Zurück
Finanzierungsberatung
Immobilienmarkt am Scheideweg
Viele Anleger flüchten aufgrund der EZB-Niedrigzinspolitik in Immobilien – oft auf Pump. Das stellt hohe Anforderungen an die Beratung. Sie muss sicherstellen, dass Kunden sich dabei nicht finanziell „verheben“.

Mit der leichtfertigen Vergabe sogenannter „Adjustable Rate Mortgages (ARM)-Kredite“ fing in Amerika vor über zehn Jahren alles an. ARM-Kredite sind Immobiliendarlehen, die variabel verzinst werden und gegenüber festverzinslichen Hypothekendarlehen eine deutlich niedrigere Verzinsung aufweisen.

Selbst bonitätsschwache Kreditnehmer haben damals ohne Probleme solche Immobiliendarlehen erhalten. Äußerst schmackhaft wurden ihnen diese Finanzierungen zusätzlich mithilfe sogenannter „Teaser Rates“ gemacht, die entweder für einen bestimmten Zeitraum keine Tilgungen vorsahen oder zeitweise sogar zum Nulltarif zu haben waren.

Als dann die Funds Rate der US-amerikanischen Fed und somit auch die variablen Zinsen stark stiegen, waren finanzschwache Kreditnehmer nicht mehr in der Lage, ihre Immobilienkredite zu bedienen. Es folgten millionenfache Zwangsversteigerungen von Häusern und die Nachfrage nach Immobilien ging steil nach unten.

Zugleich ging die Rechnung der Banken, die Immobilien gewinnträchtig versteigern zu können, nicht auf. Es folgten Abschreibungen in Milliardenhöhe und die US-Immobilienkrise weitete sich zu einer globalen Banken- und Staatsschuldenkrise aus.

Als bekannt wurde, dass sich auch zahlreiche deutsche Banken am US-Hypothekenmarkt verspekuliert hatten und Gelder in Millionenhöhe abschreiben mussten, erreichte die Immobilienkrise schließlich auch Deutschland. Es folgten zahlreiche Rettungs- und Konjunkturpakete, um marode Banken und EU-Mitgliedsstaaten zu stützen.

2010 lag die Neuverschuldung des Bundes bei über 80 Milliarden Euro und erreichte damit einen neuen Höchstwert. Die Nettokreditaufnahme des Bundes als Differenzvolumen zwischen Neuverschuldung und Schuldentilgung schlug im gleichen Jahr mit 44 Milliarden Euro zu Buche. Gleichzeitig starteten die wichtigsten Notenbanken ein aggressives Zinssenkungsprogramm und pumpten zusätzliche Mittel in den Geldmarkt, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

Wer in dieser Zeit seine Immobilie verkaufen wollte, musste erhebliche Marktabschläge einpreisen. Denn das Angebot an Immobilien übertraf die Nachfrage bei Weitem und die Verunsicherung unter den Marktteilnehmern war entsprechend groß.

Steigende Immobilienpreise von 50 Prozent in zehn Jahren

Erst ab 2013 ging es mit der Nachfrage nach Immobilien wieder aufwärts. Dabei haben vor allem der Anlagenotstand und die Aussicht, mit Immobilien eine hohe Mietrendite zu erzielen, die Immobilienpreise immer weiter nach oben getrieben. Seit dem 10. März 2016 liegt der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bei null Prozent. Die Einlagefazilität, zu der Banken kurzfristig überschüssige Liquidität bei der EZB parken können, ist auf mittlerweile minus 0,5 Prozent „abgestürzt“.

In der Folge werfen seit Ende 2016 die meisten neu angelegten Tages- und Festgelder negative Realzinsen ab. Banken und Sparkassen reichen auch immer häufiger die Negativzinsen an Privat- und Geschäftskunden weiter. Hinzu kommt, dass sich die Aktienmärkte in der letzten Zeit sehr schwankungsintensiv zeigten und die Deutschen einen Grund mehr haben, Aktien zu meiden.
 

Negative Renditen auf dem Markt für deutsche Staatsanleihen und gerin­ge Hypothekenzinsen tun ihr Übriges, damit Marktteilnehmer Immobilien als attraktive Anlageobjekte wahrnehmen. Auf der anderen Seite sorgen das Bevölkerungswachstum und die Zuwanderung in die Städte sowie politische Versäumnisse wie der Reduzierung des Bestands an Sozialwohnungen und dem nicht ausreichenden Neubau in diesem Bereich dafür, dass bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird. Steigende Mieten vor allem in den Metropolen sind die unabdingbare Folge davon. Verschärft wird das Problem durch steigende Bau-, Sanie­rungs- und Modernisierungskosten sowie Stau am Bau (vgl. dazu Abb. 1).

Ein Indikator für den Preisanstieg am Immobilienmarkt ist der Häuser­preisindex des Statistischen Bundesamts. Dieser misst die durch­schnittliche Preisentwicklung aller typischen Markttransaktionen für Wohnimmobilien – also Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser, die als Gesamtpaket aus Grundstück und Gebäude verkauft beziehungsweise erworben werden.

Dazu zählt sowohl der Erwerb neu erstellter als auch vorhandener Wohnimmobilien – unabhängig vom Veräußernden und vom Verwen­dungszweck. 2018 haben die Immobilienpreise gegenüber dem Basisjahr 2015 um 21,7 Prozent zugelegt.

Noch dramatischer fällt die Bestandsaufnahme im Rahmen eines Zehnjahresrückblicks aus: Wie das Statistische Bundesamt in einer Pressekonferenz am Anfang Dezember 2019 mitteilte, sind die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen beginnend mit der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise im Jahr 2008 bis 2018 um 47,9 Prozent gestiegen. Auf das Jahr gerechnet entspricht das einer Preissteigerung zwischen 4,7 und 7,5 Prozent.

Besonders betroffen von der Preisspirale sind die Großstädte. Allein zwischen 2016 und 2018 stiegen die Preise für Eigentumswohnungen in den sieben größten deutschen Städten um rund 23,4 Prozent. Um 19,7 Prozent legten dort im selben Zeitraum die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser zu. In dünn besiedelten ländlichen Kreisen gingen die Preise ebenfalls um 10,4 Prozent nach oben (siehe Abb. 2).

Ebenso verzeichneten die Preise für Instandhaltung und Reparatur der Wohnung von 2008 bis 2018 einen deutlichen Anstieg und zwar um rund 26 Prozent. Im Vergleich dazu erhöhte sich der Verbraucherpreisindex im selben Zeitraum um lediglich rund 13 Prozent. Entsprechend stiegen auch die Mieten, und zwar vor allem in den Metropolen, deutlich an: In Köln legten die Mietpreise zwischen 2008 und 2018 um durchschnittlich 30 Prozent zu, in Frankfurt um 42 Prozent, in Hamburg um 49 Prozent, in München um 61 Prozent und in Berlin um 104 Prozent.

 

Herausforderungen für Sparkassen

1. Marktanteile von Online-Plattformen steigen
Die Veränderungen am Immobilienmarkt, gepaart mit dem zunehmenden Digitalisierungstrend, haben auch zu drastischen Umwälzungen auf der Angebotsseite geführt. Früher waren die Hausbanken die erste Anlauf­stelle für Baufinanzierungen. Die Kunden haben sich bei ihrem Berater nicht nur umfassend über die Finanzierungsmodalitäten informiert, sondern ihre Immobilienfinanzierung in der Regel dort auch direkt abgeschlossen, ohne sich bei anderen Banken verschiedene Vergleichsangebote einzuholen.

Heute ist das Finanzierungsgeschäft für die Banken und Sparkassen deutlich schwieriger geworden. Einerseits ist um den Kunden ein zunehmender Wettbewerb entbrannt, der auch immer mehr Nichtbanken auf den Plan ruft, die an der lukrativen Immobilienfinanzierung parti­zi­pieren wollen. Andererseits sorgen Online-Plattformen für eine uneinge­schränkte Transparenz bei den Anbietern und deren Konditionen. Auch ermöglichen sie es, dass die Baufinanzierung innerhalb weniger Tage unter Dach und Fach gebracht werden kann. Das sorgt für zusätzlichen Druck bei den Hausbanken, die durch die zunehmende Konkurrenz und den digitalen Wandel Marktanteile im Immobiliengeschäft verlieren.

 

 

 

 

Laut einer aktuellen Analyse der Managementberatung Investors Marketing liegt der Marktanteil digitaler Plattformen in der Baufinan­zierung bei mittlerweile 30 Prozent. Neben dem Zahlungsverkehr und dem Wertpapierhandel zählt die Baufinanzierung damit zu den Ge­schäfts­bereichen von Banken, in denen sich die Digitalisierung bereits deutlich etabliert hat. Auch für die Zukunft wird ein starkes Wachstumspotenzial der digitalen Baufinanzierung erwartet. Im Jahr 2025 könnte bereits jede zweite Baufinanzierung in Deutschland über eine Vertriebsplattform im Internet vermittelt werden (siehe Abb. 3).

Dass der Trend zur digitalen Baufinanzierung geht und die Hausbanken nicht mehr die erste Anlaufstelle für Immobilienfinanzierungen sind, zeigen die Zahlen der größten Vermittler für private Baufinanzierungen. Bei der Interhyp-Gruppe wuchs das abgeschlossene Finanzierungs­volumen im Geschäftsjahr 2018 um elf Prozent auf 22 Milliarden Euro, nach 19,8 Milliarden Euro in 2017. Die Umsatzerlöse kletterten um zehn Prozent auf 214,1 Millionen Euro (2017: 194,4 Millionen Euro). Der Gewinn gemäß EBT stieg auf 73,8 Millionen Euro (2017: 61,8 Millionen Euro).

Auch Dr. Klein setzte seinen Wachstumskurs fort. Das Vermittlungs­volu­men stieg von 5,02 (2017) auf 6,52 Milliarden Euro in 2018 und damit um 30 Prozent. Die Umsatzerlöse erreichten mit 86,4 Millionen Euro einen neuen Rekordwert (2017: 74,9 Millionen Euro), ebenso der Gewinn gemäß EBIT mit 10,8 Millionen Euro (2017: 9,9 Millionen Euro).

2. Immobilienberatung erfordert immer mehr Know-how
Die Hypothekenzinsen sind so niedrig wie nie. Auf der anderen Seite nützt das nichts, wenn die Finanzierung nicht optimal an die Einkommensverhältnisse der Kreditnehmer angepasst ist und die mit der Immobilie verbundenen Belastungen später zur finanziellen Herausforderung werden.

Die Gründe für die aktuell schwierige Situation: Früher reichten die Banken Immobilienkredite meist nur dann aus, wenn der Kreditnehmer auch ein entsprechend hohes Eigenkapital vorweisen konnte. Der Eigenkapitalanteil, der in die Finanzierung einfließen sollte, musste mindestens 20 Prozent betragen. Heute ist es jedoch bei einigen Anbietern möglich, Immobilien auch vollständig ohne Eigenkapital und zusätzliche Sicherheiten zu finanzieren.

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Ursächlich könnte die gute Einkommensentwicklung sein. Denkbar ist aber auch, dass viele Banken im Kampf um den einzelnen Kunden bei der Kreditvergabe deutlich lascher vorgehen und geringe Eigenkapitalanteile akzeptieren. Denn angesichts steigender Mieten und Nebenkosten wird es selbst für Gutverdiener immer schwieriger, Eigenkapital zu bilden.

Der von den Banken üblicherweise geforderte Eigenkapitalanteil in Höhe von 20 Prozent ist somit kaum noch zu erreichen, zumal die steigenden Immobilienpreise auch die Erwerbsnebenkosten und somit die Gesamtkosten der Immobilie in die Höhe treiben.

Zu der Frage, wie tief angehende Immobilienbesitzer im Vergleich zu früher in die eigene Tasche greifen müssen, um einen Teil des Immobi­lien­preises aus eigenen Mitteln zu bestreiten, hat Dr. Klein eine Rech­nung gemacht: Beträgt der Anteil 20 Prozent vom Kaufpreis plus Nebenkosten, erhöhte sich das erforderliche Eigenkapital von 2007 bis 2017 im Schnitt um fast 45 Prozent. Erwartungsgemäß war München im Jahr 2017 Spitzenreiter mit einem Eigenkapitalbetrag von rund 189.000 Euro. Im Jahr 2007 lag das erforderliche Eigenkapital bei einem Anteil von 20 Prozent des Kaufpreises plus Nebenkosten noch bei 116.000 Euro. Der Eigenkapitaleinsatz ist damit innerhalb von zehn Jahren um 63 Prozent gewachsen.

In Berlin sieht die Situation ähnlich aus und selbst für Dresden, die Region mit der geringsten absoluten Differenz, berechnet Dr. Klein ein Plus von knapp 26.000 Euro oder 39 Prozent. Mittlerweile dürften die Differenzen noch größer geworden sein, denn 2018 und 2019 legten die Immobilienpreise nochmals deutlich zu.

Der Immobilienmarkt ist damit deutlich aus der Balance geraten, was sich auch in der Beratung niederschlägt. Bei Kreditnehmern, die kein Eigenkapital vorweisen können, ist etwa genau zu prüfen, wie gut die Kreditwürdigkeit ist. Ebenfalls sollten die Tilgungshöhe und die Laufzeit des Darlehens zur Lebenssituation des Kreditnehmers passen. Von der Tilgungshöhe hängt es beispielsweise ab, wann ein Immobilienkredit abbezahlt ist.

Bild entfernt.Bei den derzeitigen Immobilienpreisen sind 30 Jahre und länger keine Seltenheit. Es ist daher häufig kaum zu vermeiden, dass Zins- und Tilgungszahlungen in die Rentenphase fallen. Eine gute Beratung muss auch dieses Szenario berücksichtigen und im Zweifelsfall die Finanzierungsanfrage auch ablehnen, damit diese nicht zum Fiasko wird (siehe Abb. 4).

3. Immobilienpreise im Blick behalten
Die Attraktivität von Wohneigentum sowohl zur Selbstnutzung als auch zur Kapitalanlage wird angesichts des niedrigen Zinsniveaus ungebrochen hoch bleiben, auch wenn sich die Preisspirale zumindest in den Metropolen in den kommenden Jahren weniger stark drehen soll. Verschiedene Studien und Experten sehen bereits eine Blasenbildung am Immobilienmarkt kommen.

Spekulative Blasen entstehen immer dann, wenn sich die Preise für Vermögenswerte von ihren Fundamentaldaten abkoppeln und nur noch allein deswegen nachgefragt und gekauft werden, um Wertsteigerungen und damit Gewinne zu realisieren. Die Deutsche Bundesbank hatte bereits im Jahr 2017 vor Übertreibungen am deutschen Immobilienmarkt gewarnt. Nach ihrer Einschätzung waren Immobilien 2018 in vielen Städten zwischen 15 und 30 Prozent überbewertet.

Ein Expertengremium unter der Leitung des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi kam vor einiger Zeit ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es am Immobilienmarkt spekulative Übertreibungen geben könnte und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen europäischen Mitgliedsstaaten. Die Aufsicht ist somit bereits in erhöhter Alarmbereitschaft und Überwachungsstellung.

 

Nachgefragt: Wie reagiert man als Berater?

Prof. Günter Vornholz hält einen bundesweit tätigen Online-Finanzierer aus dem Sparkassensektor für eine zwangsläufige und interessante Alternative.

Was bedeutet die beschriebene Situation für Regionalbanken? Was rät ein wissenschaftlich ausgewiesener Immobilienexperte Kunden und Beratern? Die Betriebswirtschaftlichen Blätter haben dazu mit Günter Vornholz, Prof. für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum, gesprochen:

BBL: Ist es angesichts der derzeit hohen Immobilienpreise überhaupt noch ratsam, eine Immobilie zu erwerben?
Prof. Günter Vornholz: Als Kapitalanlage in Großstädten muss ein Kapitalanleger zwar mit einer geringen Rendite zufrieden sein, die liegt aber noch über dem Niveau von Anleihen. In anderen Regionen gibt es trotz der Preissteigerungen immer noch höhere Renditen. Für den Selbstnutzer stellt sich die Frage nach dem hohen Preisniveau weniger, da er vermutlich langfristig darin leben möchte. Da kommt es eher auf das Objekt und die Lage an. Somit kann ich mir sehr wohl vorstellen, dass auch heute noch Immobilien trotz ihres hohen Preises eine interessante Geldanlage sind.

BBL: Die Immobilienberatung wird immer anspruchsvoller. Zwar liegen die Hypothekenzinsen auf einem absolut niedrigen Niveau, allerdings wird die Eigenkapitalbildung selbst für Normalverdiener angesichts steigender Mieten und Nebenkosten sowie der sehr hohen Immobilien­preise immer schwieriger. Was ist bei der Baufinanzierungsberatung zu beachten, wenn nur sehr wenig oder gar kein Eigenkapital vorhanden ist?
Vornholz: Eine Baufinanzierung ohne oder nur mit geringem Eigen­kapitaleinsatz stellt ein erhöhtes Risiko für die Finanzierer dar. Ohne Eigenkapital ist die Belastung durch den Schuldendienst für die Schuld­ner ein echtes Risiko, auch wenn durch langfristige Kreditverträge das Zinsänderungsrisiko gemildert werden kann. Es ist jedoch darauf zu achten, dass eine ausreichende Tilgung vorgenommen wird, damit auch bei einer Umschuldung ein dann eventuell höherer Zinssatz noch finanziert werden kann.

BBL: Was halten Sie von der allgemeinen Aussage vieler Banken, dass Zins- und Tilgungszahlungen nicht in die Rentenphase fallen dürfen? Ist dieses Ziel angesichts der hohen zu finanzierenden Summen überhaupt noch erreichbar?
Vornholz: Die Kreditnehmer selbst sollten bei der Finanzierung ihrer Immobilie sehr wohl ihr Lebensalter beachten. Durch den Eintritt ins Rentenalter verringert sich ihr laufendes Einkommen teilweise sehr deutlich, da die Rente niedriger als das Erwerbseinkommen ist. Darüber hinaus planen gerade die Menschen, die in die Rente eintreten, höhere Ausgaben, die dann auch zulasten ihres Vermögens gehen können. Von daher sollten die Schuldner schon aus eigenem Interesse die längerfristigen Belastungen durch Zins- und Tilgungszahlungen beim Kauf von Wohneigentum berücksichtigen. Banken handeln damit vielfach auch im Interesse ihrer Kunden.

BBL: Bei Baufinanzierungsvermittlern wie Dr. Klein oder Interhyp können Kunden auf rund 400 Anbieter zurückgreifen und Kunden daher sehr günstige Darlehen erhalten. Hat diese Transparenz den Hausbanken wie den Sparkassen das Geschäft bereits kaputt gemacht?
Vornholz: Die Immobilienfinanzierung ist weiterhin ein recht kompli­ziertes Bankgeschäft, das auf die individuelle Situation der Kreditnehmer abgestellt werden sollte. Aufgrund der Langfristigkeit der Finanzierung ist besonders die langfristige Einnahmen- und Ausgabensituation der Kunden zu beachten. Ich sehe hier für die Hausbanken wie die Sparkassen weiterhin ein sehr interessantes Geschäftsfeld, das von der individuellen, hochwertigen Beratung profitiert. Gleichzeitig gibt es aber auch Kunden, die der Ansicht sind, auf diese ausführliche Beratung verzichten zu können. Von daher geht natürlich jeder Abschluss bei einem Baufinanzierungsvermittler zulasten der traditionellen Hausbanken. Die Sparkassen haben sich auf diese veränderten Rahmenbedingungen mit ihrem Geschäftsmodell einzustellen.

BBL: Wie schätzen Sie die Bedeutung und das Wachstum der Baufinanzierungsvermittler und Online-Plattformen in den nächsten zehn Jahren ein?
Vornholz: Die Bedeutung wird wie insgesamt das gesamte Agieren mithilfe digitaler Medien überproportional wachsen und damit auch der Anteil steigen. Jedoch bleibt dieses Geschäftsfeld für die Hausbanken ein interessantes Geschäftsfeld. Es gibt auch genügend Kunden, die auf eine individuelle Beratung Wert legen und dafür auch bereit sind zu zahlen. Die Sparkassen haben auf diese veränderten Rahmenbedingungen entsprechend zu reagieren.

BBL: Mittlerweile haben sich auch Sparkassen Dr. Klein oder Interhyp angeschlossen. Ist das aus Ihrer Sicht eine Lösung oder wäre es nicht sehr viel schlauer, wenn die Sparkassen so schnell wie möglich selbst einen bundesweit tätigen Online-Finanzierer schaffen?
Vornholz: Das Zusammengehen und die Interaktion von Sparkassen mit Finanzvermittlern kann aus deren Sicht ein effizientes Vorgehen sein, um unter anderem auch weiteres Kundenpotenzial zu erschließen. Die aufgezeigte Alternative eines bundesweit tätigen Online-Finanzierers aus dem Sparkassensektor wäre da sicherlich eine zwangsläufige und interessante Alternative. Aber wie auch in anderen Fällen gibt es dabei wohl keine einheitliche Position im Sparkassen- und Landesbankenlager – leider.

Fazit

Für Kreditnehmer, aber auch für die finanzierenden Kreditinstitute stellen die skizzierten Entwicklungen am Immobilienmarkt ein Risiko dar. Um vor einem fortschreitenden Preisverfall infolge spekulativer Übertreibungen verschont zu bleiben, sind Immobilien und deren Finanzierung vor dem Kauf genaustens zu prüfen. So sollte die monatliche Rate − auch im Interesse des finanzierenden Instituts − grundsätzlich so hoch sein, dass sich der Kunde die Finanzierung auch leisten kann. Aufgrund der niedrigen Zinsen ist es zudem sinnvoll, eine möglichst lange Zinsbindung zu wählen. Fünfzehn Jahre oder länger sind ein Muss, ebenso eine hohe Tilgung. Sondertilgungen und Tilgungssatzänderungen sorgen für zusätzliche Flexibilität.

Die Tatsache, dass bei vielen Finanzierungen die Zins- und Tilgungsleistungen in die Rentenphase fallen, macht die Beratung noch ein Stück komplexer und erfordert vom Berater weiteres Know-how. Soll die Immobilie als Renditeobjekt dienen, so ist als Schnellschätzung, ob die Immobilie überteuert ist, der Indikator Kaufpreis-Miete-Verhältnis heranzuziehen. Der Mietvervielfältiger zeigt an, wie oft die Jahresmiete gezahlt werden müsste, um damit den Kaufpreis für die Immobilie zu stemmen. Bei älteren Objekten sind zudem noch Modernisierungs- und Sanierungskosten einzubeziehen. Anleger, die eine Immobilie als Renditeobjekt erwerben möchten, müssen außerdem prüfen, ob die Immobilie angesichts der mittlerweile starken Regulierung des Mietmarkts überhaupt noch profitabel vermietet werden kann.

Die 384 deutschen Sparkassen (Stand 31.12.2019) haben ihre Stärken im Immobilienbereich trotz des harten Konkurrenzkampfs abermals beweisen können: Nach Angaben des DSGV haben diese im Jahr 2018 insgesamt 50,3 Milliarden Euro an privaten Wohnungsbaukrediten neu zugesagt. Das entspricht einem deutlichen Plus von 5,4 Prozent. Die Sparkassen haben somit trotz des knappen Angebots und der hohen Immobilienpreise und eines in der Regel geforderten Eigenkapitalanteils von mindestens 20 Prozent vielen Menschen den Traum von den vier Wänden erfüllen können.

Autorin
Carmen Mausbach ist freie Journalistin in Niederkassel und spezialisiert auf Wirtschafts- und Finanzthemen im Umfeld von Sparkassen und Banken.

Carmen Mausbach
– 10. Januar 2020