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Salzlandkarte / Interview
Das Amazon für den Landkreis
Wie Hans-Michael Strube, Vorstandsvorsitzender der Salzlandsparkasse, mit einer Karte die Region stärken will.

Herr Strube, Sie wollen gemeinsam mit Ihrem Landrat Markus Bauer ein Amazon für den Landkreis aufbauen. Wie kann das funktionieren?
Hans-Michael Strube: Wir wollen es für die Menschen hier attraktiv machen, ihr Geld im Salzlandkreis auszugeben. Denn wo Geld ausgegeben wird, entsteht Wirtschaft – das kann bei Amazon sein oder bei uns. Der Landrat fand diese Idee gut, und so haben wir die Salzlandkarte entwickelt. Es geht uns nicht darum, dass der Kunde noch eine weitere Karte im Portemonnaie hat. Die Karte musste so attraktiv sein, dass die Leute sagen: „Die will ich haben!“

Wie haben Sie die Karte so getrimmt, dass sie diesen Anspruch erfüllt?
Strube: Am Anfang steht eine Änderung im Steuerrecht. Unternehmen können ihren Mitarbeitern eine steuerfreie Sachvergünstigung von 44 Euro im Monat bezahlen. Dafür gab es in der Vergangenheit oft einen Gutschein für einen großen Versandhändler. Seit 1. Januar 2021 geht das nicht mehr – der Staat hat gesagt:

  • die Gutscheine müssen ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen des jeweiligen Gutscheinausstellers berechtigen (beispielsweise einer bestimmten Tankstelle oder einem bestimmten Drogeriemarkt) oder
  • die Gutscheine müssen ausschließlich bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen eingelöst werden können, und nennt dabei explizit City-Cards.

Amazon-Gutscheine erfüllen diese Anforderungen nicht mehr. Das Geld muss also regional oder bei Unternehmensketten ausgegeben werden, die Leistung muss beispielsweise als Gutschein für einen Laden in der Region gegeben werden – oder auf einer regionalen Karte. Also war uns klar: So eine Karte machen wir! Auf diese Karte kann jeder Unternehmer im Salzlandkreis für seine Mitarbeiter jeden Monat die 44 Euro Steuer- und SV-Abgabenfrei laden. Ab 2022 wird dieser Betrag vom Gesetzgeber sogar auf 50 Euro erhöht. Natürlich haben wir uns per Steuer- und Rechtsgutachten bestätigen lassen, dass wir alle rechtlichen als auch steuerlichen Anforderungen mit der Karte erfüllen.

Will es den Menschen attraktiv machen, ihr Geld im Landkreis auszugeben: Hans-Michael Strube.

Wie ist der Start gelaufen?
Strube: Wir haben in den ersten sechs Wochen 100.000 Euro eingesammelt – trotz Corona. Wir haben den Mitarbeitern die Salzlandkarte gegeben, das kostet dem Unternehmer nur kleines Geld. Inzwischen akzeptieren fast 100 Geschäfte diese Karte. Das reicht vom Restaurant über das Fitnessstudio bis zu Edeka. Sie können also für 44 Euro aus Ihrem Bruttogehalt Essen gehen oder einkaufen; und das ist kein Steuerbetrug. Der Staat will das sogar!

Sie haben weitere „Ausbaustufen“ für die Karte geplant. Wie sehen die aus?
Strube: Die Karte soll künftig auch für den Eintritt für Museen, den Tierpark und das Schwimmbad genutzt werden können. Und für Busfahrten – es gibt in unserem Landkreis allein 6500 Schülerkarten, die bisher mit Foto und Schreibmaschine hergestellt werden. Das kann man digitalisieren. Wir wollen das Busfahren einfacher machen – mit einer intelligenten Busfahrkarte, die beispielsweise nach der dritten Einzelfahrt erkennt, dass Sie mit einer Wochenkarte günstiger fahren würden und am Ende die Wochenkarte abrechnet.

Das ist einiges. Aber ein regionales Amazon ist es nicht.
Strube: Wir wollen die Salzlandkarte ausbauen zu einem Marktplatz 4.0. Das ist unser Zukunftsprojekt. Wenn Sie fragen, wo es Schuhe gibt, nennt die App Ihnen die Schuhläden im Salzlandkreis. Wenn Sie sich für eine Waschmaschine interessieren, werden Ihnen ebenfalls die Händler aus der Region angezeigt. Bei denen ist die Waschmaschine vielleicht 20 Euro teurer als beim Onlinekaufhaus. Aber dafür wird sie angeliefert, aufgestellt und Ihre alte Maschine wird mitgenommen. Dann sind wir bei Regionalisierung!

Bis wann wollen Sie diesen Marktplatz 4.0 aufbauen?
Strube: Da geht es uns nicht um „möglichst schnell“, sondern um „möglichst gut“. Erst müssen wir genügend Händler im Boot haben – ich denke an etwa 500 Geschäfte. Sonst bekommt der Kunde zu wenige Treffer, wenn er nach „Modelleisenbahn“ oder „Parfüm“ sucht. Wenn Corona vorüber ist, nehmen wir Fahrt auf.

Die Einführung neuer Bezahlsysteme leidet oft am „Henne-Ei-Problem“: Die Kunden kommen erst, wenn es genügend Händler gibt, und die Händler warten erst auf eine ordentliche Kundenzahl, bevor sie einsteigen. Wie haben Sie dieses Problem gelöst?
Strube: Mit den 44 Euro haben wir den richtigen Hebel: Die Unternehmen haben das Geld auf die Karte geladen, also den Topf gefüllt, und die Mitarbeiter wollen natürlich an dieses Geld kommen. Den Händlern haben wir gesagt, wie viel Geld im Topf ist, und damit war deren Interesse sofort geweckt. Zusätzlich gewinnt das dann eine Eigendynamik: Wenn das Geld auf der Karte ist, dann fragt der Mitarbeiter in jedem Geschäft, ob es die Karte akzeptiert.

Und wie haben Sie die Unternehmer angesprochen?
Strube: Unser Landrat und ich haben die Karte bei den Wirtschaftsvereinigungen im Landkreis vorgestellt. Von jeweils 20 bis 25 Teilnehmern haben jeweils 90 Prozent sofort zugesagt, dass sie mitmachen wollen – die sehen einfach die Chance. Nebenbei hatte diese Begeisterung für uns den Charme, dass mehrere Firmen deswegen von unseren Wettbewerbern zur Sparkasse gewechselt sind.

Wie und mit wem haben Sie die Salzlandkarte „gebaut“?
Strube: Die Karte kommt von einem Unternehmen aus Ermsleben, also aus unserer Region. Dieses Unternehmen stattet Fußballstadien mit Bezahlkarten aus. Im Grunde wird der Salzlandkreis wie ein großes Fußballstadion behandelt. Mit dieser Firma haben wir die Smart.Region GmbH gegründet.

Aktuell sind wir in Gesprächen mit einem Start-up, das beim S-Hub gewonnen hat, um die Kompetenzen ihrer App mit unseren Kompetenzen in der Regionalisierung der Zahlungsströme zu bündeln. Das S-Hub der Star Finanz hat uns dabei zusammengebracht. Außerdem haben wir uns für ein Pilotprojekt der S-Payment beworben, bei dem Händler „üben“ können, das Smartphone statt einem EC-Terminal zum Bezahlen zu benutzen. Damit wollen wir künftig regionales und weltweites Bezahlen auf einem Endgerät in der Finanzgruppe vereinen. Wenn die Smartphones mit der App unserer Salzlandkarte und mit der App von S-Payment ausgestattet sind, wird das eine runde Sache. Und natürlich ist das Aufladen auf die Salzlandkarte auch über Paydirekt ebenso möglich wie über unsere Geschäftsstellen. Sie sehen, wir integrieren uns in den Zahlungsverkehr der Sparkassen-Finanzgruppe.

Umgekehrt bieten Sie Ihre Karte auch anderen Sparkassen an.
Strube: Wir können unser System eins zu eins an jede Sparkasse in Deutschland fertig verkaufen, jedes Haus kann das mit seinem Landrat für den jeweiligen Landkreis machen. Verträge, Reklame, Marketing, Abwicklung – das ist alles entwickelt. Wir bieten das in einem Franchisesystem an, der Preis richtet sich nach der Einwohnerzahl des Landkreises. Die Sparkasse muss nur sagen, dass sie es will.

Haben Sie denn schon Resonanz von anderen Häusern?
Strube: Viele Sparkassen reagieren zurückhaltend, aber die Landräte sind begeistert – zuletzt haben wir positive Rückmeldungen aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Brandenburg bekommen. Wir stehen mit etwa zehn Landkreisen, die sich für die Karte interessieren, in engerem Kontakt. Unser Landrat macht seinen Kollegen deutlich, was für eine Riesenchance die Karte ihnen bietet, und wir als Sparkasse können nur sagen: „Mit der Karte machen wir in unserem Geschäftsgebiet richtig Punkte“.

Peter Müller
– 8. Juni 2021