenheit und des Mitgefühls könnten trösten und Sicherheit zurückgeben.

 

Wie agiert eine Führungskraft, wenn ein Mitarbeiter verstorben ist?

  • Teamsitzung einberufen und in Absprache mit den Angehörigen und Betroffenen das Team über die Todesumstände informieren
     
  • Eine Kerze auf den Schreibtisch des Verstorbenen stellen, ein Kondolenzbuch auslegen
     
  • Zu einer internen Gedenkveranstaltung einladen, evtl. mithilfe einer Trauerbegleitung
     
  • Bei regelmäßigen Treffen klären, welche Arbeiten sofort erledigt werden müssen, was liegenbleiben kann und wer welche Aufgaben übernimmt
     
  • Evtl. Kondolenzbrief an die Angehörigen, Todesanzeige, fragen, ob Beerdigungsbesuch erwünscht
     
  • Information an Kunden des Verstorbenen weitergeben

 

Wie agiert ein Firmenkundenberater, wenn ein Unternehmer pandemiehalber seinen Betrieb schließen muss?

  • Das Gespräch suchen in dem Bewusstsein, dass der Unternehmer unverschuldet in die Krise geraten ist
     
  • Situation erfragen, Interesse bekunden, Empfindungen wertfrei anerkennen, aber nicht lamentieren, Probleme kleinreden oder gutgemeinte Ratschläge erteilen
     
  • Evtl. den Kunden fragen, was heute die größte Herausforderung für ihn ist und ob er schon einen Ausblick wagen kann: „Einmal angenommen, wir würden im Frühjahr 2024 hier zusammensitzen: Was ist Ihnen inzwischen gelungen? Wie und womit haben wir als Sparkasse Sie auf diesem Weg unterstützt?

 

Stefanie Garbade
TrauerLeben
Stefanie.garbade@t-online.de
www.worpswede-tipps.de/trauerleben

Doris Kruck
Begleitung bei Verlust und Trauer
dk@trauerbegleitung-kruck.de
www.trauerbegleitung-kruck.de

Christoph Becker
– 11. März 2021