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SVBW – mit Kurzinterview
Südwest-Sparkassen vor schwierigem Jahr
Einen „dramatischen Einbruch“ habe das Coronajahr 2020 den baden-württembergischen Sparkassen nicht gebracht, sagt SVBW-Präsident Peter Schneider. Doch das Kundenverhalten habe sich deutlich verändert.

Die 50 Sparkassen im deutschen Südwesten sehen sich angesichts der Coronakrise gut gewappnet. Um mögliche Kreditausfälle auffangen zu können, haben sich die Institute ein Polster von 220 Millionen Euro für die Risikovorsorge zurückgelegt – was nur gut einem Drittel der Rückstellungen des Jahres 2009 nach der Finanzkrise entspricht.

„Das erste Coronajahr hat damit noch keinen dramatischen Einbruch für die Sparkassen gebracht“, sagte dazu Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW), bei der Präsentation der Jahresergebnisse 2020 in Stuttgart.

Täglich mehr Kunden in Schwierigkeiten

Dennoch sieht Schneider die Institute 2021 vor einem schwierigen Jahr. So geht er davon aus, dass die eigentlichen Kreditausfälle in diesem und im kommenden Jahr über denen des Jahres 2020 liegen werden. „Was uns zunehmend mit Sorge erfüllt, ist die Länge des Lockdowns: Mit jedem weiteren Tag kommen mehr Kunden in Schwierigkeiten“, so der SVBW-Präsident.

Seit Beginn der Krise haben in Baden-Württemberg rund 60.000 Privat- und Firmenkunden ihre Kreditraten bei Sparkassen für mindestens drei Monate ausgesetzt. In Summe stundeten die Institute ihren Kunden 1,4 Milliarden Euro, was angesichts eines Kreditvolumens von insgesamt 143 Milliarden Euro eine überschaubare Größenordnung darstellt.

2020 verstärkte sich bei den Südwest-Sparkassen ein Trend, der schon in den Vorjahren zu beobachten war. So fluteten Privatkunden die Institute mit Geldern in rekordhohem Umfang. Nie zuvor trugen die Menschen mehr Geld zu einem der 50 Institute im Land, wodurch der Einlagenbestand insgesamt um 7,9 Prozent auf 159 Milliarden Euro in die Höhe stieg.

„Wir sehen hier eine ambivalente Situation“, sagte Schneider zu der Entwicklung. Während einige Kunden ums Überleben ihres Geschäfts kämpften und alle Rücklagen aufbrauchten, könnten zahlreiche Privatkunden durch den Lockdown ihr Geld gar nicht ausgeben. Bei den Unternehmenskunden beträgt das Einlagenplus sogar fast 15 Prozent, woraus abzulesen ist, dass die Firmen sich Liquidität sichern und Investitionen auf die Zeit nach der Pandemie verschieben. Schneider machte deutlich, dass die Sparkassen gar nicht so viele Kredite vergeben können, wie Einlagen bei den Geldhäusern eintreffen.

Die Crux an der Sache ist, dass aufgrund der Diskrepanz zwischen den Zuwächsen von Einlagen und Krediten die Institute zunehmend Gelder bei der Europäischen Zentralbank „parken“ müssen, die mit minus 0,5 Prozent zu verzinsen sind. Vor diesem Hintergrund sehen sich viele Sparkassen gezwungen, Verwahrentgelte auf hohe Einlagensummen insbesondere von Neukunden im sechsstelligen Bereich zu erheben.

Ertragslage unter Druck

Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase steht die Ertragslage der Sparkassen weiter unter Druck. So lag der Zinsüberschuss als Hauptertragsquelle der Institutsgruppe im Land 2020 mit 3,1 Milliarden Euro weitere 90 Millionen Euro unter seinem Vorjahreswert. Dagegen konnte der ordentliche Ertrag insbesondere durch das lebhafte Wertpapiergeschäft nur um 25 Millionen Euro gesteigert werden. Laut Schneider reichten die Sparanstrengungen der Häuser offensichtlich nicht aus, die Belastungen durch die „marktverzerrende Minuszinspolitik der EZB“ dauerhaft kompensieren zu können. Das Zinsergebnis werde weiter erodieren, sagte er voraus.

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Herr Schneider, in der Pandemie verändert sich auch das Geldgeschäft, unter anderem indem es digitaler wird. Was bedeutet das für eine Organisation wie die Ihre, die auf einem Filialnetz basiert?

Trotz Digitalisierung ist persönliche Beratung gefragt, so Peter Schneider.

Peter Schneider: Trotz aller digitalen Kanäle ist in der Krise vor allem die persönliche Beratung gefragt. Wer plötzlich deutlich weniger Einkommen hat, vorübergehend arbeitslos ist oder als Unternehmen einen kurzfristigen Liquiditätsengpass überbrücken muss, braucht individuelle Beratung. Da gewinnen die Filialen und die telefonische Beratung enorm an Bedeutung. Das schlägt sich auch in unserer Kundenentwicklung nieder. So konnten wir 2020 in einem hart umkämpften Markt rund 60.000 Neukunden gewinnen – und zwar netto, also nach Abzug der Kontoauflösungen.

Dennoch, wie wirkt sich die Pandemie auf die Digitalisierung aus?

Schneider: Ganz klar, die Coronakrise hat für einen Schub bei der Digitalisierung gesorgt. So ist die Zahl der Privatkunden, die über das Internet mittels PC, Tablet oder Smartphone auf ihr Konto zugreifen, deutlich gewachsen. Waren es zum Jahresanfang noch 57 Prozent der Privatkunden, so sind es bei Privatkunden inzwischen rund 65 Prozent. Bei Firmenkunden liegt die Quote sogar bei rund 80 Prozent. Ähnliche Steigerungen sehen wir auch beim Einsatz der Girocard. Die Pandemie trägt zu einem geänderten Zahlungsverhalten der Kundinnen und Kunden bei.

Und beschleunigt damit den weiteren Abbau von Filialen…

Schneider: Wir haben auch weiter die vielen Kundinnen und Kunden im Blick, die keinen Zugang zum Onlinebanking haben oder bewusst darauf verzichten wollen. Daher werden wir Sparkassen weiter stark in der Fläche präsent bleiben und uns nicht nur auf die großen Städte konzentrieren. Ende 2020 betrieben die Sparkassen in Baden-Württemberg 1944 Geschäftsstellen – das waren nur rund 25 weniger als Ende 2019. Viele ehemalige Filialstandorte bleiben als SB-Filialen erhalten. Aber natürlich wollen unseren Kunden auch die Digitalisierung nutzen. So ist die Zahl der Nutzer der Sparkassen-App sprunghaft gewachsen. Allein in Baden-Württemberg nutzen jetzt 1,3 Millionen Kunden unsere App.

Thomas Spengler
– 9. Februar 2021