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Geschichte
„Ein dunkles Kapitel“
Historiker Andreas Stefan Hofmann erforscht die Geschichte der Stadtsparkasse Nürnberg während der NS-Zeit von 1933 bis 1945.

Die Stadtsparkasse Nürnberg trug während der NS-Diktatur den offiziellen Namen „Sparkasse der Stadt der Reichsparteitage“. Inwieweit war das Institut zwischen 1933 und 1945 in den Nationalsozialismus verstrickt?

Der Historiker Andreas Stefan Hofmann hat diese Frage auf Quellenbasis beantwortet und im Auftrag der Sparkasse Nürnberg einen wissenschaftlichen Beitrag verfasst. Damit stelle sich das Geldinstitut im Vorfeld seines 200-jährigen Jubiläums im neuen Jahr seiner NS-Vergangenheit, teilt die Sparkasse mit.

Hofmann konnte bei seiner etwa einjährigen Recherche auf reichhaltige Quellen zurückgreifen. Geschäftsberichte und Protokolle der Verwaltungsratssitzungen jener Jahre sind nahezu lückenlos vorhanden.

Anschauliches Bild einer Sparkasse in der NS-Zeit

Überliefert sind zudem interne Informationen zu Personal, Organisations-, Schutz- und Werbemaßnahmen. All das ergibt zusammen mit den Akten der Stadtverwaltung und dem Manuskript eines Sparkassenmitarbeiters ein anschauliches Bild einer deutschen Großsparkasse im Nationalsozialismus.

Filiale der Stadtsparkasse Nürnberg Anfang der 1930er Jahre.

Im Fokus von Hofmanns Untersuchung steht die Frage, inwieweit die Stadtsparkasse Nürnberg als Kapitalsammelstelle für die Nationalsozialisten fungierte und wie sich die NS-Diktatur auf die Geschäftsentwicklung, das Personal, interne Prozesse und den Vertrieb auswirkte.

Mit Blick auf die Ergebnisse sagt Matthias Everding, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Nürnberg, die zwölf Jahre der NS-Diktatur seien „ein dunkles Kapitel für die Sparkasse Nürnberg“, das aber zur Unternehmensgeschichte gehöre.

Vorstandschef Everding: „Beeindruckender Beitrag“

„Eine Auseinandersetzung mit unserem Wirken in diesem Unrechtsregime ist notwendig, um auch für die heutige Zeit daraus zu lernen“, sagt Everding. Historiker Hofmann sei „ein beeindruckender Beitrag gelungen“.

Vor allem die persönlichen Schilderungen des damaligen Sparkassenmitarbeiters Konrad Schmidt machten in Hofmanns Darstellung den Alltag in der Sparkasse während des Dritten Reichs sehr anschaulich, erläutert Everding.

Stadtsparkasse Nürnberg war 1930 schon Großsparkasse

Die Stadtsparkasse Nürnberg wurde als erste Sparkasse in Bayern im Jahr 1821 gegründet. Das damals winzige Institut sollte vor allem der Altersvorsorge der Bevölkerung dienen. Im Jahr 1930 hatte sich das Institut zu einer Großsparkasse entwickelt.

Mit einer Bilanzsumme von 82 Millionen Reichsmark, 13 Zweigstellen und mehr als 240 Mitarbeitern war die Stadtsparkasse Nürnberg in Bayern und deutschlandweit führend. Ab 1937 trug das Haus den offiziellen Namen „Sparkasse der Stadt der Reichsparteitage“.

Blick in die Schalterhalle der Stadtsparkasse um 1940.

Die deutschen Sparkassen konnten ihre Geschäftstätigkeit im nationalsozialistischen Deutschland erheblich ausbauen. Das Sparvermögen der Deutschen lag hauptsächlich bei Sparkassen, die das Regime daher als „Kapitalsammelstellen“ instrumentalisierte.

Dieses Kapital diente dann der Rüstungsfinanzierung, unter anderem über die sogenannten Reichsanleihen, die zuletzt als einzige Anlagemöglichkeit für Geldinstitute übrig blieben. Die enormen Einlagenzuwächse kaschierten die schleichende Geldentwertung und eine strikte Reglementierung nach außen.

Sprunghafte Geschäftsentwicklung auch während der Kriegsjahre

Die Bilanz der Stadtsparkasse Nürnberg betrug bei Kriegsende 628 Millionen Reichsmark nach 82 Millionen Reichsmark im Jahr 1933. Der Gesamteinlagenstand wuchs während der Jahre von 1933 bis 1945 von 76 Millionen auf 599 Millionen Reichsmark an, dabei stieg der Anteil der Spareinlagen von 63 Millionen auf 513 Millionen Reichsmark.

Wirkung zeigte hier der von den Nationalsozialisten ideologisch vereinnahmte Spargedanke: Sparen wurde zur Pflichterfüllung in der Volksgemeinschaft erklärt. Das zeigte sich auch in der Sparkassenwerbung: „Der deutsche Soldat kämpft an der Front, das deutsche Volk spart in der Heimat. Beide helfen Deutschland zum Sieg!“, hieß ein Slogan.

Ziel war es, Kleinsparern möglichst viel Kapital für die Kriegsfinanzierung zu entlocken. Ende des Krieges hatte die Stadtsparkasse 65 Prozent ihrer Wertpapiere in Reichs- und Kriegsanleihen angelegt.

Die Kriegsfolgen behinderten also weniger die Geschäftsentwicklung als die Betriebsabläufe. Eine komplette Schließung der Stadtsparkasse gab es jedoch nie.

Kundendokumente und wichtige Unterlagen zur Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs wurden laufend kopiert und an Standorten außerhalb Nürnbergs in Sicherheit gebracht. Schäden nach Bombenangriffen wurden notdürftig repariert und zum Kriegsdienst eingezogene Männer durch weibliche Arbeitskräfte ersetzt.

Anzahl der Parteimitglieder stieg in der Belegschaft

Nach der Machtübernahme änderten sich die Sparkassenordnung und die Machtverhältnisse beim Gewährträger im Nürnberger Stadtrat und damit auch die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Stadtsparkasse. Ab 1938 hatten NSDAP-Mitglieder acht von zehn Sitzen inne. Der Sparkassenleiter und sein Stellvertreter waren während der NS-Diktatur immer parteilos.

Auch beim Personal der Stadtsparkasse stieg im Laufe der Jahre die Anzahl der Parteibuchinhaber. Bei Stellenbesetzungen und Karriere war nicht mehr die Qualifikation ausschlaggebend.

Laut den Zahlen der amerikanischen Militärregierung waren zu Kriegsende unter den 454 Angestellten der Sparkasse insgesamt 185 Mitglieder der NSDAP oder zugehöriger Organisationen.

Exakte Angaben über die Anzahl von aus politischen und rassenideologischen Gründen entlassenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegen nicht vor, doch sind solche Entlassungen belegt.

In diesem spannungsgeladenen Innenverhältnis zwischen parteilosen Beamten und teils unqualifizierten Parteigenossen wurde über parteiliche Pflichtveranstaltungen wie sogenannte Schulungsabende, Betriebsappelle und Festakte die Indoktrination der Belegschaft weiter vorangetrieben. Für mehr Kameradschaftlichkeit sollten zudem Betriebssportangebote, warmes Mittagessen und finanzierte Weiter- und Fortbildungen sorgen.

Werbung um 1940.

Mitwirkung beim Einzug jüdischen Vermögens

Insbesondere die Agitation von Julius Streicher, Gauleiter Frankens und Herausgeber der judenfeindlichen Hetzschrift „Der Stürmer“, sorgte dafür, dass in Nürnberg die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens besonders rücksichtslos betrieben wurde.

Seit der Machtübernahme war es der Stadtsparkasse verboten, Kredite an Juden zu vergeben. Juden wurden schrittweise aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben verdrängt, ihre Besitztümer und Vermögen wurden enteignet.

Die Stadtsparkasse Nürnberg war in diesen „Arisierung“ genannten Enteignungsprozess eingebunden. Das Institut führte zahlreiche „Sperrkonten für die Arisierung“ und sogenannte Hausverwaltungskonten, die ehemals Eigentum von Juden gewesen waren.

Die Gestapo bezog die Stadtsparkasse bei der finanziellen Abwicklung der Arisierung mit ein. Die Umsetzung dieses beispiellosen staatlichen Raubzugs wäre ohne das Geldinstitut nicht möglich gewesen.

Stadtsparkasse profitierte von den Enteignungen

Die Stadtsparkasse profitierte selbst von den Enteignungen jüdischer Bürger: Zwei Grundstücke, auf denen die Sparkassenzweigstelle 9 (Allersberger Straße/Wiesenstraße) zunächst nur Mieter war, fielen nach ihrer Enteignung zunächst dem Reich zu. Danach wurden sie der Sparkasse über einen Treuhänder zu einem niedrigen Einheitspreis zum Kauf angeboten.

Die Sparkasse erwarb die Grundstücke im Jahr 1944, ihre Eigentumsrechte wurden jedoch nie ins Grundbuch eingetragen. Die früheren jüdischen Besitzer und die Stadtsparkasse schlossen 1950 im Rahmen der Entnazifizierung vor der Wiedergutmachungsbehörde einen rechtskräftigen Vergleich, die Eigentumsrechte gingen vollständig zurück an die früheren Besitzer.

Die Stadtsparkasse erwarb daraufhin die im Krieg zerstörten Grundstücke 1953 nochmals legal zu einem angemessenen Preis und ist seitdem auch als Eigentümerin im Grundbuch genannt.

Historische Einordnung der Ergebnisse

Antonia Landois, Historikerin und Archivarin im Stadtarchiv Nürnberg, erklärt, Hofmanns Beitrag schließe „eine Forschungslücke, da nun erstmals sowohl die Rolle der Stadtsparkasse in der ‚Stadt der Reichsparteitage‘ als auch ihre Entwicklung von 1933 bis 1945 detailliert und auf breiter Quellenbasis nachvollzogen werden können“.

Die Nazifizierung der Institution, die Zunahme der Bilanzsummen und deren Indienststellung für die Kriegsfinanzierung sowie die direkte und indirekte Profitnahme durch enteignetes Eigentum jüdischer Mitbürger seien damit „vorbildlich aufgearbeitet“, so Landois.

Historiker Hofmann erläutert: „Schon unmittelbar nach der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 zeichnete sich das Kriegsvorhaben ab, zu dessen Umsetzung es Kapital benötigte. Die Sparkassen, die sich im fortdauernden ‚Dritten Reich‘ zunehmend als ‚Kapitalsammelstellen‘ etablierten, erwiesen sich als unerlässliche Stütze bei der Kriegsfinanzierung.“

Am Beispiel der Nürnberger Sparkasse sei dies besonders deutlich geworden, so der Historiker. Dem Institut sei es gelungen, nach dem Jahr 1900 zur modernen Großsparkasse aufzusteigen: „Nach der Bankenkrise von 1931/32 konnte sie eine Konsolidierung erreichen und profitierte ab 1933 von den Bestimmungen der Nationalsozialisten, indem sie ihre Bilanzsumme auf nie gekannte Höhen steigerte“, so Hofmann.

Es sei „verblüffend“, dass selbst der Kriegsausbruch an dieser Entwicklung nichts geändert habe, sie sogar noch intensivierte, wie die Vermehrung der Gesamteinlagen auf 598,5 Millionen Reichsmark zeige.

Dieser „kometenhafte Anstieg“ binnen zwölf Jahren überrasche auch noch 75 Jahre nach Kriegsende und mache deutlich, in welcher Weise Sparkassen im nationalsozialistischen Deutschland profitierten und welch wichtige Rolle die Institute im Rahmen der „geräuschlosen Kriegsfinanzierung“ spielten, so der Historiker.

Andreas Stefan Hofmanns Untersuchung „Stadtsparkasse Nürnberg 1933 – 1945“ ist am 18. Dezember 2020 in den jährlich erscheinenden „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“ (MVGN) erschienen.

Hofmann studierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Neuere und Neueste Geschichte, Neuere Bayerische und Fränkische Landesgeschichte und Soziologie und wurde 2017 zum Dr. Phil. promoviert. Seit 2018 arbeitet er als freiberuflicher Wissenschaftler. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus sowie die fränkisch-bayerische Regional- und Wirtschaftsgeschichte. 

30. Dezember 2020