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Basel IV vor Ort (1)
Warum sich Beteiligungen (nicht) lohnen
Basel IV macht Beteiligungen, Nachrangkapital und andere Kapitalinstrumente teurer. Alle Banken dürfen nur noch den Kreditrisikostandardansatz anwenden. Das hat weitgehende Konsequenzen für die Überprüfung des Beteiligungsportfolios.

Mit der Überarbeitung des neuen Kreditrisiko-Standardansatzes ändert sich die Eigenmittelunterlegung für Aktien, nachrangige Verbindlichkeiten und andere Kapitalinstrumente grundlegend. Neben einer inhaltlichen Erweiterung verändern sich die Risikogewichte deutlich.

Für die Forderungsklasse „Beteiligungen“ sollen feste Risikogewichte gelten. Eigenkapitalinstrumente erhalten ein generelles Risikogewicht von 250 Prozent. Für nachrangige Verbindlichkeiten und andere Kapitalinstrumente ist ein Risikogewicht von 150 Prozent vorgesehen. Ergänzend bekommen künftig auch Verbindlichkeiten, die nicht als regulatorische Eigenmittel anrechnungsfähig sind, aber die Anrechnungsvoraussetzungen für TLAC erfüllen, ein Risikogewicht von 150 Prozent (siehe Abb. 1).

Auf Baseler Ebene ist der Standard „Total Loss Absorbing Capacity“ für global systemrelevante Banken vereinbart worden. Sein Ziel ist die Festlegung eines Mindestvolumens verlustabsorptionsfähiger Verbindlichkeiten.

Die Risikogewichte der Forderungsklasse gelten auch dann, wenn die in der Abbildung 1 dargestellten Produkte in den Investmentfonds eines Instituts enthalten sind. Im Zuge der Durchschau auf die jeweiligen zugrunde liegenden Positionen sind diese zu identifizieren und mit den neuen Risikogewichten zu belegen.

Die Bestimmungen zum Kapitalabzug bleiben für nicht systemrelevante Banken unverändert. Es erhöhen sich jedoch die Risikogewichte. So bekommen nicht wesentliche Finanzbeteiligungen grundsätzlich ein Risikogewicht von 250 Prozent, sofern sie nicht von den Eigenmitteln abgezogen werden.

Die Definition einer Beteiligungsposition erfolgt auf der Grundlage des wirtschaftlichen Gehalts des Finanzinstruments. Sie umfassen sowohl direkte als auch indirekte Beteiligungen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligung stimmberechtigt ist oder nicht.

Die aktuell gültige Definition stellt auch jetzt schon auf die wirtschaftliche Substanz ab, sodass es sich dabei um eine Konkretisierung handelt. Bei den indirekten Beteiligungen ist hervorzuheben, dass auch Beteiligungen an Objektgesellschaften als Bestandteil von Immobilienfonds vom steigenden Risikogewicht betroffen sein können.

Abbildung 2 zeigt am Beispiel einer Aktienbeteiligung bei einem börsennotierten Unternehmen, wie sich die Eigenmittelanforderungen verändern. Hinzuweisen ist an der Stelle darauf, dass unter bestimmten Voraussetzungen börsengehandelte Aktien den Anforderungen für Marktrisiken zu unterwerfen sind. Dies gilt dann, wenn das dem Handelsbuch zugeordnete Aktienportfolio besonders groß ist und die vorgesehenen Schwellenwerte überschritten werden.

Institute sind auf Grund strategischer Erwägungen an anderen Unternehmen oder Zentralinstituten des Verbunds beteiligt. Diese Kapitalbeteiligungen sind langfristiger Natur und dienen nicht dazu, Gewinne aus Wertsteigerungen der Beteiligungsunternehmen zu erzielen. In vielen Sparkassen umfasst die Forderungsklasse „Beteiligungen“ im Wesentlichen die des Verbunds.

In der Ostsächsischen Sparkasse Dresden (OSD) machen die Verbundbeteiligungen einen Anteil von knapp 30 Prozent aus. Darüber hinaus bestehen Funktions- und Kapitalbeteiligungen, die die Zusammenarbeit mit den Institutionen in der Region ermöglichen und nachhaltig die regionalen Wirtschaftsräume fördern. Die vorgeschlagene Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen um den Faktor 2,5 für alle strategischen Beteiligungen würde die Eigenkapitalanforderungen deutlich erhöhen.

Nachrangkapital

Basel IV sieht zudem vor, nachrangige Forderungen gegenüber Instituten und Unternehmen im Kreditrisikostandardansatz gleich zu behandeln. Danach müssen Positionen mit echter Nachrangabrede für den Insolvenzfall und TLAC-fähige Emissionen von global systemrelevanten Banken zwingend den nachrangigen Forderungen mit einem Risikogewicht von 150 Prozent zugewiesen werden. TLAC-Anleiheinstrumente werden zwischen herkömmlichen vorrangig unbesicherten Anleihen und nachrangigen Anleihen des Emittenten eingestuft.

Für die Anerkennung als TLAC ist die Erfüllung des sogenannten „Subordination“-Kriteriums zwingend: TLAC-Positionen müssen demnach grundsätzlich nachrangig gegenüber nicht TLAC-Positionen ausgestaltet sein. Die Schuldtitel sind damit „nicht-vorrangig“ in der Bail-in-Haftungskaskade.

Es stellt sich bei der Umsetzung in europäisches Recht die Frage, ob hier nur auf TLAC-Positionen von global systemrelevanten Banken abgestellt wird. Eine Beschränkung auf solche Investitionen ist unter Risikoaspekten nicht plausibel. So würden durch global systemrelevante Banken begebene „TLAC-Schuldverschreibungen“ das Risikogewicht von 150 Prozent erhalten, während „nicht vorrangige“ Schuldverschreibungen anderer Institute kein erhöhtes Risikogewicht erfahren.

Die Ausweitung der Forderungsklasse „Beteiligungen“ auf die berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten europäischer Prägung (MREL) sämtlicher Institute ist zumindest für deutsche Institute ebenso wenig sachgerecht. Aufgrund der in Deutschland seit dem 1. Januar 2017 geltenden Bail-in-Haftungsrangfolge („nicht vorrangig“ nach Paragraf 46f Abs. 6 KWG) würde mit einem Schlag der gesamte Bestand der bis zum 21. Juli 2018 durch deutsche Institute begebenen, unbesicherten Schuldtitel dem höheren Risikogewicht von 150 Prozent unterliegen.

Der Haftungsrang ist durch den deutschen Gesetzgeber mit dem Abwicklungsmechanismusgesetz – ohne nachträgliche Einflussmöglichkeit der Institute – gesetzlich festgelegt. Eine höhere Eigenmittelunterlegung war durch die investierenden Institute nicht intendiert.

Gemäß Bail-in-Haftungskaskade stehen „Plain-Vanilla-Senior-Unsecured-Verbindlichkeiten“ nach wie vor oberhalb der echten nachrangigen Verbindlichkeiten gemäß Paragraf 39 Insolvenzordnung (siehe Bafin-Veröffentlichung). Aus den genannten Gründen ist eine höhere Risikogewichtung von 150 Prozent auf berücksichtigungsfähige MREL-Verbindlichkeiten abzulehnen.

 

Spekulative Beteiligungen

Künftig werden spekulative, nicht börsennotierte Beteiligungen im Standardansatz eingeführt. Der Investor erwirbt diese in Erwartung erheblicher Gewinne aus einem kurzfristigen Weiterverkauf. Hierunter fallen auch Risikokapital- beziehungsweise ähnliche Beteiligungen, die einer gewissen Preisvolatilität unterliegen und in Erwartung wesentlicher künftiger Gewinne erworben wurden. Diese Beteiligungen sollen alle mit 400 Prozent risikogewichtet werden. Die OSD hat kein solches Investment. Es ist aber denkbar, dass bestimmte Handelsbuchpositionen mit einer geringen Marktliquidität darunterfallen.

Grundsätzlich sollte die Investition in eine Beteiligung mit der Absicht zur Gewinnerzielung dann kein höheres Risikogewicht nach sich ziehen, wenn diese einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont anstrebt, ehe durch eine Veräußerung ein Gewinn erzielt werden soll.

Weiterhin gibt es Beteiligungen im Rahmen staatlicher Programme, durch die das Kreditinstitut erhebliche Subventionen erhält und die einer gewissen staatlichen Aufsicht und gewissen Beschränkungen unterliegen. Diese sollen ein Risikogewicht von 100 Prozent bekommen. Auch hier hat die OSD aktuell kein Investment. Perspektivisch sind Beteiligungen ähnlich der Kreditvergabe für Infrastrukturmaßnahmen denkbar.

Fazit

Alle Banken können nur noch den Standardansatz zur Eigenmittelunterlegung von Beteiligungen anwenden. Dies verursacht deutlich höhere Risikogewichte von 250 Prozent und mehr statt des bisherigen Standards von 100 Prozent.

Das institutsindividuelle Management von Beteiligungsrisiko hat schon immer eine wichtige Bedeutung. Mit der Neuausrichtung der Eigenmittelunterlegung ist das Beteiligungsportfolio genauer unter die Lupe zu nehmen. Abgesehen von Aktien börsennotierter Unternehmen sind Beteiligungsinvestitionen in der Regel langfristige Investments. Insofern sind die möglichen Auswirkungen im Beteiligungsportfolio bei der Eigenkapitalplanung leicht zu erfassen (siehe BBL 10/2019: Planungsunsicherheiten?).

Autoren
Cornelia Pospischil ist Leiterin des Corporate Center I\Gesamtbanksteuerung\Aufsichtsrecht und Meldewesen bei der Ostsächsischen Sparkasse in Dresden.
Silvio Andrae ist Abteilungsdirektor beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in Berlin.

Silvio Andrae|Cornelia Pospischil
– 8. Januar 2020