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Spanien
Fusion in Rekordzeit
Der spanische Bankensektor ist derzeit in aller Munde, weil er sich etwas traut: Um weiterhin zu den Top-Kreditinstituten zu gehören, hat die Caixabank beschlossen, sich mit der schwächelnden Bankia zusammenzutun.

Verschiedene Geschäftskulturen in den Metropolen Barcelona und Madrid sowie prägnante Egos an den Spitzen beider Banken wurden in Rekordzeit zusammengebracht, unter Federführung von Isidre Fainé, Chef des Eigentümers der Caixabank, der La-Caixa-Stiftung. Während die spanische Politik Probleme hat, über die vorherrschenden Ideologien hinaus Kompromisse und Koalitionen zu schließen, ist es in der Bankenwelt seit geraumer Zeit fast problemlos möglich.

Kein anderes Land in Europa hat in den vergangenen 20 Jahren seinen Banken- und Sparkassenmarkt so erfolgreich konzentriert wie die Spanier. „Der Hauptgrund für den jetzigen Zusammenschluss von Caixabank und Bankia ist jedoch vor allem, dass so einfacher Stellen und Filialen abgebaut sowie die notwendige Digitalisierung vorangetrieben werden können“, sagt der ehemalige Bank-Manager Manuel Romera. Beide Banken hatten zuletzt Probleme, mit den Gewerkschaften auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Zeit ist Geld – und das wird digital

„Wer jetzt nicht handelt, hat verloren“, sagte Fainé schon im vergangenen Jahr in einem Interview mit der spanischen Zeitschrift „Dirigentes“. Die Verschuldung der spanischen Haushalte und Unternehmen steigt durch die pandemiebedingten Wirtschaftsprobleme rasant und auch die des Staates, der in vielen Fällen als Garant hinter den Krediten steht.

Damit wachsen die Risiken des spanischen Finanzmarktes. Eine Situation wie 2011/12 soll jedoch vermieden werden, weswegen der EZB-Vize und ehemalige spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos auf noch mehr Konsolidierung und Digitalisierung in Spanien und Europa gedrängt hat.

„Die Banken müssen Vorsorge treffen, falls sie wie erwartet in den kommenden Monaten mit massiven Zahlungsausfällen konfrontiert werden. Für Bankia ist diese Fusion deswegen auch eine Überlebensfrage“, sagt Romera.

José Ignacio Goirigolzarri von der Bankia (links) und Isidre Fainé, Chef des Eigentümers der Caixabank, nach Fusionsgesprächen. Durch die Fusion wird die Caixabank zu Spaniens größtem Kreditinstitut.

Die ehemalige Sparkasse wurde 2012 durch den Staat gerettet. Der spanische Steuerzahler hat bisher jedoch erst drei der 22,5 Milliarden Euro zurückbekommen. Die Fusion ist für die meisten Investoren und Politiker ein Segen, weil Bankia als Marke verschwinden wird und die Aktionäre, darunter auch der Staat, sich unter der Obhut der digital bereits sehr avancierten Caixabank bessere Gewinne versprechen.

Neukunden zu gewinnen ist noch schwierig

Die notwendigen Investitionen in Digitalisierung und die Kosten der Pflicht-Risikodeckung reduzierten in den vergangenen Jahren die bereits schmalen Gewinne von Bankia. Die Pandemie hat den Rest gegeben. Zudem laufen noch immer juristische Prozesse gegen einige der damals Verantwortlichen. An der Börse konnte sich das Kreditinstitut von der Pleite nur langsam erholen.

Junge Neukunden zu gewinnen ist wegen der hohen Gebühren und dem vergleichsweise lahmen digitalen Service zusätzlich schwierig. Die Bankia-Filialen sind wie bei Caixabank immer noch Anlaufstelle für viele Abwicklungen rund ums Konto und Kredit, worauf auch junge Spanier keine Lust mehr haben.   

„Von den großen Banken ist eigentlich die BBVA die, die am besten ihre Innovationen direkt an die Kunden weitergibt zum Beispiel durch einfache vielfach animierte Benutzoberflächen“, sagt der spanische Bankenexperte Pedro Gete Sánchez.

Gute App, schleppender Filialservice

Caixabank führt das App-Banking in Spanien an, derzeit müssen sich die Kunden in den Zweigstellen aber noch mit vielen administrativen Hürden herumschlagen.

Zwar hat Caixabank jetzt hübsche „Store“- Niederlassungen mit Cafés und technischen Anwendungen, aber in Covidzeiten sind diese oftmals leer. „Damit will die Bank natürlich den Kontakt zum Kunden aufrechterhalten, was wiederum dazu dient, auch mal eine neue Versicherung anzubieten oder zu fragen, wie es denn beruflich geht und damit das Risikoprofil zu aktualisieren“, erklärt die Kommunikationschefin der Sparkassen-Lobby und Großhandelsbank Ceca, Mónica Malo Serisa.

20 Millionen Kunden merken zunächst nicht viel

Allerdings hat die Pandemie gezeigt, dass schnell umgedacht werden muss, da der persönliche Kontakt „gefährlich“ und damit noch teurer geworden ist. Beide Banken werden zusammen mit 20 Millionen Kunden das mit Abstand größte Kreditinstinstitut auf dem spanischen Markt sein, aber die Frage ist: Was haben sie davon?

„Erst mal nicht viel. Der Bankia-Kunde muss höhere Gebühren hinnehmen, kann dann aber damit rechnen, dass er immer weniger in die Filiale muss, weil es immer weniger Niederlassungen geben wird. Langfristig werden die Entgelte dann auch wegen des steigenden Wettbewerbs durch Fintech-Dienstleister und Direktbanken nach unten gehen“, glaubt Gete Sánchez.

Die neue Bank dürfte versuchen, mit gezielter PR über neue Investitionen in Blockchain, Quanten-Computer und Chatbots die Gewerkschaften und Medien von dem Personalabbau abzulenken. Caixabank schafft das bereits seit geraumer Zeit mit Prämien und Auszeichnungen sowie der Veröffentlichung von neuesten Entwicklungen bei Imaginbank, der App für jüngere digitale Bankkunden.

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Neue Auszahlungsterminals der Caixabank.

Bankia bringt Vermögensverwaltung ein

Bankia bringt dagegen in die Fusion ihre sehr gut aufgestellte und digitalisierte Vermögensverwaltung ein. Hier konnte die Bank 2019 mehr als 100.000 Neukunden gewinnen. Zudem ist die Hälfte ihrer Kunden bereits digital unterwegs. 

Die Schweizer IT-Firma Avaloq soll helfen, ihnen mit digitaler Kundenanalyse noch gezieltere Angebote zu machen sowie schnell riskante Assets wie Hypotheken und Staatsanleihen aus ihren Profilen herauszufiltern. Ziel der neuen Bank ist es, Marktführer bei der Vermögensverwaltung in Spanien zu werden.

„Caixabank wird immer auf Nähe setzen“

Klar ist, dass in einigen Jahren von den 6300 Bankia- und Caixabank-Niederlassungen und den 51.500 Angestellten vielleicht nur noch die Hälfte übrig sein werden. „Aber Caixabank wird immer auf Nähe setzen“,  hat Fainé immer wieder klargemacht.  

Der Mann, der mit der umstrittenen katholischen Prälatur Opus Dei groß geworden ist, glaubt immer noch, dass rentables Retailbanking in Spanien nur möglich ist, wenn der Service und das Risiko greifbar sind.

Digitale Teamarbeit im Bankensystem

Aber weil die Welt globaler wird und auch digitaler, hat die Branche Bizum ins Leben gerufen. Das digitale Zahlungssystem versucht ähnlich wie Paypal zusammen mit den Banken eine alternative Möglichkeit zu bieten, im Geschäft oder unter Freunden per Handy zu bezahlen. 27 Banken arbeiten hier erfolgreich zusammen.

Während des Lockdowns hat die App enormen Zulauf gehabt und kommt inzwischen auf fast elf Millionen Kunden. Auch Malo Serisa setzt auf das Zahlungssystem und auch auf digitale Teamarbeit im spanischen Banksystem: „Gerade jetzt während der Pandemie ist es notwendig.“

Stefanie Claudia Müller, Madrid
– 22. September 2020