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Kundenzufriedeneit
Bei Mehrwerten ist deutlich mehr drin
Wie lassen sich Konten so gestalten, dass sie für den Kunden besonders attraktiv sind und der ­Sparkasse einen Ertrag bringen? Das erklären André Pallinger, Chef der S-Markt & Mehrwert (S-MM), sowie Stefan Roesler aus der Geschäftsführung der DSV-Gruppe.

Herr Pallinger, Sie sind sechs Monate bei der S-MM an Bord. Wie fühlt es sich an, in Zeiten der Pandemie in die Geschäftsführung eines Unternehmens einzusteigen?

André Pallinger: Ich erlebe es als sehr spannend. Ich kann viele Erfahrungen einbringen, die ich in meinen früheren Aufgabenbereichen bei Payback oder der Metro Group gemacht habe, einiges ist aber neu. Die Pandemie macht es nicht einfacher, die Kollegen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen, aber durch Videokonferenzen lässt sich vieles auffangen. Und ich versuche regelmäßig an den Standorten präsent zu sein und das Geschäft vor Ort zu erleben, soweit das aktuell machbar ist.

 

André Pallinger ist seit September 2020 Sprecher der Geschäftsführung der S-Markt & Mehrwert in Halle (Saale), einer Tochter des DSV (51 Prozent) und der Deutschen Assistance Versicherung (Örag-Konzern). Der 49-jährige Betriebswirt Pallinger war zuvor bei dem Multipartner-Bonusprogramm Payback (American Express) tätig, wo ihm die Geschäftsleitung Sales übertragen wurde. Das Partnermanagement war hier eine der Aufgaben des zweifachen Familienvaters. 


Was erleben Sie dort vor Ort – welche Angebote sind für Sparkassen in Pandemiezeiten relevant?

Pallinger: Die S-Markt & Mehrwert bietet Dienstleistungen an, mit denen die Zufriedenheit des Kunden rund ums Banking verbessert wird. Dazu dienen Mehrwertdienste, mit denen Konten und Karten aufgewertet werden können, sowie „mediale Kundenservices“ wie etwa Videolegitimation, Filialtelefonie, Banking Support oder der Telefonvertrieb für Sparkassen. Und gerade nach diesen medialen Services ist die Nachfrage groß in Zeiten, in denen die Kunden nicht mehr so einfach in die Filialen kommen können.

 

Herr Roesler, ist die S-MM inzwischen so aufgestellt, dass sie die Kunden optimal bedienen kann? Das Unternehmen ist vor gut zwei Jahren aus drei Firmen entstanden, die zusammengeführt wurden.

Stefan Roesler: Ja, ich glaube, dass es gelungen ist, aus den früheren Firmen Mehrwert Servicegesellschaft, S-Direkt-Marketing und S-Institut für Marketing & Kundenbindung einen Player zu formen, der mit einem weitgehend überschneidungsfreien Angebot am Markt auftritt.

Es war ja unser Ziel, die Unternehmen nicht mehr isoliert und teilweise in Konkurrenz arbeiten zu lassen. Natürlich wird es noch etwas dauern, bis alle Prozesse vereinheitlicht sind und eine Unternehmenskultur entstanden ist, in der sich jeder Mitarbeiter vollständig zur S-MM und den Gesellschaftern, dem Deutschen Sparkassenverlag und der Deutschen Assistance Versicherung aus dem Örag-Konzern, zugehörig fühlt.

 

Stefan Roesler (48) ist bisher und künftig Mitglied der Geschäftsführung des Deutschen Sparkassenverlags (DSV). Er verantwortet in der DSV-Gruppe Vertrieb, Medien, Orga und IT sowie Geschäftsbetrieb und ist für die Töchter Sparkassen-Finanzportal (SFP), S-Markt & Mehrwert (S-MM) sowie DSV Service zuständig. Der zweifache Familienvater arbeitet seit 2004 für die Sparkassen-Finanzgruppe.


Haben Sie einen Monopolisten geschaffen?

Roesler: Nein. Wobei ich es auch nicht sinnvoll finde, sich gezielt innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe Konkurrenz zu machen. Wir sehen die Wettbewerber außerhalb der Finanzgruppe, an deren Preisen wir uns orientieren.

Wir haben auch bewusst einen Kundenbeirat eingeführt, der darauf achtet, dass wir uns stets dicht an der Realität und den Marktpreisen bewegen. Und natürlich ist es für die Sparkassen gut, wenn sie für unsere Produkte einen zentralen Ansprechpartner haben und nicht mehrere, die sich möglicherweise gegenseitig in die Quere kommen.

 

Kommen wir zurück zu den Angeboten. Herr Pallinger, Sie erwähnten mediale Services – welche Projekte sind hier besonders interessant?

Pallinger: Ein aktuelles Projekt aus dem Feld der aktiven telefonischen Kundenbetreuung zum Thema Outbound bezieht sich auf den Sparkassen-Privatkredit. Hierüber informieren die Sparkassen Vorpommern, Magdeburg, Kraichgau und Westholstein systematisch ausgewählte Kunden.

Die Häuser kooperieren dabei mit der S-Kreditpartner. Die S-Markt & Mehrwert übernimmt für die Sparkassen Aufgaben zur Anbahnung und Realisierung von Kundenkontakten im Zuge der Nachfasstelefonie.

 


„Mediale Services, wie zum Beispiel die Videolegitimation, verbessern die Zufriedenheit der Kunden.“


Was läuft in der „passiven“ medialen Kundenbetreuung, also der Bearbeitung von Anfragen?

Pallinger: Wir bauen derzeit mit der Sparkasse Bremen in einer erweiterten Pilotphase den Voicebot „Anna“ als modernes Sprachdialogsystem aus. Telefonische Routineanfragen von Kunden, die bisher von den Mitarbeitern im Kunden-Service-Center oder in den Filialen entgegengenommen wurden, können nun teilweise auf das Sprachdialogsystem übertragen und automatisiert bearbeitet werden.

Mit einer intelligenten Spracherkennungs-Software sorgt der Voicebot so für Entlastung in Kunden-Service-Centern.

 

„Mit einer intelligenten Spracherkennungs-Software sorgt der Voicebot für Entlastung in Kunden-Service-Centern.“


Wie funktioniert der Voicebot?

Roesler: Statt der klassischen Menüführung per Tasteneingabe oder einfachen Sprachbefehlen erkennt der Voicebot in einem natürlichsprachlichen Dialog die Anliegen der Kunden und leitet den Anrufer durch die telefonischen Transaktionen, um etwa eine Überweisung auszulösen oder einen Dauerauftrag zu ändern. Interessant ist auch, dass der Dialekt eine wichtige Rolle spielt, da es um gesprochene Sprache geht.

 

                        Hören Sie sich hier einen Kundendialog mit Voicebot an.


Pallinger: Der Voicebot wird per Deep-Learning darauf trainiert, einen Dialekt zu verstehen und selbst anzuwenden, damit der Kunde sich abgeholt fühlt. Den Sparkassen ist der regionale Bezug wichtig. Die Umsetzung ist nicht trivial. Wenn „Anna“ Hochdeutsch versteht, heißt es noch lange nicht, dass sie auch Dialekte erkennt.

Da laufen spannende Sprachlernprojekte, etwa mit der Braunschweigischen Landessparkasse sowie der Mittelbrandenburgischen Sparkasse. „Anna“ in Bremen hat übrigens die Begrüßung „Moin“ und regionale Sprichwörter wie „Dreimal ist Bremer Recht“ in den Wortschatz integriert.

 


„Es laufen spannende Sprachlernprojekte. Der Voicebot Anna in Bremen hat die Begrüßung ‚Moin Moin‘ und regionale Sprichwörter wie Dreimal ist Bremer Recht in den Wortschatz integriert.“


Parallel arbeiten wir mit der Finanz Informatik daran, den Voicebot an das technische System der Kunden-Service-Center anzubinden. Dadurch wird es unter anderem auch möglich sein, Anrufe bereits identifiziert und vorqualifiziert ins KSC zu übergeben. Für die Mitarbeiter bringt das einen deutlichen Zeitgewinn mit sich.

 

Kann der Kunde bald nicht mehr unterscheiden, ob er mit einem Berater oder mit einem Voicebot spricht?

Roesler: Unser Voicebot pflegt einen natürlichsprachlichen Dialog, soll aber keinen Menschen imitieren. Solche Services sollen den Berater auch keinesfalls ersetzen, sondern unterstützen.

 

„Unser Voicebot pflegt einen natürlichsprachlichen Dialog, soll aber keinen Menschen imitieren.“

 

Bieten Sie den Häusern Hilfe bei der Einbindung sozialer Medien?

Pallinger: Wir unterstützen die Häuser beispielsweise beim Nutzen von Messenger-Services. Die S-MM stellt die technische Infrastruktur zur Bearbeitung von Anfragen über Messenger bereit; auf Wunsch übernehmen wir auch den Kundendialog.

 


„Wir unterstützen die Häuser beispielsweise beim Nutzen von Messenger-Services. Vor allem Whatsapp ist hier aktuell interessant; mit mehr als 60 Millionen Nutzern in Deutschland.“


Vor allem Whatsapp ist hier aktuell interessant; mit mehr als 60 Millionen Nutzern in Deutschland. So nutzt die Sparkasse Fürstenfeldbruck unsere Whatsapp-Business-Schnittstelle bereits seit zwei Jahren, um das mediale Spektrum ihres Kunden-Service-Centers auszuweiten und jüngere Zielgruppen zu erreichen.

 

Stichwort Mehrwertdienste; werden diese in der aktuellen Phase ebenfalls stärker nachgefragt?

Pallinger: Beispielsweise wird unser Gutscheinangebot intensiv in der Krise genutzt. Sparkassenkunden können zum Beispiel direkt im Onlinebanking Gutscheine bei mehr als 50 Partnern kaufen. 2020 wurde dieses Angebot knapp 170.000 Mal genutzt, Tendenz weiter steigend.

Die S-MM hat zudem die Gutschein-Plattform „Gemeinsam da durch“ übernommen und führt sie künftig unter dem neuen Namen „S-Gutscheine Regional“ weiter. Hier können sich lokale Händler oder Gastronomen kostenfrei registrieren und Gutscheine anbieten. Wer seinen Lieblingsläden helfen will, kann Gutscheine kaufen und dann online oder – wenn wieder möglich – im Geschäft einlösen.

 


„Sparkassenkunden können zum Beispiel direkt im Onlinebanking Gutscheine bei mehr als 50 Partnern kaufen.“


Roesler: Interessant für die Häuser sind generell auch technische Anwendungen, die eine Präsenz des Kunden vor Ort überflüssig machen. So können sich Neu- und Bestandskunden der Sparkassen in Online-Produktabschlussprozessen künftig über den eID-Service mit ihrem elektronischen Personalausweis und der Ausweis-PIN legitimieren.

Immerhin sind mehr als 40 Millionen eID auf den neuen Personalausweisen aktiviert. Der Service von S-MM soll die Verfahren S-Ident, Post-Ident und die Videolegitimation sinnvoll ergänzen und wird bis Ende März unter anderem von der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg pilotiert. Der Roll-out ist für Mitte 2021 geplant.

 

„Es ist nötig, neue Erlösquellen zu erschließen. Und da sind Mehrwerte hilfreich.“

 

Ticket- und Reiseleistungen als klassische Mehrwertdienste dürften hingegen aktuell kaum relevant sein.

Pallinger: Momentan können die Menschen keine Konzerte besuchen und reisen aktuell nur wenig bis gar nicht. Aber viele planen bereits Reisen für die zweite Jahreshälfte. Das bemerken wir am Buchungsverhalten. Es ist wichtig, dass die Sparkassen mit guten Angeboten präsent sind, wenn es wieder losgeht.

Roesler: Für mich ist aber auch klar, dass Mehrwerte ganz unabhängig vom Pandemiegeschehen stärker nachgefragt werden. Das Geschäftsmodell der Sparkassen hat sich aufgrund langfristig niedriger Zinsen geändert und wird sich weiter ändern.

 


„Für mich ist aber auch klar, dass Mehrwerte ganz unabhängig vom Pandemiegeschehen stärker nachgefragt werden.“


Es ist nötig, neue Erlösquellen zu erschließen. Und da sind Mehrwerte hilfreich, die es auch ermöglichen, Konten entsprechend zu bepreisen. Beim Mehrwert-Thema S-Cashback gibt es hier noch viel Potenzial.  

Pallinger: Ganz praktisch wird die Nachfrage übrigens dadurch befördert, dass die S-Markt & Mehrwert mit dem OSPlus-Release 20.1 ein Standard-Mehrwertpaket für alle Onlinebanking-Kunden bereitstellt.

Diese bekommen an zentraler Stelle im Finanzstatus direkten Zugang zu den Leistungen S-Cashback Online, S-Reisewelt mit drei Prozent Rückvergütung, S-Gutscheine sowie S-Ticketservice. Die Leistungen werden unter der Dachmarke S-Vorteilswert gebündelt.

Die Einführung dieses Angebots hatten wir mit der Sparkasse Hamm erfolgreich pilotiert. Ein erster Test lief im Kreis der Mitarbeiter, seit Ende Januar können nun alle Onlinebanking-Kunden die Mehrwertleistungen nutzen.

 

Wie viele Sparkassen nutzen aktuell Mehrwertkonten, wie ist die Perspektive?

Roesler: Bei einigen Services haben wir nahezu alle Häuser an Bord, bei Mehrwertkonten bauen wir die Geschäftsbeziehungen noch weiter aus. Es haben sich aktuell knapp 40 Institute dazu entschieden, S-Cashback zu nutzen, unser Ziel ist es, damit mehr als 200 Sparkassen zu erreichen.

 


„Bei einem klassischen Konto mit Mehrwerten sind enorm viele Themen und Zusatzleistungen möglich – wie organisiere ich mein Zuhause, meine Pflege im Alter, meine Versicherungen.“


Wobei es uns grundsätzlich gar nicht mehr um klassische Mehrwertkonten geht, sondern eher darum, das Girokonto aufzuwerten. Bei einem klassischen Konto mit Mehrwerten sind enorm viele Themen und Zusatzleistungen möglich – wie organisiere ich mein Zuhause, meine Pflege im Alter, meine Versicherungen.


Gibt es aktuell interessante Projekte für Konten mit Mehrwerten?

Pallinger: Nehmen Sie die Sparkasse Essen, die jetzt in der „Digitalen Kundenwelt“ erstmals sogenannte Zukaufprodukte verfügbar gemacht hat. Seit November können die betreffenden Kunden die Angebote S-Cyberschutz, S-Bike, S-Mobilgeräteschutz und Schufa Bonitätscheck zahlungspflichtig nutzen.

Die Sparkasse ist hierbei Vertriebspartner für die Versicherungsgeber und profitiert von Provisionserträgen. Im Zielbild der Sparkasse bilden die Zukaufprodukte somit einen Mehrwert für die Kunden, die etwa Sonderkonditionen in Anspruch nehmen können. Zudem begründen sie ein alternatives, provisionsbasiertes Ertragsmodell.

 

„Bei der Akzeptanz des Preises spielt nicht nur der Mehrwert eine Rolle, sondern auch die Betreuung der Sparkasse vor Ort.“

 

Die Einrichtung solcher Konten ist als Investition in die Kundenbindung zukunftsgerichtet. Besteht momentan bei vielen Sparkassen die Bereitschaft für derlei Investitionen?

Roesler: Ja, denn wir errechnen den Return on Invest und belegen der Sparkasse, dass sie direkt und nicht erst in ferner Zukunft einen positiven Nettoeffekt hat.


Wie hoch können die mit Mehrwerten ausgestatteten Konten bepreist werden? Kunden reagieren mitunter sensibel auf vermeintlich hohe Preise.

Roesler:
Wenn der Kunde direkt konkrete Vorteile erlebt, akzeptiert er auch einen angemessenen Preis. Die Kollegen der S-MM haben in vielen Fällen nachgewiesen, dass Konten, die mit Mehrwertleistungen angereichert sind, akzeptiert werden und eine deutlich geringere Kündigungsquote haben als andere Konten.

 


„Wenn der Kunde direkt konkrete Vorteile erlebt, akzeptiert er auch einen angemessenen Preis.“


Pallinger: Freilich spielt bei der Akzeptanz des Preises nicht nur der Mehrwert eine Rolle, sondern auch die Betreuung der Sparkasse vor Ort.


Herr Pallinger, Sie haben zuvor bei Payback gearbeitet – kann sich ein relativ kleiner Anbieter wie S-Cashback gegenüber solchen großen Bonusprogrammanbietern behaupten?

Pallinger: Wir haben die besten Chancen, uns zu behaupten. Unsere Kunden nutzen die Sparkassen-Card oder -Kreditkarte als Identifizierungsmerkmal, sie müssen im Handel nicht eine weitere Bonuskarte vorlegen. Das ist sehr bequem.

Zudem haben die Sparkassen den Vorteil, nah am Handel vor Ort zu sein. Während die großen Multipartnerprogramme darauf ausgerichtet sind, mit großen nationalen Händlern zusammenzuarbeiten, kann die Sparkasse den Bäcker um die Ecke, den Friseur, das lokale Textilfachgeschäft einbinden. Diese lokale Verbundenheit bietet kein anderes Kundenbindungsprogramm.

 

„Sparkassen haben den Vorteil, nah am Handel vor Ort zu sein. Diese lokale Verbundenheit bietet kein anderes Kundenbindungsprogramm.“


Derzeit arbeiten Verbände, FI, DSV-Gruppe und Sparkassen an einer Finanzplattform: Es ist geplant, das Onlinebanking zum „finanziellen Zuhause“ auszubauen, in dem der Kunde nahezu alle finanzbezogenen Dienstleistungen erwerben und managen kann. Was versprechen Sie sich für die S-MM davon?

Roesler: Sehr viel. Wir arbeiten ja mit der FI schon sehr lange sehr eng zusammen und haben unsere Systeme eng verzahnt. Der Kunde wird auf der Finanzplattform viele Angebote finden, die von der S-MM kommen.

Auch auf dem entstehenden Firmenkundenportal, mit dem der gewerbliche Kunde seinen Zahlungsverkehr regeln soll, ist die S-MM vertreten, etwa mit der Schufa-Plattform. Wichtig ist aber auch, dass wir bei allen diesen Projekten einer Strategie folgen und sie nicht überfrachten.

 

Oliver Fischer und Peter Müller
– 18. Februar 2021