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Risikomanagement
Gefahren frühzeitig erkennen
Die Coronapandemie wird in den Kreditportfolios der Banken und Sparkassen Spuren hinterlassen. Sie sind daher gefordert, potenziell gefährdete Engagements zu erkennen. Wie eine systematische Analyse aussehen kann, zeigt das Vorgehen der Sparkasse Düren.

Herkömmliche Risikofrüherkennungsverfahren bilden externe Schocks wie die Coronapandemie nicht richtig ab; unter anderem weil sie auf der Analyse des Zahlungsverkehrsverhaltens der Kunden basieren.

Infolge der Unterstützungsleistungen der Bundesregierung berichten viele Vertreter von Banken und Sparkassen aber von im Trend rückläufigen Überziehungen und höheren Giro-Guthaben – mithin erhalten die Früherkennungsverfahren keine korrekten Signale und verfehlen ihren Zweck.

Die Sparkasse Düren hat frühzeitig vorausschauende Schritte eingeleitet. Mit einer Beratung (KMC) wurde im Anschluss an eine Analyse der Problemkreditbearbeitung (gemäß DSGV-Modell Pro 2.0) ein systematisches Verfahren zur Durchführung eines Portfolio-Screenings erarbeitet.

Schaubild 1: Vorgehen Portfolio-Screening (Teil 1)

 

Tiefgreifende Datenanalyse erforderlich

Das Vorgehen gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden potenziell gefährdete Engagements datenbasiert identifiziert – Ziel ist es dabei, tiefer zu betrachtende Fälle zu erkennen und einer Bewertung zuzuführen.

Bereits zu Beginn der Arbeiten wurde deutlich, dass zum Aufbau eines geeigneten Faktor-Modells Daten beziehungsweise Informationen aus verschiedenen Quellen berücksichtigt werden mussten und somit der Aufbau einer spezifischen Datenbank notwendig wurde.

In Workshops wurden mögliche Datenquellen eruiert, entsprechende Erhebungen angestoßen und die Ergebnisse in die Datenbank übertragen. Verarbeitet wurden beispielsweise:

  • Basisinformationen zu den Engagements aus OSPlus (Gesamtobligo, Blankoanteil);
  • Branchenprognosen des Deutschen Sparkassenverlags;
  • Informationen aus einem adjustierten Lauf des Frühwarnsystems;
  • Informationen zu Tilgungsaussetzungen/Zugeständnissen, Rating-Simulationsläufen, Fördermittelnutzung.
Mithilfe eines Ampelmodells können Risikofälle schnell identifiziert werden.

Rechen- und Ampelmodell aufgebaut

Im Anschluss an die Zusammenführung der Daten in die Datenbank wurde der Aufbau eines Rechen- beziehungsweise Ampelmodells vorgenommen. Zu diesem Zweck wurden die Merkmalsausprägungen der Daten nach Schulnoten geclustert, mit dem Ziel, eine Verknüpfung aller Informationen vornehmen zu können und zudem mit Gewichtungen arbeiten zu können. 

Der Aufbau eines Modells mit Score-Werten und individuellen Gewichtungen einzelner Kriterien zeigte sich einer einfachen Filterung überlegen.

Nach Fertigstellung des Modells wurden verschiedene Simulationsläufe vorgenommen, um das Modell zu kalibrieren. Mittels Sensitivitätsanalysen und Plausibilisierungen, ob durch die Modellparameter bekannte Corona-Problemfälle als „Rotfall“ identifiziert werden, konnte eine valide Grundeinstellung des Modells erzielt werden.

Größte Risikotreiber identifiziert

Die Gesamtanzahl der „Rotfälle“ wurde anschließend unter Praktikabilitätsaspekten auf die größten Risikotreiber eingegrenzt (Selektion über Blankoanteile), sodass ein für die nächste Phase handhabbares Mengengerüst vorlag. Die weiteren „Rotfälle“ wurden somit zunächst zurückgestellt und sollen in weiteren Iterationen betrachtet werden.

Parallel zum Modellaufbau erfolgte die Entwicklung eines Fragenkatalogs an die Marktmitarbeiter, um auf diesem Weg weitere (insbesondere auch qualitative) Informationen aufnehmen zu können.

Inhaltlich lag der Fokus auf „coronaspezifischen“ Indikatoren wie:

  • der Anordnung von Kurzarbeit;
  • der Stundung von Mieten oder Sozialversicherungsbeiträgen;
  • Einwertungen zum Geschäftsmodell des Kunden;
  • Einschätzungen zu erhöhten Ausfallrisiken.

Der Fragebogen diente als Grundlage für die Arbeiten im zweiten Teil des Portfolio-Screenings.

Wichtig für das systematische Portfolio-Screening: Eine Einschätzung der Risiken erfolgt immer in größerer Runde.

Qualitative Einschätzung

Im zweiten Teil des Portfolio-Screenings wurden die zuvor technisch selektierten, potenziell gefährdeten Engagements („Rotfälle“) einer qualitativen Einschätzung zugeführt. Ziel dabei war es, weitergehende Kenntnisse der Berater zu ergänzen und so ein Gesamtbild der Lage einzelner Engagements zu erhalten.

Der erste Durchlauf des Portfolio-Screenings fokussierte auf Unternehmens-, Firmen- und Gewerbekunden. Unter der Annahme, dass die Berater die Kundensituationen aus zahlreichen Gesprächen (unter anderem im Coronakontext) qualifiziert einzuschätzen wissen, wurde auf weitere Kontaktaufnahmen im Rahmen des Portfolio-Screenings verzichtet.

Auch das Einholen neuer Unterlagen war nicht vorgesehen, da anzunehmen war, dass sich Coronaeffekte noch nicht in diesen widerspiegeln würden.

„Rotfälle“ einzelner Berater aufgezeigt

Um den Beratern ein möglichst effizientes Arbeiten zu ermöglichen, wurden die jeweiligen „Rotfälle“ pro Berater ausgewählt. Die Bereitstellung der Informationen erfolgte – gepaart mit schriftlichen Erläuterungen zu Zielsetzung, Vorgehen und Arbeitsauftrag – in tabellarischem Format per individueller Excel-Tabelle.

Die Tabelle enthielt wesentliche Kerninformationen zu den Kunden, die Ergebnisse und Einzel-Scores des Bewertungsmodells sowie die Inhalte des Fragenkatalogs mit standardisierten Antwortoptionen.

Neben den schriftlichen Informationen wurden die Inhalte zudem in den jeweiligen Abteilungsrunden thematisiert, um allen Mitarbeitern die notwendige Sicherheit zu geben und eine einheitliche Bearbeitung sicherzustellen. Die Führungskräfte der Einheiten standen ergänzend während der Beraterbefragung als Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung.

Im Anschluss an die Zusammenführung der Rückmeldungen wurde der Sachstand durch die Projektleitung (bestehend unter anderem aus Vertretern von Markt, Marktfolge, Risikomanagement, Revision und KMC) gesichtet, mit dem Ziel, auch marktseitig als kritisch eingestufte Fälle in der anschließenden Kreditkonferenz (mit Vorstandsbeteiligung) vorzustellen.

Schaubild 2: Vorgehen Portfolio-Screening (Teil 2).

Gemeinsame Bewertung der Kreditfälle

Die Kreditkonferenz hatte neben einer allgemeinen Information des Vorstands das Ziel, zuvor als kritisch eingestufte Fälle final zu bewerten und konkrete Maßnahmen für nächste Schritte im Umgang mit dem Engagement zu definieren.

Im Sinne eines systematischen Vorgehens wurde im Vorfeld eine Strukturierungshilfe erstellt, um einen klaren Fokus zu setzen und gleichzeitig eine Dokumentation von Fallanalyse und vorgesehenen Maßnahmen sicherzustellen.

Die Ergebnisse des Portfolio-Screenings wurden im Nachgang dem Verwaltungsrat der Sparkasse zur Kenntnis gegeben. Darüber hinaus wurde das Vorgehen gegenüber der Sparkassen-Verbandsrevision transparent gemacht.

Im Anschluss an den ersten Durchlauf wurde das Ampelmodell datenseitig an einigen Stellen weiterentwickelt und zugleich der Fokus der Analyse verbreitert.

Regelmäßige Analyseläufe geplant

Im zwischenzeitlich erfolgten zweiten Lauf standen nicht mehr ausschließlich gewerbliche Engagements mit höherem Blankoanteil im Fokus, sondern es wurden ergänzend auch das Geschäftskundensegment sowie der Privatkundenmarkt analysiert.

Die Sparkasse Düren ist überzeugt, mit dem Vorgehen einen systematischen Ansatz zur Unterstützung der Forderungsbewertung für die Bilanz 2020 zur Verfügung zu haben und plant darüber hinaus weitere regelmäßige Analyseläufe für das laufende Jahr.

Autoren

Dr. Gregor Broschinski ist stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Sparkasse Düren.

Sven Sekowsky ist Partner bei Kampmann Management Consultants (KMC).

Gregor Broschinski, Sven Sekowsky
– 6. Januar 2021