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DSZ: Frau von der Grün, die Sparkasse Nürnberg hat ein internes Mentoringprogramm aufgelegt, das, so der Name, „Frauen in Führung“ bringen soll. Warum?
von der Grün: 2009 gab der Vorstand die Zielsetzung aus, den Anteil weiblicher Führungskräfte von damals 15 auf 25 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen. Elementarer Bestandteil des Maßnahmenkatalogs, den wir dafür erarbeitet haben, ist das Mentoring. Ich selbst hatte in ganz jungen Jahren gute Erfahrungen damit gemacht. Der kaufmännische Leiter eines Maschinenbauunternehmens hat mich unter seine Fittiche genommen. Schon damals konnte ich nicht verstehen, warum Frauen nicht genauso gut in Führung sein sollen wie Männer. Es sind damals Sachen bei mir getriggert worden, die mein Verhalten entscheidend beeinflusst haben. Zudem war gut, dass jemand da war, der mich unterstützte und der vor allem an mich glaubte.
DSZ: Qualifizierte Frauen sollen also von erfolgreichen Führungskräften der Vorstands- und Bereichsleiterebene lernen. Wer darf da mitmachen?
Von der Grün: Vor dem ersten Durchgang des S-Mentoring-Programms hatte ich alle unsere Mitarbeiterinnen angeschrieben, weil ich eine Art Aha-Erlebnis auslösen wollte. Auch die 59-Jährige, die bald in Rente geht, sollte wissen, da passiert etwas. Beworben haben sich schließlich rund 50 Frauen.
DSZ: War das viel oder wenig?
Von der Grün: Am Ende war es genau richtig. Den Bewerberinnen, die noch sehr jung waren, konnten wir guten Gewissens absagen, da die Sparkasse für die Anbahnung ihrer Karriere zunächst andere Bausteine bereithält. Interessentinnen sollten eine gute betriebswirtschaftliche Qualifikation haben und eine Führungsrolle entweder anstreben oder als Führungskraft die nächste Ebene erreichen wollen. Zudem sollten die Ausgewählten aus unterschiedlichen Bereichen kommen und dann auch gut zu ihren jeweiligen Tandempartnern passen, was Lernziele und Persönlichkeit betrifft.
DSZ: Sie haben zwölf Tandems gebildet. Mussten Sie für die Mentorenrolle sehr im Hause trommeln?
Von der Grün: Die vier Vorstände hatten von vorneherein zugesagt. Von den 24 Bereichsleitern hat sich der Großteil sofort beworben.
DSZ: Es gab also viel Rückenwind für das Projekt.
Rehberger: Absolut. Und ich kann aus meiner eigenen Erfahrung als Mentee des ersten Durchgangs sagen: Die Mentoren gaben sich sehr viel Mühe. Man hatte fast den Eindruck, es sei ein kleiner Wettbewerb ausgebrochen, wer seinem Schützling wohl am meisten bietet. Ich weiß, wie voll der Terminkalender eines Vorstands ist, und sehe die Zeit, die er sich für mich genommen hat, als ganz große Wertschätzung an. Auch heute, wo ich selbst Mentorin bin, könnte ich auf meinen ehemaligen Mentor jederzeit mit einem Thema zugehen.
Von der Grün: Aber die Mentoren lernen ja auch selbst vom Austausch. Sie kriegen die eine oder andere frische Idee und können sehr stark in die Belegschaft hineinhören. Sie erleben Situationen und erfahren Dinge, die ihnen ansonsten vorenthalten blieben.
DSZ: Die Tandems treffen sich ein Jahr lang einmal im Monat...
Rehberger: …aber auch viel öfter, wenn eine Situation zu besprechen ist oder etwas Besonderes ansteht. Wir Mentoren versuchen, unsere Schützlinge viel mitzunehmen, auf Sitzungen, zum Jour fixe, zu offiziellen Anlässen oder Treffen mit Kunden. Schließlich sollen die Mentees Kontakte knüpfen und über den eigenen Tellerrand blicken. Auf diese Weise erleben Mitarbeiterinnen einer Geschäftsstelle, die im Vertrieb gute Arbeit machen, oft zum ersten Mal, wie breit das Sparkassengeschäft eigentlich ist. Das ist eine riesige Bereicherung.
DSZ: Dabei bleiben die Mentees aber Mitläufer.
Rehberger: Nicht unbedingt. Ich leite seit fünf Jahren einen Arbeitskreis von Sparkassen in Mittelfranken, an dem auch stellvertretende Vorstandsmitglieder beteiligt sind. Und meine Mentee hat diesen Arbeitskreis zuletzt komplett für mich moderiert, mit meiner Vorbereitung und Unterstützung. Ich fand das sehr mutig und hätte sie nie dazu gezwungen. Das war für uns beide eine sehr gute Erfahrung.
DSZ: … die aber auch Arbeit macht.
Von der Grün: Natürlich, auch in der Organisation. Es muss sich einer verantwortlich um das Projekt kümmern. Zunächst will es im Haus vorgestellt werden, es folgen Bewerbungs-, Auswahl- und Matchingprozesse, ein Workshop für die Mentees zum Kennenlernen, ein Workshop für die Mentoren, für die diese Rolle in aller Regel ja auch neu ist. In einer Auftaktveranstaltung lernen sich die Tandems kennen. Jede Teilnehmerin formuliert konkrete Ziele, die zur Halbzeit gesichtet und schließlich evaluiert werden. Am Ende des Mentoring-Jahres wartet ein Abschlusstreffen, mit Zertifikatsübergabe. Hinzu kommen ausgesuchte Seminare und ein von den Mentees organisierter Besuch bei Unternehmen mit weiblichen Vorständen. Doch bei allem Engagement ist mir wichtig zu erwähnen, dass ich auch eine gewisse Leichtigkeit im Programm anstrebe. Es soll allen Spaß und Freude machen. Bisher ist das sehr gut gelungen.
DSZ: Derzeit befindet sich das Programm, leicht modifiziert und weiterentwickelt, im dritten Durchgang. Die Bewerberzahlen haben abgenommen; es sind auch nur noch sieben Tandems gebildet worden.
Von der Grün: Das halte ich für eine natürliche Entwicklung. Es gibt auch nicht unbegrenzt freie Führungspositionen für Mitarbeiterinnen nach Abschluss des "S-Mentoring-Programms". Und darum geht es ja. Fast die Hälfte der Mentees des ersten Durchgangs haben mittlerweile eine Führungsaufgabe übernommen oder ihre Führungsspanne ausweiten können. Aus dem zweiten Durchgang, der erst vor zwei Jahren abgeschlossen wurde, sind auch schon drei Kolleginnen in Führung. Besonders erfreulich: Eine Mitarbeiterin war bei Übernahme ihrer Führungsaufgabe bereits über 50 Jahre alt.
Programm könnte in einen Pool münden
DSZ: Man hatte sich ursprünglich auf drei Durchgänge verständigt. Wie soll es weitergehen?
Von der Grün: Ich kann mir vorstellen, das Angebot auch für männliche Mitarbeiter zu öffnen. Erfahrene Mentoren haben wir ja jetzt. Diese könnten eine Art Mentorenpool bilden. Und wenn ein geeigneter Mitarbeiter − egal, ob weiblich oder männlich − sich eine Mentorin oder einen Mentor wünscht, wäre die Idee, künftig auf diesen Pool zurückzugreifen.
DSZ: Ist das S-Mentoring-Programm der Sparkasse Nürnberg ein Modell, das Schule machen könnte?
Von der Grün: Dies ist bereits der Fall. Es gibt viel Interesse im Deutschen Sparkassen- und Giroverband, aber auch von Unternehmen aus der Region. Ich wurde schon einige Male angefragt, einen Vortrag über unser Konzept zu halten. Die Stadt Nürnberg und die Kreissparkasse Augsburg haben das Programm sogar nach unserem Vorbild aufgelegt.
DSZ: Warum braucht es diese besondere Förderung für Frauen überhaupt?
Von der Grün: Antworten darauf habe ich, ganz am Anfang des Projekts, mithilfe eines Workshops gesucht, zu dem ich eine bunt gemischte Gruppe von 15 Frauen eingeladen hatte: Halb- und Ganztagskräfte, mit und ohne Kinder, zum Teil in Führungspositionen. Bei der Diskussion kam heraus: Frauen müssen, viel mehr als Männer, den Spagat zwischen Familie und Beruf schaffen. Und: Es gibt immer noch stereotype Vorstellungen in den Köpfen beider Geschlechter und zu wenige alternative Rollenvorbilder. Bald war klar: Frauen wollen durchaus führen, haben jedoch andere Maßstäbe an sich selbst. Wenn ein Mann denkt, es reiche, 50 Prozent der geforderten Inhalte zu beherrschen, um einer neuen Position gerecht zu werden, glaubt eine Frau, sie müsse 90 Prozent beherrschen. Frauen brauchen also mehr Sicherheit, aber Kunststück: Männer sind uns Jahrhunderte voraus, was berufliche Führung betrifft. Die Ergebnisse aus dem Workshop deckten sich im Übrigen komplett mit einer Untersuchung, die die Nassauische Sparkasse bei einer externen Unternehmensberatung in Auftrag gegeben hatte. Manche unserer Frauen sagten auch: „Mir war gar nicht bewusst, dass mein Arbeitgeber eine Frau als Führungskraft wollen könnte.“
DSZ: Und die Sparkasse Nürnberg will das?
Von der Grün: Der Anstoß, mehr Frauen in Führung zu bringen, ist eine Initiative des Vorstands. Er hat sich eindeutig positioniert und es der Bereichsleiterebene so kommuniziert. Dies ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen der Aufgabe.
DSZ: Von oben kommt oft grünes Licht für Innovationen und neue Projekte, die Widerstände sind dann im mittleren Management zu spüren.
Von der Grün: Unter den Männern der mittleren Ebene gibt es sicher Ängste oder Befürchtungen, wenn Frauen verstärkt im Fokus stehen. Auch ist oft von einer homosozialen Rekrutierung die Rede, will heißen, dass sich Chefs Mitarbeiter ins Team holen, die ihnen selbst ähnlich sind. Beides ist verständlich. Aber tatsächlich spürbar war das in der Sparkasse Nürnberg nicht.
Rehberger: Was heute allerdings spürbar ist, ist eine positiver gewordene Einstellung. Männer sagen jetzt: Frauen in der Führungsrolle, das ist doch ganz selbstverständlich – und das hätten sie vor sechs Jahren, als das Projekt startete, vielleicht noch nicht gesagt. Ein Kulturwandel ist durchaus zu erkennen.
Von der Grün: Das ganze System wird sich nicht in wenigen Jahren grundlegend verändern. Ich habe aber großes Vertrauen in den Prozess. Jedoch muss nachhaltig am Thema gearbeitet und immer wieder sensibilisiert werden. Deshalb bieten wir zum Beispiel einschlägige Seminare und Dialoge für karrierebewusste Frauen aber auch zu Genderthemen für beide Geschlechter an. Meine Idee ist ein spezieller Workshop für Männer, um explizit einmal deren Situation zu sehen und wie es ihnen mit dem Thema „Frauen in Führung“ geht. Wir werben auch darum, dass Männer in Elternzeit gehen. Und wir haben die Führungsleitlinien angepasst: Bei den Rückmeldungen an die Führungskräfte – im Rahmen unserer Feedbackinstrumente – ist das Thema "Frauenförderung" explizit aufgenommen.
DSZ: Kulturwandel ist gut, konkrete Angebote sind es aber auch. Für viele Frauen bedeutet Förderung in erster Linie, dass sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können. Was tut die Sparkasse Nürnberg dafür?
Von der Grün: Auch hier hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Wir haben unsere Familienfreundlichkeit von der Hertie-Stiftung zertifizieren lassen. Die Möglichkeiten für das mobile Arbeiten wurden ausgeweitet. Es gibt zudem bereits acht Führungskräfte in Teilzeit.
Rehberger: Darüber hinaus gibt es im Haus viele kleinere Angebote zum Gesundheitsmanagement und zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, etwa ein Kinderbetreuungsprogramm während der Sommerferien. Frauen in Elternzeit werden mithilfe eines Forums und an einem „Müttertag“ sachlich-fachlich auf dem neuesten Stand gehalten und über Weiterbildungsmöglichkeiten informiert, die man im Übrigen auch in der Elternzeit nutzen kann.
DSZ: Wie könnte die ideale Zukunft aussehen?
Von der Grün: Was mir vorschwebt, sind Lebensphasenmodelle. Wenn die Kinder klein sind, sollten die Eltern Arbeitszeit reduzieren können, um danach, wenn sie wollen, beruflich wieder verstärkt durchzustarten. Früher war das unmöglich: Hatte man einmal die Arbeitszeit reduziert, war es vorbei mit dem Aufstieg.
Rehberger: Ich glaube, da passiert auch viel in den Köpfen der Frauen. Gab es früher noch häufiger die Entscheidung für Kinder oder Karriere, überlegt man heute: Geht denn nicht beides – wenn auch zu seiner Zeit. Es sollte möglich sein, sich aktiv für die Familie zu entscheiden, aber in der Elternzeit auch dranzubleiben an den Themen des Jobs, damit später, wenn wieder mehr Zeit für den Beruf da ist, nicht viele Jahre verloren gegangen sind. Aber: Es sollte jeder selbst über sein Leben entscheiden können, es gibt da kein Gut oder Schlecht. Wichtig ist, die Wahl zu haben und die Möglichkeiten zu kennen.
Von der Grün: Meine Vision ist: Gute Frauen und gute Männer gestalten gemeinsam die Führungsarbeit. Gute Männer und gute Frauen gestalten gemeinsam die Elternarbeit.
Zu den Personen:
Lydwina von der Grün ist Organisationsentwicklerin, Interne Beraterin und Coach im Bereich Personal und in dieser Rolle auch für das Change Management in der Sparkasse Nürnberg zuständig. Sie hat das S-Mentoring-Programm „Frauen in Führung“ ins Leben gerufen.
Petra Rehberger ist Leiterin Vertriebsmanagement und stellvertretende Bereichsleiterin im Firmenkundenmarketing. Die Diplom-Betriebswirtin und Mutter eines sechsjährigen Sohnes war im ersten Durchgang des S-Mentoring-Programms „Frauen in Führung“ Mentee und hat im dritten Durchgang die Rolle der Mentorin übernommen.