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Sparkasse Regensburg
„Den Blick auf die Zeit nach der Krise richten“
Ein Spitzeninstitut, ein zentraler Lösungsanbieter: Irene Dullinger, neue Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Regensburg, wünscht sich eine schnelle und schlagkräftige Finanzgruppe.

Frau Dullinger, Sie sind seit dem 1. Januar Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Regensburg. War dieser Karriereschritt lange geplant?
Irene Dullinger: Ganz und gar nicht. Ich habe meinen persönlichen Werdegang immer so gesehen, dass zuerst die fachliche Qualifizierung kommt, dann die Erfahrung auf unterschiedlichen Positionen, bei denen man sich bewährt.

Zuletzt war ich 17 Jahre Vorstandsmitglied der Sparkasse Freising. Nach einer so langen Zeit ist man dem Institut, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Region sehr verbunden.

Doch die Perspektive, als Vorstandsvorsitzende mit zwei Kollegen und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Sparkasse Regensburg als jetzt schon erfolgreiches und größtes Institut in Ostbayern zu gestalten und erfolgreich am Markt zu positionieren, hat mich veranlasst, mich für diese Position zu bewerben.

 

Regensburg: Die Perspektive, die Sparkasse Regensburg als jetzt schon erfolgreiches Institut in Ostbayern zu gestalten hat Irene Dullinger veranlasst, sich für die Position der Vorstandsvorsitzenden zu bewerben.


Trotz Corona gut aufgestellt

Wie sehen Sie die Sparkassen zu Beginn des Jahres 2021 aufgestellt?
021 wird für alle Sparkassen ein herausforderndes Jahr. Wir sind mitten in der Coronapandemie, das verlangt von uns, sich fast täglich auf neue Situationen einzustellen. Die Sparkasse Regensburg konnte bisher mit den Herausforderungen der Pandemie gut umgehen.

Die Kundenbedürfnisse konnten unter anderem mit einer qualifizierten Kreditvergabe erfüllt werden. Mit einer soliden Eigenkapitalausstattung ist das Haus für zu erwartende Herausforderungen in Verbindung mit den Auswirkungen von Corona gut aufgestellt.

Weitere Prognosen sind schwierig, weil wir nicht wissen, welche Auswirkungen der zweite Lockdown oder die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht haben werden. Diese Ungewissheit darf uns aber nicht davon abhalten, ambitionierte Ziele zu setzen und sie mit Elan anzugehen.

Denn die Krise wird in einigen Monaten vorbei sein und dann ist es wichtig, dass wir gut aufgestellt und mit einer motivierten und schlagkräftigen Mannschaft am Markt erfolgreich sind.

Kreditwachstum auf hohem Niveau

Wie ist die Sparkasse Regensburg in dieses neue Jahr gestartet?
Die Sparkasse Regensburg ist Marktführerin in ihrem Geschäftsgebiet. Wir planen für 2021 ein deutliches Kreditwachstum, insbesondere im Immobilienbereich. Entgegen den Erwartungen sind dort trotz der Pandemie Angebot und Nachfrage auf hohem Niveau.

Daneben erwarten wir im Wertpapier- und allgemeinen Dienstleistungsgeschäft ebenfalls eine Steigerung, was damit zusammenhängt, dass wir Wert darauf legen, unsere Kunden entsprechend ihren Bedürfnissen gut zu beraten.

Dabei spielen zunehmend auch nachhaltige Produktangebote eine wichtige Rolle. Unser Ziel ist es, die hohe Kundenzufriedenheit, die in unserer Marktstellung zum Ausdruck kommt, noch zu steigern. Der Anspruch ist von beiden Seiten hoch.

In welchen Geschäftsfeldern oder betrieblichen Aufstellungen ist die Sparkasse Regensburg besonders gut positioniert?
Unsere Stärken sind ein starkes Privatkundengeschäft, die Immobilienvermittlung und -finanzierung sowie das Private Banking für Privat- und Unternehmenskunden. Dafür bieten wir diverse Vertriebs- und Zugangskanäle, die kundenseitig auch genutzt werden.

 

Das Thema Digitalisierung muss mit aller Intensität weiter verfolgt werden, fordert Irene Dullinger.


Wir sind also für Kunden analog und digital erreichbar, und wir merken, dass diese Multikanalstrategie für uns am Markt ein großer Wettbewerbsvorteil ist. Die digitale Entwicklung bei den Sparkassen war zuletzt gut, ich denke aber, wir stehen hier noch am Anfang und das Thema Digitalisierung muss mit aller Intensität weiter verfolgt werden.

Schneller Einstieg in mobiles Arbeiten

Wie hat Corona die internen Abläufe der Sparkasse verändert?
Die Sparkasse Regensburg hatte schon 2019 damit begonnen, mobiles Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen. Wir mussten also beim ersten Lockdown und seinen Kontaktreduzierungen nicht bei null anfangen, sondern hatten einen schnellen Einstieg in mobile Arbeitsformen. Unsere Hygiene- und Schutzmaßnahmen stießen bei Kunden und Geschäftspartnern auf viel Verständnis, gerade Risikogruppen erwarteten sie auch von uns.

Online-Zugänge und telefonische Kontaktmöglichkeiten werden seitdem stärker genutzt. Finanzierungsberatungen wurden allerdings vorwiegend persönlich durchgeführt, sodass es im gesamten Jahr 2020 auch in der Sparkasse  trotz allem viele Präsenztermine gab.

Sie sprechen die Finanzierungsberatungen an – Sparkassen und Landesbanken haben den größten Teil der öffentlichen Hilfskredite zu den Kunden gebracht. Wie sind Sie vorgegangen?
Die Sparkasse Regensburg ist von sich aus auf die Firmen- und Gewerbekunden zugegangen, um sie auf die verschiedenen Förderprogramme hinzuweisen. Die wechselnden Programmausgestaltungen haben es allerdings für die Kundenberater und auch die Marktfolge schon schwierig gemacht, hier bedurfte es eines wirklich großen Engagements der Kolleginnen und Kollegen.

Und es kam vor, dass die Kunden nach Informationen aus den Medien mit Erwartungen an die Leistungsfähigkeit solcher Programme an uns herantraten, die mit aufsichtsrechtlichen Grundsätzen nicht zu erfüllen waren. Da brauchte es dann bisweilen schon einiger Erklärungen, aber das haben sicherlich viele Sparkassen so erlebt. Im Ergebnis wurde das alles bewältigt. Aus dem was mir meine Kollegen hier in Regensburg bisher berichteten, schließe ich, dass das Haus intern durch diese hohen Anforderungen näher zusammengerückt ist.

Auch nach Corona eine Herausforderung

Wie wird sich Corona auf den unternehmerischen Erfolg der Sparkassen auswirken?
Ich sehe zwei große Herausforderungen: Zum einen das ungebremste Einlagenwachstum, für das vergangene Jahr wurden historisch hohe Sparquoten von bis zu 16 Prozent ausgemacht. Wenn der Einzelhandel dicht ist, können die Menschen kein Geld ausgeben, außerdem ist verständlich, dass sie aus Sorge vor Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit ihr Geld zusammenhalten. Von dem Angesparten wird nach dem Lockdown auch nur ein Teil in den Konsum gehen.

 

Zentrale in Regensburg: Dullinger sieht ihr Haus durch steigende regulatorische Anforderungen und die Folgen der Pandemie zusätzlich gefordert.


Das heißt, es werden weiterhin hohe liquide Bestände bei den Sparkassen verbleiben und das trotz der Tatsache, dass die Sparkassen und Landesbanken im vergangenen Jahr einen Rekordwert an neuen Krediten ausreichten. Die derzeit von der EZB vorgegebenen Negativzinsen und die Verzinsung ihrer Einlagen erschweren Banken eine betriebswirtschaftliche Rentabilität. Wir haben die Negativverzinsung der Einlagen schon an die Firmenkunden weitergegeben, und bei den Privatkunden wird sie abhängig von der Einlagenhöhe unausweichlich sein. 

Und im Kreditgeschäft?
Dort sehe ich die zweite Herausforderung. Die Bonitäten in unserem Kreditbuch sind außerordentlich gut, viele Unternehmen unserer Region haben in den vergangenen Jahren Kapitalpolster aufgebaut. Sie haben Gewinne im Unternehmen gehalten und verfügen über Liquidität. Im vergangenen Jahr konnten sich daher viele Betriebe noch über ihr Eigenkapital und die Kreditlinien finanzieren.

Trotzdem erwarten wir, insbesondere je länger die Auswirkungen der Pandemie für die Unternehmen zu Einschränkungen führen und sich die Auftragslage verschlechtert, auch Herausforderungen für unsere Bankbilanz. Wir werden also im Betriebsergebnis nicht so aus der Pandemie herauskommen, wie wir hineingegangen sind. Hinzu kommt, dass zusätzliche Belastungen für unser Eigenkapital absehbar sind durch die anstehenden zusätzlichen regulatorischen Anforderungen.

Auf Krisen vorbereitet

Insgesamt scheint es, dass die Besorgnisse über die Stabilität des Bankensystems im Vergleich zur Finanzkrise 2008/2009 gering sind. Woran liegt das?
Unser Finanzsystem ist aufgrund der seitdem stattgefundenen Regulierung in einer günstigeren Eigenkapital- und Risikoverfassung, außerdem sind wir durch die EU-weit eingeführten Aufsichts- und Abwicklungsmechanismen nun insgesamt besser auf Krisen vorbereitet. Und dann hat die Aufsicht im vergangenen Jahr mit ad hoc getroffenen Risikomaßnahmen dazu beigetragen, die Banken zu entlasten, damit sie ihren Job machen konnten.

Ich erinnere an die Absenkung des antizyklischen Kapitalpuffers, an die Möglichkeit, dass wir aufsichtliche Liquiditätsanforderungen unterschreiten können oder dass ganz allgemein die Einführung der Finalisierung von Basel III auf 2023 verschoben wurde. Und es gab europaweit umfangreiche Stützungsmaßnahmen der Regierungen für die jeweilige Wirtschaft, bei uns in Deutschland ganz besonders.

 

Die größte Sparkasse Ostbayerns will sich weiterhin erfolgreich am Markt positionieren.


Irgendwann ist Schluss mit der „Bazooka“ und vermutlich auch mit der Aussetzung verschiedener regulatorischen Erleichterungen. Treibt Sie das um?
Genauso ist es. Ich verstehe natürlich, dass die Staatsverschuldung so schnell wie möglich wieder reduziert werden muss. Wenn also die umfangreichen Wirtschaftshilfen zurückgefahren werden, wird man sehen, wie die Unternehmen dastehen und das schlägt bei den Banken auf. Vermutlich wird es auch bei uns einen Anstieg der Wertberichtigungen geben. Das hat dann Auswirkungen auf unsere gewichteten Risikoaktiva und damit möglicherweise auf die Kreditvergabe.

Wenn man also die Finanzierung der Realwirtschaft nach der Krise sicherstellen will, muss man bei der Regulatorik genau hinsehen – wo können Erleichterungen fortgeführt werden, wie können regulatorische Vorgaben besser proportional umgesetzt werden, wo kann man Banken entlasten, zum Beispiel beim Meldewesen?

Wie können wir also generell die Verhältnismäßigkeit, die in der small banking box angelegt ist, noch besser umsetzen? Wir sind dann wieder dort, wo wir vor der Krise waren: Man muss auch kleine und mittlere Banken in die Lage versetzen, ihren Job zu machen.

Wir müssen sichtbar sein

Worin sehen Sie die zukünftigen Schwerpunkte Ihres Jobs?
Ich beginne einmal mit einer Selbstverständlichkeit: Kreditinstitute müssen vor Ort sichtbar sein, angefangen bei den Vorständen. Ich sehe den Kundenkontakt als eine wichtige Grundlage für den Vertriebserfolg, er ist mir aber auch persönlich sehr wichtig.

Ein weiterer Schwerpunkt ist für mich, gemeinsam mit den Vorstandskollegen die Weichen für die Zukunft zu stellen. Wir werden strategische Weiterentwicklungen vornehmen müssen, das gilt für den Vertrieb, die bankinterne Steuerung und die Digitalisierung. Schlagworte, die mir hierzu einfallen, sind die Standardisierung von Prozessen und eine noch intensivere Zusammenarbeit über die einzelnen Bereiche hinweg.

Welche Ziele verbinden Sie damit?
Als Ziele sehe ich, die Abwicklung der Geschäfte zu beschleunigen, Schnittstellen zu reduzieren und Synergieeffekte zu schaffen. Wir müssen uns klarmachen, das ist alles kein Selbstzweck, sondern es geht darum, dass wir wettbewerbsfähig bleiben.

Wir werden als Sparkassen in zehn Jahren anders aussehen als heute, über alle Institutsgrößen und Bereiche hinweg. Das gilt selbstverständlich auch für die Sparkasse Regensburg. Ich finde diese Aufgaben spannend und denke, dass ich mit meinen bisherigen Erfahrungen in unterschiedlichen Instituten und auf unterschiedlichen Positionen dafür ganz gut gerüstet bin.

 

Irene Dullinger spricht sich deutlich gegen Doppelstrukturen und Kompetenzgerangel in der Gruppe aus.


Was erwarten Sie an Unterstützung seitens der Sparkassen-Finanzgruppe?
Von den Verbundpartnern in der Sparkassen-Finanzgruppe erwarte ich ein umfängliches Angebot an die Sparkassen mit wettbewerbsgerechten Produkten und einer schlanken Abwicklung, eingebunden in unseren zentralen IT-Dienstleister.

Dass sich Anbieter in der eigenen Organisation Konkurrenz machen und dadurch Doppelstrukturen entstehen oder Kompetenzgerangel und Eitelkeiten den Ton angeben, scheint mir etwas aus der Zeit gefallen und ist zugebenermaßen ziemlich störend. Unsere Wettbewerber im genossenschaftlichen Sektor sind hier weiter.

Mein Wunsch wäre daher ein leistungsfähiges Spitzeninstitut sowie jeweils ein Anbieter für die jeweiligen Produkte und Leistungen. Dies würde meines Erachtens die Schlagkraft der Organisation und ihre Zukunftsfähigkeit wesentlich erhöhen. Corona hat gezeigt, dass wir bei Entscheidungen schnell sein können, wenn es sein muss. Diese Erfahrung sollten wir auch in der Weiterentwicklung unserer gesamten Struktur umsetzen.

Wir müssen zuhören

Was wünschen Sie sich von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Ich setze auf eine offene Kommunikation, klare Absprachen, Kollegialität und Loyalität. Ich glaube es ist wichtig, dass man sich aufeinander verlassen und offen Dinge ansprechen kann. Wir müssen zuhören und Kritik annehmen, um Dinge, die nicht gut laufen, ändern zu können.

Dies gilt für Kritik, die von außen an uns herangetragen wird, Stichwort Beschwerdemanagement, wie auch für Kritik an den internen Abläufen. Mein Eindruck ist, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Sparkasse Regensburg das auch so sehen, ich habe in der kurzen Zeit eine große Offenheit und Wertschätzung erlebt.

Wir brauchen diese Offenheit und Flexibilität auch für die anstehenden Veränderungen. Wenn ich sage, dass die Sparkassen in zehn Jahren nicht mehr so aussehen wie heute, dann erreichen wir das nur mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Sparkasse Regensburg wird immer ein attraktiver Arbeitgeber für engagierte und flexible Kolleginnen und Kollegen sein.

Fairness, Verlässlichkeit und Kritikfähigkeit

Die Sparkasse Regensburg umfasst die Stadt und den Landkreis Regensburg mit einer erstaunlichen parteipolitischen Vielfalt bei Mandatsträgerinnen und -trägern, die sich auch im Verwaltungsrat widerspiegelt. Welchen Umgang werden Sie von sich aus pflegen?
Das Amt als Vorstandsvorsitzende einer Sparkasse ist politisch neutral und verlangt ein entsprechendes Verhalten. Das habe ich bereits in meiner vorherigen Funktion so praktiziert. Und auch hier halte ich im Umgang miteinander Fairness, Verlässlichkeit und Kritikfähigkeit für wichtig.

Ich spüre ausgehend von den Verwaltungsratsspitzen meines Instituts ein großes Vertrauen des Gremiums und gebe dies gerne zurück. Ich werde die Arbeit der Sparkasse und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich vermitteln und bin überzeugt, dass meine persönliche Authentizität dabei hilft.

Apropos Authentizität – eine Frau im Vorstandsvorsitz einer bayerischen Sparkasse ist nicht unbedingt der Normalfall…
Nein, ist es nicht. Ich denke aber, es schadet nicht (lacht). Am Ende zählt die Leistung, unabhängig vom Geschlecht. Wir haben bereits in der Sparkassenorganisation großartige Frauen in Führungspositionen, aber zugebenermaßen nicht genug davon. Meine Berufung zeigt, dass wir auf dem Weg hin zu einer neuen Normalität sind.


Zur Person 

Irene Dullinger ist seit dem 1. Januar Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Regensburg. Damit leitet sie das größte Institut in Ostbayern mit einer Bilanzsumme von rund fünf Milliarden Euro. Die diplomierte Sparkassenbetriebswirtin war zuvor 17 Jahre Vorstandsmitglied der Sparkasse Freising.

Ihr Werdegang führte sie von ihrer Ausbildung bei der Stadt- und Kreissparkasse Moosburg über die Stadtsparkasse München, die Sparkasse Dingolfing-Landau und die Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen, bei der sie als stellvertretendes Vorstandsmitglied den Bereich Firmenkundengeschäft verantwortete.

Bettina Wieß
– 4. Februar 2021