In den vergangenen Monaten haben die BBL die Berichterstattung zum Thema Klimawandel und seine Auswirkungen auf Banken und Sparkassen verstärkt. Nicht zuletzt das „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ der Bafin hat der Branche deutlich vor Augen geführt, dass auch die Aufsicht an diesem Thema intensiv „dran“ ist. Es liegt aktuell in der Fassung vom 13. Januar vor (Download am Ende des Beitrags oder hier). Die BBL haben über den ersten Entwurf der Bafin-Überlegungen im vergangenen Oktober ausführlich berichtet (siehe BBL-Beitrag: Nachhaltigkeitsrisiken im Visier).
Die Bundesbank hatte das Thema ebenfalls früh auf der Agenda – schon im März 2018 auf ihrem Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“ (siehe dazu den BBL-Beitrag: Bei Klimarisiken kein Eigenkapitalaufschlag). Der Bundesbank-Manager Prof. Joachim Weeber hat jetzt in der Springer-Gabler-Reihe „Essentials“ die wichtigsten Gedanken zu „Klimawandel und Finanzmärkte“ noch einmal auf knapp 55 Seiten zu Papier gebracht.
Banken dürfen Klimawandel nicht ignorieren
Die Bedeutung des Klimawandels im Hinblick auf seine Auswirkungen auf das Finanzsystem ist gravierend, verweist Weeber bereits in seiner Einleitung auf zahlreiche Studien der Green Finance Study Group, die von der G-20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer eingerichtet worden ist. Während es zunächst um die Finanzierung einer ökologisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik ging (im Sinne von „Green Finance“), stehen heute zunehmend die Risiken des Klimawandels im Fokus. War die These vom fortschreitenden Klimawandel, so Weeber, zu Recht im politischen Spektrum teilweise im letzten Jahrhundert noch umstritten, so sind sich Wissenschaft und Weltgemeinschaft, sieht man vielleicht von den USA oder Brasilien ab, weitgehend einig.
Daraus zieht Weeber den Schluss, dass das Thema nur global gelöst werden kann. „Auch Aspekte der unterschiedlichen Betroffenheit von Staaten oder die Problembehandlung für die grenzüberschreitenden Auswirkungen des Klimawandels sind Teil dieser Diskussion“, glaubt der Bundesbanker.
Zum Einstieg werden im Kapitel zwei zunächst die beiden zentralen Begriffe Klimawandel und Finanzmärkte definiert und gegeneinander abgegrenzt. Das ist sinnvoll, weil doch schnell deutlich wird, dass selbst Begriffe wie Wetter und Klima mitunter synonym verwendet werden, aber sich dahinter eigentlich ganz unterschiedliche Dinge verbergen (können).
In Kapitel drei werden die verschiedenen Risikokategorien für den Finanzsektor dargestellt, die aus dem Klimawandel entstehen können. Neben Risiken werden nach Ansicht Weebers aber auch Chancen aus dem Klimawandel entstehen. Einen Überblick, wo die liegen, liefert deshalb Kapitel vier, indem aber – soweit die Einschränkung – auf eine renditeseitige Betrachtung weitgehend verzichtet wird. Vielmehr werden an dieser Stelle grundlegende Überlegungen über künftige Entwicklungschancen dargestellt werden.
Zentrale Risiken erkennbar
In Kapitel drei beschäftigt sich der Autor mit den weitgehend be- und anerkannten Risikoarten, die sich in vergleichbarer Form auch im Bafin-Merkzettel finden:
- physische Risiken;
- Transitionsrisiken;
- politische Risiken.
Physische Risiken
Hierunter fallen Extremwetterereignisse und deren Folgewirkungen mit direkten physikalischen Einflüssen auf Vermögenswerte (zum Beispiel Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, Produktionsanlagen durch Starkniederschläge und/oder Stürme) oder Veränderungen der Klimabedingungen (Auswirkungen von Trockenperioden/veränderter Niederschlagsmuster auf die Landwirtschaft, die Verschlechterung der Schneebedingungen für den Wintertourismus, Anstieg des Meeresspiegels mit Auswirkungen auf tiefliegende Küstenstädte und Regionen). Die Auswirkungen können dabei bis zum Zusammenbruch gesamter Wertschöpfungsketten gehen (zum Beispiel durch Beschädigung von Produktionsanlagen). Für Versicherungen können entsprechende Risiken etwa im Bereich der Wohngebäudeversicherung durch Sturm, Überflutung, Waldbrand oder Hagel existieren. Ebenfalls können sich Schäden in der Betriebsunterbrechungsversicherung erhöhen.
Transitionsrisiken
Darunter sind Risiken zu verstehen, die durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft entstehen und zu einer Neubewertung von Anlagen führen. So würde etwa eine geringere Nachfrage nach Strom aus Kohlekraftwerken zu Abschreibung auf Investitionen in Kohlekraftwerken führen. Neben solch eher direkten Transitionseffekten dürften in der Risikoabschätzung für Banken vor allem Abwertungen von Finanzanlagen die größere Bedeutung haben (zum Beispiel Neubewertungen von Kapitalanlagen wie Aktien, Unternehmensanleihen oder Investmentfonds).
Politische Risiken
Dazu zählen Auswirkungen direkter politischer Einflüsse, die zu einer allgemeinen Änderung der Klimapolitik der Regierung führen können. Die Einführung einer generellen Besteuerung des CO-Ausstoßes etwa dürfte einzelne Wirtschaftsbereiche schwer treffen. Bei Überschreiten so genannter Kipp-Schwellen (wie das Auftauen des Permafrosts, ein Kollaps des Amazonas-Regenwaldes oder das Abschmelzen von Eisschilden) könnte die Erfordernis massiver politischer/regulatorischer Eingriffe zunehmen – mit den entsprechenden drastischen Auswirkungen auf die einzelnen Segmente der Finanzmärkte und damit für Banken.
Zur Bewertung der Gesamtrisiken für den Bankensektor müssen, wie Weeber an anderer Stelle dargelegt hat, schließlich folgende Aspekte (also auch Finanzstabilitätsrisiken) herangezogen werden:
- Strategie: Schätzung der tatsächlichen und möglichen Auswirkungen von klimabezogenen Risiken und Chancen auf die Geschäftstätigkeit, Strategie und finanzielle Planung des Unternehmens (einschließlich Kreditvergabe an emissionsintensive Firmen)
- Risikomanagement: Angabe der Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung sowie Kommunikation klimabezogener Risiken (Risikosteuerungs- und -controllingprozesse)
- Operationalisierung: Angabe der Ziele und der Indikatoren (einschließlich Maßzahlen) die verwendet werden, um klimabezogene Risiken und Chancen beurteilen und steuern zu können.
Die Bündelung sämtlicher Informationen erfolgt schließlich im bankaufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP), in dem auch die endgültige kritische Würdigung der institutsspezifischen Klimarisiken enthalten wäre. In diesem Risikoprofil wären schließlich die Klimarisiken für die einzelnen Risikoarten (Adressenausfallrisiken (einschließlich Länderrisiken), Marktpreisrisiken, Liquiditätsrisiken, operationelle Risiken) zu benennen und zusammen mit dem Geschäftsmodell insgesamt zukunftsgerichtet zu bewerten.
Banken als Klimaschützer?
In Kapitel vier geht Weeber der interessanten Frage nach, welchen Beitrag die Finanzmärkte zur Abschwächung des Klimawandels leisten können – also den Möglichkeiten für ein Green Banking. Grüne Kapitalanlagen bieten aus seiner Sicht neben den Risiken auch Chancen. Etwa, wenn es um die Erschließung neuer Geschäftsfelder geht, in denen die gezielte Kreditvergabe für Investitionen in umwelt- und klimafreundliche Technologien getätigt werden, die die Folgen des Klimawandels bekämpfen: Umwelt- und Klimapolitik bieten damit auch ökonomische Chancen. Den zentralen Wachstumsmarkt sieht er im Bereich „Investitionen zur nachhaltigen Verringerung von Kohlendioxidemissionen“. Dazu zählen:
- erneuerbare Energien;
- energieeffiziente Immobilien;
- neue Logistiklösungen;
- Verbesserung der Energieeffizienz von Produktionsprozessen durch den Umstieg auf emissionsarme Technologien;
- Förderung der Elektromobilität;
- Ausbau der Netz- und Speicherinfrastruktur.
Innovative Unternehmen aus den Industriestaaten dürften davon, so die Prognose des Autors, tendenziell am ehesten profitieren. Der überwiegende Teil der dafür benötigten Finanzmittel soll im Rahmen sogenannter Green-Banking-Instrumente (unter anderem Green Bonds) aufgebracht werden. Die Nachfrage nach solchen Kapitalanlagen ist danach in letzter Zeit erheblich gestiegen. Der „Netherlands Sovereign Green Bond“ war etwa im Mai 2019 um fast das dreieinhalbfache überzeichnet.
Auf der Basis verschiedener Studien skizziert Weeber dannden Finanzbedarf für Deutschland, um die gesteckten Klimaziele bis zum Jahre 2050 zu erreichen – rund 2,3 Billionen Euro. Dabei würde ein Drittel auf den Bereich Verkehr, knapp 30 Prozent auf den Bereich Energieverbrauch in privaten Haushalten und im gewerblichen Bereich entfallen. Der Rest wäre für Investitionen im Infrastrukturbereich der Stromerzeugung und für effizientere Verfahren in der produzierenden Industrie notwendig. Der Bundesbanker weist in diesem Kapitel allerdings auch auf vorhandene Unschärfen hin, wie eine grüne Kapitalanlage genau definiert ist. So hält er es für notwendig, Referenzwerte für klimafreundliche bzw. klimaunfreundliche Anlageprodukte zu definieren.
Regulatorik mit im Boot
Sinnvollerweise geht Weeber im Kapitel fünf auf die regulatorischen Auswirkungen der gesamten Thematik ein. Aus seiner Sicht sind die Versicherer aus unterschiedlichsten Gründen „generell gut vorbereitet, die Klimarisiken beherrschen zu können“. Deshalb werden im Buch explizit nur die Risiken für die Banken betrachtet, obwohl auch bei Versicherungen Geschäftsmodelle unter Umständen zur Disposition stehen.
Die Aufsichtsbehörden haben sich, so Weeber mit durchaus kritischem Blick auf die eigene Branche, unter Verweis auf die bereits eingangs erwähnten Beiträge auf dem Bankenaufsichtssymposium „mit dem Thema Klimawandel bisher nur unzureichend beschäftigt“. Das von verschiedenen Zentralbanken gegründete Netzwerk „Central Banks and Supervisors Network for Greening the Financial System (NGFS)“ hat erst im April 2019 Empfehlungen für die Aufsichtsbehörden zum Umgang mit klimabedingten Risiken gegeben.
Das Kreditgewerbe hat sich mit der Auseinandersetzung von Kreditrisiken von durch den KIimawandel besonders betroffenen Unternehmen bisher eher zurückhaltend auseinandergesetzt und damit in den internen Prozessen weitgehend nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Im Rahmen des bundesweiten LSI-Stresstests 2019 wurde die Frage nach der Berücksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement von Banken zwar gestellt.
Nur ein Prozent der Banken berichteten seinerzeit allerdings von einer umfangreichen, aber zwei Drittel der Institute von einer nur geplanten oder gar nicht vorhandenen Berücksichtigung. „Für nicht nachhaltig funktionierende Geschäftsmodelle von Banken dürfte an dieser Stelle daher ein gewisses Risikopotenzial bestehen.“
Zudem steht für den Buchautor noch die Beantwortung der Frage aus, inwieweit die Risiken aus Klimaveränderungen die Finanzstabilität insgesamt betreffen – und dies nicht nur in Deutschland. So geht Weeber der Frage nach, welche Instrumente beim Thema Klimawandel für die Finanzmarktstabilität grundsätzlich zur Verfügung stehen. Abgerundet wird das Buch mit einem Forschungsausblick in Kapitel sechs.
Fazit
Der in der Essentials-Reihe gesetzte Rahmen (in diesem Fall gerade einmal 55 Seiten) erfordert eine Konzentration auf das Wesentliche. Damit waren Ausführungen zu den grundsätzlichen Ursachen des anthropogenen Klimawandels, aber auch seinen sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen nicht möglich. Mit der Lektüre lässt sich aber schnell ein gewisses Rüstzeug zur Thematik erarbeiten. Auch erhält der Leser viele Hinweise auf für das Thema relevante Quellenmaterial. Neben einer hilfreichen Begriffsdefinition und einer Übersicht über Risikoarten geht der Verfasser des Buches in einem Kapitel zudem speziell auf Chancen ein, die sich für Banken und Sparkassen ergeben.
Das ist zukunftsgerichtet und allemal besser als schwarzmalerisch über das Phänomen „Klimawandel“ zu jammern. Deutlich wird, dass die Aufsicht das gesamte Themenfeld künftig noch stärker in den Fokus ihrer Betrachtungen nehmen dürfte – was keine wirklich überraschende Perspektive ist, wie schon das Merkblatt der Bafin gezeigt hat. Zu den Zielgruppen der Veröffentlichung gehören neben Studenten und Dozenten der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Finanzmarkt deshalb gerade auch Mitarbeiter von Banken und Versicherungen.
Über das Buch
Joachim Weeber, Klimawandel und Finanzmärkte
Springer-Gabler Verlag, Wiesbaden 2020
Softcover (55 Seiten): 14,99 Euro,
ISBN-10: 3658289244, ISBN-13: 978-3658289249,
Ebook (46 Seiten): 4,99 Euro
ISBN 978-3-658-28925-6
Autor
Jürgen Janik ist Redakteur der Betriebswirtschaftlichen Blätter in Mannheim.