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Europäische Zentralbank
Zweite Welle prägt EZB-Zinssitzung
Die Zentralbank könnte könnte angesichts der Lage neue Lockerungsschritte signalisieren, im Dezember oder möglicherweise schon kommende Woche. Im Blickpunkt steht das Anleihen-Kaufprogramm Pepp.

Die EZB wird Experten zufolge auf ihrer Zinssitzung wegen der Wucht der zweiten Corona-Infektionswelle wohl die Tür für weitere Lockerungsschritte öffnen. Denn verschärfte Einschränkungen in stark betroffenen Ländern wie Spanien und Frankreich dürften die Wirtschaft im Euroraum erneut schwächen.

EZB-Chefin Christine Lagarde und ihre Ratskollegen werden auf der Sitzung am kommenden Donnerstag beraten, wie die Notenbank notfalls für Unterstützung sorgen kann. Im Blickpunkt dürfte Experten zufolge das billionenschwere Anleihen-Kaufprogramm Pepp stehen – für viele die wichtigste Waffe der EZB im Kampf gegen die Pandemiefolgen. Viele erwarten, dass die Notenbank zwar noch nicht kommende Woche, dann aber im Dezember das Programm kräftig aufstocken wird.

EZB-Chefin Christine Lagarde. Wahrscheinlich wird die Geldpolitik der Notenbank noch lockerer.

Ihr Pepp-Programm hatte sie zuletzt im Juni um 600 Milliarden Euro auf ein Volumen von 1,35 Billionen Euro aufgestockt und die Käufe bis Ende Juni 2021 verlängert. Anatoli Annenkov, EZB-Experte der französischen Bank Societé Générale, geht davon aus, dass die Notenbank im Dezember das Volumen noch mal um 500 Milliarden Euro erhöhen und die Käufe dann bis Jahresende 2021 verlängern wird. Am Leitzins, der bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent liegt, wird die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag voraussichtlich nicht rütteln.

Befürworter lockerer Geldpolitik bekommen Oberwasser

„Die Kontroversen im EZB-Rat darüber, was als nächstes zu tun ist, sind noch ziemlich stark“, sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Die jüngste Wirtschaftsentwicklung stärke aber die Position derjenigen, die für eine lockere Geldpolitik eintreten.

„Mit einer schlimmer als erwartet laufenden zweiten Covidwelle, die auf ein schwaches Wachstum im vierten Quartal hindeutet, sehen wir sogar ein stärkeres Argument für erneute Maßnahmen“, schreiben auch die Experten der US-Bank Morgan Stanley. Sie erwartet im Dezember eine Aufstockung des Pepp-Programms um 400 Milliarden Euro.

Zuletzt ist das Risiko wieder gestiegen, dass die Eurozone in eine Rezession abrutscht. So sank der Einkaufsmanagerindex des Instituts IHS Markit, der die Geschäfte von Industrie und Dienstleistern bündelt, im Oktober auf 49,4 Punkte und damit wieder unter die Wachstumsschwelle von 50 Zählern.

Zudem ging die Inflationsrate im Euroraum zuletzt weiter auf Talfahrt und lag im September bei minus 0,3 Prozent nach minus 0,2 Prozent im August. Damit entfernt sich die Teuerung weiter von der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent, die sie als Idealwert für die Wirtschaft anstrebt, aber schon seit Jahren verfehlt.

Warten auf neue hauseigene Prognosen

Dennoch rechnet Jan von Gerich, Chefanalyst der Bank Nordea, damit, dass die EZB am Donnerstag die Füße stillhält. „Selbst wenn die EZB allmählich die Notwendigkeit sieht, mehr zu tun, braucht sie mehr Informationen, am wahrscheinlichsten in Form überarbeiteter Prognosen der Stäbe, um das notwendige Ausmaß einer neuen Lockerung zu kalibrieren“, sagt der Experte.

Neue überarbeitete Wirtschaftsprognosen der hauseigenen Volkswirte liegen aber erst zur Zinssitzung am 10. Dezember vor. Sollte die EZB überraschend schon am Donnerstag ein Stützungspaket beschließen, würden die Renditeaufschläge der Staatsanleihen von Euroländern sinken und der Kurs des Euro zum Dollar nachgeben, sagt von Gerich.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer weist noch auf einen weiteren Grund hin, der für ein Abwarten spricht: „Nachdem die Anleiherenditen der hoch verschuldeten südlichen Länder nicht zuletzt wegen der gemeinsamen Schuldenaufnahme im Rahmen des Corona-Wiederaufbaufonds gefallen sind, hat die EZB ihre Anleihenkäufe deutlich reduziert.“

Die verbleibenden Mittel ihrer Kaufprogramme reichten daher aus, dass die EZB bis zum bisher angepeilten Ende ihres großen Pandemieprogramms Pepp Mitte nächsten Jahres pro Monat ähnlich viele Anleihen kaufen kann wie zuletzt.

„Die EZB steht also noch nicht unter Druck, das Volumen des Pepp-Kaufprogramms ein zweites Mal zu erhöhen“, sagt Krämer, rechnet jedoch ebenfalls damit, dass die EZB ihr Pepp-Programm noch einmal aufstocken wird. (rtr)

23. Oktober 2020