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Gleichwertige Lebensverhältnisse
Emma ist Pilotprojekt geblieben
Besuche aus Laos, Mexiko und der Ukraine. Berichte in Presse, Funk und Fernsehen. Lob vom Bundeswirtschaftsministerium und der Bertelsmann-Stiftung. Die "Große Emma" im sächsischen Zabeltitz ist auch fünf Jahre nach ihrer Eröffnung ein viel beachtetes Pilotprojekt. Nachahmer hat das Multifunktionshaus, in dem sich die Sparkassenfiliale Räume mit anderen Dienstleistern teilt, bisher nicht gefunden.

2014 betraten die Sparkasse Meißen und der Ostdeutsche Sparkassenverband mit einem gemeinsamen Projekt Neuland, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziell gefördert wurde. Die Sparkassenfiliale im 1000-Einwohner-Ort Zabeltitz, 25 Kilometer nördlich von Meißen, war nicht mehr rentabel. Zu stark hatte die demografische Entwicklung dem Landstrich zugesetzt. Nun sollte mit der "Großen Emma" ein Modell erprobt werden, das nicht nur die Versorgung der Bürger aufrechterhält, sondern sich auch für die Anbieter rechnet. Mehrere Dienstleister würden sich die Miete eines gemeinsamen Hauses teilen – und die Räumlichkeiten abwechselnd und nach einem Stundenplan nutzen.

Die regionale Agrargenossenschaft verfügte im Ortszentrum über ein leerstehendes Haus, gleich gegenüber von Getränke- und Supermarkt. Nach längeren Verhandlungen war sie bereit, das Haus zu renovieren und zu vermieten. Hier konnte die Sparkasse einziehen, zusammen mit einem Frisörsalon, einer Lohnsteuerberatung, der Diakonie, einem Paketshop von Hermes und dpd, einem Briefkasten von Postmodern und einer kleinen öffentlichen Bibliothek, die auch als Treffpunkt für die Bürger gedacht war.

Ganz dem modularen und flexiblen Konzept der "Großen Emma" folgend, hat sich die "Wohngemeinschaft" in den vergangenen fünf Jahren immer wieder verändert: Die Lohnsteuerberatung hat ihre Aktivitäten eingestellt, ein mobiles Sanitätshaus kam und ging, neu sind jetzt ein Rezeptbriefkasten und die (vorerst befristete) Zusammenarbeit mit der ENSO, der Energieversorgung Sachsen Ost, wie Ralf Krumbiegel, Pressesprecher der Sparkasse Meißen, berichtet. Die Sparkasse, die von 2014 bis 2017 an zwei Tagen pro Woche jeweils drei Stunden lang Serviceanliegen bediente, reduzierte im Januar 2018 auf zwei mal zwei Stunden.

Mit Paukenschlag wurde das Multifunktionshaus "Große Emma" im Jahr 2014 eröffnet.

In diesen vier Stunden suchen durchschnittlich 50 Kunden die "Große Emma" auf. Beratungsgespräche bietet die Sparkasse von Montag bis Freitag an – immer in den Zeiten, in denen der Raum, den sie sich mit der Diakonie und der ENSO teilt, ungenutzt bleibt. Rund zehn qualifizierte Beratungsgespräche finden pro Woche statt. Die Kosten der Sparkasse belaufen sich derzeit (ohne den Geldautomat mit Kontoauszugsfunktion) auf weniger als 500 Euro im Monat.

Die Anwohner nähmen die Dienste des Multifunktionshauses nicht nur an, sagt Krumbiegel. In vielen persönlichen Gesprächen zeigten sie auch ihre Dankbarkeit darüber, dass "hier etwas geblieben ist" und die Sparkasse weiter vor Ort sei. Die Nutzung als Treffpunkt sei allerdings "ausbaufähig".

Das Interesse an diesem Lösungsmodell für Probleme der Landflucht ist nach wie vor hoch. Das ZDF war zweimal vor Ort, der MDR, die "Bauernzeitung" und die "Sächsische Zeitung" haben berichtet. Bürgermeister der Region, eine Delegation ukrainischer Volksvertreter, die Präsidentin der Laotischen Frauenunion und zwei Wirtschaftsdelegationen aus Mexiko hat man in Zabeltitz schon empfangen. Die Fragen der Besucher sind vielfältig, sagt Krumbiegel: Von den konzeptionellen Hintergründen über die Rahmenbedingungen vor Ort bis hin zu ganz praktischen Dingen – es kämen immer wieder intensive Gespräche zustande.

Auch auf Konferenzen und in Publikationen wird das Projekt regelmäßig erwähnt. So stellt die Bertelsmann-Stiftung das Praxisbeispiel in der Studie "Digitale Zukunft auf dem Land" unter der Überschrift "Die Sparkasse als Nukleus neuer Kooperationen" vor. Lobend erwähnt wird die "Große Emma" auch im Abschlussbericht des Bundeswirtschaftsministeriums zu "Perspektiven im ländlichen Raum". Prof. Hans-Günter Hennecke brachte die Idee unlängst in einem Kommentar auf den Punkt. Zwischen Kostendruck und Kundenfreundlichkeit müsse die Sparkasse "intelligente Lösungen" finden, so das Geschäftsführende Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags. Das Projekt "Große Emma" sei ein gutes Beispiel dafür, wie über einen multifunktionalen Ansatz andere Nutzungen in das Sparkassengebäude integriert werden können: Post, Zeitungsladen, Bäcker, Metzger, aber auch Frisör, Coworking-Space - und ein Treffpunkt, gerade auch für ältere Menschen.

Silvia Besner
– 13. Februar 2019