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Kolumne 06/20: Fintech-Kooperationen
In beiden Welten zu Hause
Die Zusammenarbeit zwischen Sparkassen und Fintechs verläuft weithin reibungslos. Schlüssel zum Erfolg sind: gegenseitiges Verständnis, der Wille, sich gegenseitig kennenzulernen sowie die Akzeptanz unterschiedlicher Geschwindigkeiten, glaubt BBL-Kolumnist und S-Hub-Chef Jens Rieken.

Deutschland ist für die europäische Fintech-Szene einer der Hotspots schlechthin. Ende 2019 gab es hierzulande 610 Unternehmen dieser Kategorie.

Eine der Kernaufgaben des Sparkassen Innovation Hubs (S-Hub) besteht darin, genau diesen Markt zu durchforschen sowie interessante Ideen und Trends aufzuspüren. Nicht selten entstehen daraus Erfolg versprechende Perspektiven und Kooperationsmöglichkeiten.

Dass sich Start-ups landauf, landab für eine Zusammenarbeit mit den Sparkassen interessieren, liegt auf der Hand. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist die größte Bankengruppe in Deutschland und Europa.

Auch für Sparkassen eröffnen sich große Chancen. Start-ups und deren Lösungen können dabei helfen, digitale Innovationen schneller zum Kunden zu bringen. Kooperationen auf Augenhöhe sind dabei unverzichtbar.

„Viele Frösche küssen, bis ein Prinz hervorkommt“

Neue Wege gehen und Digitalisierung selbst erleben, ist seit mehr als drei Jahren Alltag am S-Hub in Hamburg. Zusammen mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Sparkassen-Kollegen, Partnern aus dem Verbund und FinTechs stellen wir interdisziplinäre Teams zusammen, die neue Ideen aus zahlreichen Perspektiven betrachten.

Ganz wichtig ist dabei, die Nutzer von Beginn an in die Ideenfindung einzubinden. Und deren Feedback auch zu berücksichtigen. Bis ein Prinz hervorkommt, muss man bekanntlich viele Frösche küssen.

Die mehr als 5.000 registrierten Nutzer auf der eigens dafür geschaffenen Testerplattform MOVE unterstützen uns etwa dabei, noch schneller zu testen, wertvolle Hinweise zu verarbeiten und Produkte entlang konkreter Bedürfnisse zu entwerfen oder weiterzuentwickeln.

Kooperationen zwischen Sparkassen und der Start-up-Welt sind nicht neu und gibt es schon seit geraumer Zeit. Während die Erwartungen beider Seiten also weitestgehend erfüllt werden, kommt es für ein erfolgreiches Miteinander vor allem darauf an, Verständnis füreinander zu zeigen.

Für Fintechs ist es wichtig zu verstehen, dass große Organisationen wie die Sparkassen-Finanzgruppe bei Veränderungen und bei der Entscheidungsfindung manchmal behäbig agieren. Gleichzeitig ist es für die Sparkassenwelt von Vorteil, sich eher als einen kleinen Teil der globalen Digitalisierungswelt zu begreifen und die Realität am Markt anzuerkennen.

Über diesen Mentalitätswandel hinaus eröffnen sich oftmals neue Geschäftsfelder. Einzellösungen und Silodenken sind anachronistische Schubladen, die es jetzt endgültig zuzuschlagen gilt. Der Hub kann hier das Verständnis auf beiden Seiten schaffen und mögliche Hemmnisse von Beginn an aus dem Weg räumen.

Schnelligkeit, Mentalität und Technologie

Der Digitalisierungsmarkt wird sich auch in den nächsten Jahren weiter verändern. Vor allem die großen Bigtechs, aber auch inländische wie ausländische Banken, Versicherungen oder hiesige Vergleichsportale erhöhen ihre Anstrengungen und setzen den deutschen Markt mit eigenen Lizenzen, Finanzdienstleistungen und -services unter Druck.

Neben Schnelligkeit und Mentalität wird es verstärkt auch auf die technischen Voraussetzungen ankommen, um die Zusammenarbeit mit Partnern effizient zu gestalten. Hier gilt es, sich noch weiter zu öffnen und mithilfe einer modernen API-Infrastruktur das technologische Fundament auszubauen. Nur wer diese Faktoren in seine künftigen Pläne einschließt, wird relevant bleiben und den Kontakt zum Kunden behaupten können.

Wie sich Ideen auch mit einer Vielzahl von Partnern rasch umsetzen und technisch lösen lassen, hat die Initiative helfen.gemeinsamdadurch.de gezeigt. Aus dem Antrieb, lokalen Händlern, Restaurants oder Handwerkern in der Coronakrise zu helfen, ist innerhalb von zehn Tagen eine digitale Plattform entstanden, an der sich mittlerweile deutschlandweit tausende Unternehmen sowie 250 Sparkassen beteiligen.

Es ist ein tolles Zeichen, dass die Sparkassen-Finanzgruppe als Organisation so schnell in der Lage war, effektiv vor Ort einen wichtigen Beitrag zu leisten. Und damit im Übrigen auch einen besonderen Aspekt der Sparkassen-DNA hervorhebt: Ihre starke regionale Verwurzelung.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Zusammenarbeit mit verschiedenen Start-ups und Partnern in den vergangenen drei Jahren ist sicherlich, dass Innovation nie endet. Neue Themen und Trends zu beobachten sowie den Drang nach Veränderung aufrecht zu erhalten, ist täglicher Antrieb für das gesamte Team.

Ideen zur Marktreife bringen

Drei Ideen, die der S-Hub im Rahmen von zweiwöchigen Workshops getestet hat, bleiben dabei besonders im Gedächtnis:

  • Der Sprint zur Dialogkommunikation, bei dem es darum ging, die Beratung in den Filialen zu verbessern.
     
  • Das Projekt S-Trust, ehemals SAM, das sich zum Ziel gesetzt hatte, digitale Werte und Dokumente sicher zu verwahren und bei deren Verwaltung zu helfen. Nach erfolgreicher Pilotierungsphase mit einigen Sparkassen bietet der Deutsche Sparkassenverlag das Produkt nun auch an.
     
  • Eine sehr charmante Verbindung zwischen der Off- und Online-Welt war die Idee FUX, die potenzielle Nutzer dazu anregen sollte, sich mit Investment-Themen und Wertpapieren zu beschäftigen, unter anderem über einen spielerischen und digitalen Gamification-Ansatz sowie der Möglichkeit, analog Gutscheine zu erwerben. Auch diese Idee wird gegenwärtig vom Bevestor umgesetzt und allen Sparkassen unter dem Namen Cashew (s. Abb. 1) zur Verfügung gestellt. 
     

Mitarbeiter, die Brücken schlagen können

Unsere Beobachtungen der vergangenen drei Jahre sprechen eine klare Sprache: Innerhalb der Sparkassen-Organisation gibt es sehr viele engagierte Kollegen und Kolleginnen, auch auf Entscheider-Ebene, die ein ausgeprägtes Feingefühl für den Markt und die aktuellen Trends mitbringen.

Sie vernetzen sich auch unabhängig von zentralen Formaten wie dem Innovation Day oder der Symbioticon mit Startups und relevanten Akteuren. Auch rufen sie eigene Projekte und Formate ins Leben oder besuchen aus eigenem Antrieb Fintech-Events. Dadurch werden Kooperationen und ein Austausch im Allgemeinen vorangetrieben.

Einen klaren Mitarbeitertypus für die Zusammenarbeit mit Start-ups gibt es dagegen nicht. Vielmehr zählen bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen, auf die es im Miteinander ankommt. Zum einen auf eine hohe Kommunikationsfähigkeit, ein grundlegendes Verständnis von Projektmanagement, IT und Digitalisierung, aber vor allem auf prozes­suales Denken und Empathie.

Gleichzeitig ist ein tiefes Produktverständnis nötig, um letztlich die Brücke in die Sparkasse zu schlagen. Denn im Sinne der Akzeptanz bei den Mitarbeitenden in den Filialen ist es wichtig, genau aufzuzeigen, wie Kunden und Institut gleichermaßen davon profitieren.

Andernfalls werden Innovationen weder erwähnt noch beraten und fallen „von der Theke“. Es kommt auf das Integrierende an. Auf eine gesunde Balance zwischen Produkt-Expertise der Sparkassen und dem Verständnis für die Fintech-Welt.

Trotz Corona: Mut haben, Dinge auszuprobieren

In Zeiten einer globalen Gesundheitskrise verschieben sich momentan viele Prioritäten. Gleichwohl gibt es Fragen, die sich auch weiterhin stellen. Zuallererst ist davon auszugehen, dass die Corona-Krise und ihre Auswirkungen in den nächsten 24 Monaten anhalten werden.

Ziel bleibt es aber gerade jetzt, Lösungen für die Sparkassen und ihre Kunden zu entwickeln und dazu beizutragen, dass die Institute in dieser Zeit die richtigen für ihre Kunden bieten. Insofern wird sich zeigen müssen, auf welche Partner der S-Hub in puncto Kooperation überhaupt setzen kann.

Wer ist verlässlicher Partner für eine Zusammenarbeit und wer schafft es, die Krise erfolgreich zu bewältigen? Inwieweit ist es zudem möglich, in etablierten Prozessen und beim Wunsch nach standardisierten Lösungen Freiräume zu schaffen, die es den Beteiligten ermöglichen, neue und vielleicht sogar unfertige Ideen auszuprobieren?

Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen ist es wichtig, neue Möglichkeiten zu ergreifen. Den Mut zu haben, die eigene Komfortzone zu verlassen und neue Dinge auszuprobieren, zu priorisieren sowie das eigene Geschäftsmodell zu schärfen, zahlt sich langfristig aus.

Ein Evolutionskalender des S-Hub zeigt die relevantesten deutschen Fintechs sowie internationale Tech-Start-ups anhand von Gründungsdaten, Marktwert und Mitarbeiterzahl.

Fazit und Ausblick

Die jüngst vom S-Hub und der Unternehmensberatung Ernst & Young veröffentlichte Studie zum deutschen Fintech-Markt zeigt: Nach wie vor gibt es ein großes Kundenbedürfnis nach mehr Digitalisierung und damit einen Markt für neue Start-ups.

Während in einigen Bereichen – etwa bei Modellen mit einer klaren Ausrichtung auf den Endkunden – allmählich Konsolidierung und Sättigung einsetzen, stehen die Chancen für neue Business-to-Business-Lösungen nach wie vor gut. Der Digitalisierungsbedarf ist hier noch sehr groß – in erster Linie im Firmenkundengeschäft.

In Innovationen für einen digitalen Versicherungsvertrieb oder im Hinblick auf Immobilien schlummert zudem enormes Potenzial. Ganz im Sinne eines Allfinanz-Angebots der S-Finanzgruppe wird es künftig darum gehen, genau diese Themen vermehrt zu adressieren und auch Insur- sowie Proptechs für Kooperationen ins Visier zu nehmen.

Wir vom S-Hub werden 2020 und darüber hinaus nah am Fintech-Markt und der Start-up-Szene bleiben und auch mit Blick auf Finanzprodukte und -services der Bigtechs gezielt nach Möglichkeiten der Zusammen­arbeit suchen.

Unser Antrieb ist dabei, weitere erfolgreiche Beziehungen zwischen Fintechs und Sparkassen auf den Weg zu bringen, damit Innovationen, Produkte und Services schneller bei den Kunden der Sparkassen-Finanzgruppe ankommen. Der Start des Sparkassen Developer-Portals gemeinsam mit dem DSGV und der Finanz Informatik war dabei ein weiterer Schritt.

Evolutionskalender zum Download
Der S-Hub hat die Evolution der relevantesten deutschen Fintechs sowie internationaler Tech-Start-ups anhand von Gründungsdatum, Marktwert und Mitarbeiterzahl zusammengestellt. Sie können die Karte am Ende des Beitrags oder hier downloaden.

Autor
Jens Rieken ist Leiter des Sparkassen Innovation Hub (S-Hub) in Hamburg.

Jens Rieken
– 2. Juni 2020