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Coronakrise / Fördergeschäft
Warum Maschinen auch bei Sturm weiterlaufen
Sparkassenberater haben bis Ende Mai 2020 mehr als 1,4 Millionen Gespräche mit Gewerbekunden geführt. Damit wurde die Hälfte der bisher bundesweit beantragten KfW-Förderkredite auf den Weg gebracht. Was hinter dieser Leistung steckt, zeigt ein Blick in den Maschinenraum des Fördergeschäfts.

Für Udo Neisens, Leiter Förderkreditgeschäft der Sparkasse Paderborn-Detmold, beginnt am 16. März 2020 eine neue Zeitrechnung: „An diesem Tag hat die Bundesregierung Förderprogramme in Aussicht gestellt und zugesagt, dass diese eine Woche später beantragt werden können“, erklärt Neisens. Das bedeutet, dass die Fördermittelabteilung der Sparkasse seit Mitte März unter Volldampf steht.

Die Gewerbekundenberater haben die Sorgen und Erwartungen ihrer Kunden mit voller Wucht getroffen: „Es hieß ja: Geht zur Hausbank und nehmt das Geld mit. Das geht natürlich nicht und hat oft genug dazu geführt, dass die Berater im Kundengespräch einiges aushalten mussten“, sagt Neisens.

Denn auch Förderkredite sind Kredite und müssen nach bestimmten Bedingungen geprüft werden. Dass sich die Förderbedingungen im laufenden Geschäft ständig veränderten, werten Förderexperten der Gruppe als „Riesenerschwernis“.

Sprache des EU-Beihilferechts ließ vieles offen

„Ohne Interpretationssicherheit kann man nicht schnell sein“, erläutert Neisens. Für Betriebe in Zwangspause ließen sich zum Beispiel keine Fortführungsprognosen errechnen. „Deshalb müssen wir präzise wissen, was etwa ein ‚Unternehmen in Schwierigkeiten‘ ist und bis zu welchen Ausfallwahrscheinlichkeiten wir Kunden akzeptieren können.“

Die KfW-Programme jedoch waren anfangs in der Sprache des EU-Beihilferechts verfasst und mit unbestimmten Rechtsbegriffen gespickt. Inzwischen wurde – auch auf Betreiben der Sparkassen und ihrer Verbände – nachgebessert.

In Paderborn-Detmold laufen zurzeit 80 Anträge auf KfW-Förderung: „Wir hätten mit mehr gerechnet, vielleicht kommt das noch“, sagt Fördermittelexperte Neisens. Stark gefragt seien hingegen Tilgungsaussetzungen, die keine Neuverschuldung erfordern.

Seit dem 17. April gilt zudem für Unternehmen, die KfW-Hilfen beantragen, ein Verbot von Ausschüttungen. „Mancher größere Betrieb nimmt deshalb von einer Förderung Abstand, um geschäftspolitisch flexibel zu bleiben“, erklärt Neisens. 

„Ohne Interpretationssicherheit kann man nicht schnell sein“, sagt Udo Neisens, Leiter Förderkreditgeschäft der Sparkasse Paderborn-Detmold.

Haftungsübernahme ist kein Freibrief

Vor der Arbeit der Beraterteams habe er höchsten Respekt, sagt Neisens. Denn zur Arbeitsbelastung, zur öffentlichen Erwartungshaltung und zur Emotionalität vieler Kunden komme die Verantwortung für die verwendeten Gelder erschwerend hinzu.

Laut Neisens haben viele alte Hasen unter den Beratern schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsbereitschaft der KfW gemacht, falls doch einmal ein Förderkredit ausfalle: „Kulanz ist da die Ausnahme – die Regel waren bisher harte Prüfungen.“ 

Selbst die neuen Schnellkredite mit einer hundertprozentigen Haftungsübernahme sind also kein Freifahrtschein für die Kreditgewährung der Sparkasse, weil sie rechtliche und prozessuale Risiken enthalten. Dafür müssen Sparkassen am Ende geradestehen können – diese Verantwortung nimmt ihnen bisher auch die KfW nicht ab.

Beraterwissen schützt die Kunden

„Was die Berater gerade aushalten, ist enorm“, sagt auch Frank Wenz. Er leitet in der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) das Förderkreditgeschäft. Der „LBBW-Corona-Ticker“ zähle bislang etwa 100 Updates für die Programme von KfW, Bürgschaftsbanken und weiteren Förderinstituten.

Die LBBW ist das Durchleitungsinstitut für das Fördergeschäft der Sparkassen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen sowie für die BW-Bank. Innerhalb von vier Wochen haben diese Institute gemeinsam ein Fördervolumen von 2,4 Milliarden Euro bewegt. 

Wenz erläutert, dass die Wachsamkeit der Berater sogar dann noch gefordert sei, wenn Anträge gestellt und vom jeweiligen Förderinstitut bewilligt seien: „Wir prüfen dann noch einmal bei den Zusagen der KfW, ob dort die Beträge, die Beihilfeerklärungen und alle Formalien richtig wiedergegeben sind.“

Für Kunden sei es hoch relevant, unter welches Beihilferegime ihr Antrag falle, erläutert der Förderexperte Wenz. Viele Förderungen seien kumulierbar. Werde dabei wegen einer falschen Rückmeldung die zulässige Höchstgrenze überschritten, begehe der Kunde unwissentlich Subventionsbetrug. 

Bundes- oder Landesförderung?

Die große Vielfalt der derzeitigen Förderprogramme – von KfW, Landesförderinstituten, Bürgschaftsbanken und Landwirtschaftlicher Rentenbank – beurteilen die befragten Förderexperten unterschiedlich. 

„Was die Berater gerade aushalten, ist enorm“, sagt Frank Wenz, Leiter Fördergeschäft  der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

LBBW-Experte Wenz lobt den „sehr automatisierten Prozess“ bei der Bewilligung von KfW-Förderkrediten: „Für Anträge bis drei Millionen Euro, die sich ja komplett auf die Risikoprüfung der Sparkassen stützen, können wir binnen Stunden einen fertigen Endkreditnehmervertrag an die Sparkasse schicken.“

Bei Landesförderprogrammen rechnet er hingegen mit ein bis zwei Wochen, je nach Bundesland. Udo Neisens von der Sparkasse Paderborn-Detmold sagt, er sehe in den Landesprogrammen ein Instrument, um Förderlücken des Bundes zu schließen – so werde etwa Nordrhein-Westfalen im Nachtragshaushalt ein Hilfsprogramm für Gründer beschließen.

Fördergeschäft wird bedeutsam bleiben

Laut Meinung beider Experten ist die sehr enge Zusammenarbeit zwischen Sparkassen, Durchleitungs- und Förderinstituten mit anfangs täglichen Telefonkonferenzen sehr hilfreich.

So konnten Praxisprobleme und Interpretationsfragen der Programme sofort angesprochen, schnell geklärt und auch neue massentaugliche Antragsprozesse entwickelt werden. Diese engen Arbeitskontakte wollen sie beibehalten, denn das Fördergeschäft werde auch in den nächsten Monaten stark gefragt sein. 

In den Sparkassen und ihren Durchleitungsinstituten bereiten sich Führungskräfte und Mitarbeiter schon auf die zweite Antragswelle vor, wenn die Tilgungsaussetzungen aufgezehrt sind.

Dass Sachkenntnis und Urteilskraft der Förderberater nicht nur Kunden, sondern auch die Steuerzahler schützen, zeigt der Vergleich mit den derzeitigen Zuschusshilfen der Bundesländer. Sie wurden ohne Prüfung einer Hausbank ausgezahlt – inzwischen werden aber immer mehr Betrugsfälle bekannt. Kontrolle ist eben besser, auch und gerade dann, wenn es schnell gehen soll.

Anke Bunz
– 26. Mai 2020