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Coronakrise / Stiftungen
Gutes tun wird schwieriger
Nullzinsen, Dividendenkürzungen und extreme Kursschwankungen erschweren den Stiftungen der Sparkassen die Geldanlage. Viele Projekte können wegen der Hygieneregeln während der Pandemie nicht stattfinden. Die Stiftungen halten an ihrem Engagement fest und setzen auf Kreativität und Flexibilität.

Das diesjährige Schuljahresabschlusskonzert der Kreismusikschule Dahme-Spreewald werden deren Schüler sicher noch lange in Erinnerung behalten. Mitte Juni gaben die jungen Musiker auf einer großen Leinwand ihr erstes digitales Konzert und bewiesen, dass vieles geht, auch wenn wegen einer Pandemie gar nichts mehr geht.

Nach wochenlangem Lockdown präsentierten sie auf dem Marktplatz im brandenburgischen Lübben vor Rathaus und beleuchteter Kirche die erste öffentliche Veranstaltung seit März. Vorausgegangen war eine für die Musikschüler ungewöhnliche Zeit: Wochenlang blieb ihre Musikschule geschlossen, Chor- und Tanzproben fielen aus, nur zum Teil konnte Online-Unterricht das gewohnte Programm ersetzen. Und dennoch stellten die Musiker in sechs Wochen ihr „Onlive-Programm“ auf die Beine.

Das Engagement fand viel Anerkennung. In den Pausen zeichnete der Förderverein Lübbener Musikschüler Schüler und Lehrer für ihre Leistungen und ihren Einsatz aus. Auch die Mittelbrandenburgische Sparkasse unterstützt den Verein mit einer ihrer drei Stiftungen.

Der Verein selbst hatte die Premiere ebenfalls tatkräftig unterstützt, etwa bei der Produktion der Musikvideos. Ein Vereinsmitglied stellte zudem seine Wohnung als Film- und Tonstudio zur Verfügung. Kleiner Trost für die engagierten Schüler und Lehrer: Im Netz war ihr Konzert noch mehrere Monate zu sehen und zu hören.

Seit Ausbruch der Pandemie fällt es wegen der zahlreichen neuen Abstands- und Hygieneregeln deutlich schwerer, Gutes zu tun. Hinzu kommt, dass die lang anhaltende Niedrigzinsphase, die zuletzt extremen Ausschläge an den Börsen und die Dividendenausfälle oder -rückgänge die Kapitalanlage der Stiftungen deutlich komplizierter machen.

Covid-19 im Alltag

Für Jakob Rolles, stellvertretendes Mitglied des Vorstandes der Mittelbrandenburgischen Sparkassen und Vorsitzender der Vorstände der drei hauseigenen Stiftungen, ist in der Krise vor allem Kreativität gefragt. Und doch müssen viele Projekte wegen der Pandemie ausfallen. Das gilt etwa für die von der Sparkasse geförderten und sehr beliebten Auslandsstipendien. Bevorzugte Destinationen wie die USA und Australien hatten ihre Grenzen geschlossen, einige Schüler mussten zu Hause bleiben.

 

Jakob Rolles, MBS: „Wir bekommen weniger Anträge als 2019, dennoch sind Fördermöglichkeiten weiterhin gegeben.“

 

„Wir bekommen weniger Anträge als 2019“, sagt Rolles im Gespräch mit der SparkassenZeitung. Zudem verschärfe die Kapitalmarktsituation die Lage. Standen im vergangenen Jahr noch 400.000 Euro zur Verfügung, werden es in diesem Jahr  300.000 Euro sein.

Fördermöglichkeiten gebe es dennoch auch weiterhin. Das Kapital der drei Stiftungen liege im unteren zweistelligen Millionenbereich. Trotz der Niedrigzinsphase habe man große Rücklagen aus den guten Jahren und könne die Förderanträge gut bedienen. 

Dass auch kleinere Institute Großes auf die Beine stellen, zeigt das Beispiel der Sparkasse Attendorn-Lennestadt-Kirchhundem im Sauerland. Als einer der größten regionalen Förderer gab die Sparkasse im vergangenen Jahr rund 180.000 Euro für Veranstaltungen, Sportevents, die Kunst- und Kulturförderung, das Brauchtum, die Unterstützung der Jugend, Bildung und für Soziales aus. Weitere 500.000 Euro flossen als Zustiftung in die Stiftung der Sparkasse für Attendorn, Lennestadt und Kirchhundem.

 

Der Skywalk am Biggesee im Sauerland, gefördert von der örtlichen Sparkasse als Leuchtturmprojekt, fand auch in Tourismusmedien Anerkennung.

 

Damit hat sich das Stiftungskapital seit der Gründung Ende 2011 mehr als vervierfacht und lag zuletzt bei 3,5 Millionen Euro. Im Fokus stehen nachhaltige Leuchtturmprojekte mit langfristiger Strahlkraft für die Region. Gefördert wurde zum Beispiel die Aussichtsplattform „Biggeblick“, die von einem Tourismusmagazin unter die „krassesten Skywalks der Welt“ gewählt wurde.

Mit „Heimvorteil“ durch die Krise

Im laufenden Jahr werden die Sauerländer aus aktuellem Anlass auf eine Kapitalerhöhung verzichten. „Unter dem Motto ,Heimvorteil‘ greift die Sparkasse mit insgesamt 250.000 Euro Vereinen unter die Arme, die bedingt durch die Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind“, sagt Heinz-Jörg Reichmann, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Attendorn-Lennestadt-Kirchhundem. Profitieren sollen die 476 Vereine im Geschäftsgebiet mit Beträgen zwischen je 250 und 1000 Euro.

 

Heinz-Jörg Reichmann, Sparkasse Attendorn-Lennestadt-Kirchhundem: „Unter dem Motto ,Heimvorteil‘ greifen wir Vereinen unter die Arme, die bedingt durch die Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind.“

 

Mit der Geldanlage von Stiftungen kennt sich Robby Pietschmann bestens aus. Der Leiter Institutionelle Kunden und Stiftungsexperte bei der zur Mittelbrandenburgischen Sparkasse gehörenden Weberbank beschäftigt sich schon seit 16 Jahren mit dem Thema, nicht nur für das eigene Haus. Die Weberbank betreut mehr als 150 externe Stiftungen, darunter viele von Kirchen und der Wohlfahrtspflege. Der Experte zeigt sich überzeugt, dass die Pandemie Spuren hinterlassen werde.

„Wegen vorübergehender Kursverluste sind Schmälerungen des Kapitalstocks möglich“, sagt Pietschmann. Im Schnitt hielten Stiftungen heute 30 bis 50 Prozent Aktien im Portfolio, bei neu gegründeten Stiftungen seien es sogar 50 Prozent. Ausfall oder Kürzung von Dividenden drückten die Anlageerträge in diesem Jahr, es stehe weniger Geld für rein ertragsfinanzierte Projekte zur Verfügung.

 

Robby Pietschmann, Weberbank: „Stiftungen waren früher geschlossene Communities, die nur ihre eigenen Ziele verfolgten. Heute wird viel stärker kooperiert, um auch große Projekte zu ermöglichen.“ 

 

Laut einer Studie benötigen viele Stiftungen drei Prozent Rendite, um ihre Projekte zu finanzieren. Noch stärker als bislang dürfte sich daher der Trend zur Zusammenarbeit festigen: „Stiftungen waren früher geschlossene Communities, die nur ihre eigenen Ziele verfolgten“, sagt Pietschmann. Heute werde viel stärker kooperiert, um auch große Projekte zu ermöglichen. 

Konservative Anlagepolitik

Die Entwicklung an den Finanzmärkten bereitet Niclaus Bergmann, Geschäftsführer der Sparkassenstiftung für internationale Kooperation, weniger Sorgen. Man verfolge eine extrem konservative Anlagepolitik, Aktien seien für die Stiftung aus Risikogründen keine geeignete Anlageklasse. 

Nur alle zwei Jahre gebe es neue Anlageentscheidungen, der Fokus liege auf lang laufenden Papieren, erklärt Bergmann. Die Projektausgaben seien im vergangenen Jahr um mehr als 25 Prozent auf 25 Millionen Euro gestiegen.

Davon entfielen laut Bergmann aber nur 100.000 Euro auf Erträge aus dem Stiftungskapital. Als eingetragener Verein kann die Sparkassenstiftung ihre Projekte teilweise mit Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Sie wirbt aber vor allem Drittmittel ein, das Gros entfalle auf Mittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

 

Niclaus Bergmann, Sparkassenstiftung für internationale Kooperation: „Wenn man bedenkt, dass wir 2019 rund 1,2 Millionen Euro an Mitgliederbeiträgen hatten und 100.000 Euro an Erträgen aus dem Vermögen, wird deutlich, welch untergeordnete Rolle die Anlagepolitik spielt.“

 

„Wenn man bedenkt, dass wir 2019 rund 1,2 Millionen Euro an Mitgliederbeiträgen hatten und 100.000 Euro an Erträgen aus dem Vermögen, wird deutlich, welch untergeordnete Rolle die Anlagepolitik spielt“, sagt der Geschäftsführer. Im laufenden Jahr stehen für die Projektarbeit sogar 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Langjährige Schwerpunktthemen seien die Stärkung regionaler Retail-Banken, die  Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern in Banken und Sparkassen, die Finanzierung von kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen und die finanzielle Grundbildung von Jugendlichen und Existenzgründern. Zudem rückten seit zwei Jahren auch die Themen Flucht und Migration, Green Finance und ländliche Finanzierung in den Fokus.

Projekt in Usbekistan

Als Beispiel nennt Bergmann ein aktuelles Projekt in Usbekistan. Der zentralasiatische Staat wolle seine Landwirtschaft ändern, bauwollanbauende Großbetriebe könnten wegen gesunkener Rohstoffpreise und des hohen Wasserverbrauchs nicht mehr  wirtschaftlich produzieren. Stattdessen sollten kleinere Betriebe entstehen, um die Versorgung im Land sicherzustellen und unabhängiger von Importen zu werden.

 

Kleinunternehmerin in Usbekistan – in dem Land fördert die Sparkassenstiftung unter anderem mittelständische Betriebe.

 

„Die Jungbauern pachten das Land vom Staat, brauchen aber Kapital für die Anschaffung von Maschinen und Vieh“, erklärt Bergmann. Hier komme die Sparkassenstiftung ins Spiel, die lokale Banken bei der Kreditvergabe berate. 

Aber nicht alle Projekte können derzeit wie gewohnt vorangetrieben werden. Insgesamt beschäftigt die Stiftung 330 Mitarbeiter, davon 40 in der Bonner Zentrale, 80 Deutsche im Ausland sowie 200 lokale Angestellte in den 50 Projektländern.

Rund ein Drittel der im Ausland tätigen Deutschen sei wegen Corona zurzeit nicht im Projektgebiet tätig, sagt Bergmann. Wie in Deutschland wurden Präsenzschulungen auf Webinare umgestellt, Videokonferenzen ersetzen persönliche Treffen.

 

Feldseminar in Usbekistan – ein Thema des innovativen Seminarkonzepts der Sparkassenstiftung war die Erstellung eines Businessplans, um einen Agrarkredit zu bekommen.

 

Auch an den Projektinhalten müssen die Stiftungsmanager feilen, weil sich die Prioritäten in den Ländern wegen der Krise verschoben haben. Gefragt seien vor allem Hilfe bei der Rückzahlung von Krediten und die Bereitstellung neuer Mittel.

Die Stiftungen wollen aber auf keinen Fall ihr Engagement einschränken. Für Bergmann steht fest: „Gerade in der Krise zeigt sich der Wert partnerschaftlicher Zusammenarbeit, gerade dann muss die Arbeit intensiviert werden.“


Die Sparkassen-Finanzgruppe hat als der größte nicht-staatliche Förderer von Kultur und Sport bis heute 754 Stiftungen gegründet. Neben Kunst, Kultur und Sport unterstützen die Sparkassenstiftungen Projekte in den Bereichen Bildung und stark zunehmend in der Umwelt. Ausgeschüttet wurden im vergangenen Jahr insgesamt 74 Millionen Euro, und damit genauso viel wie 2018. An allen Förderformen haben die Stiftungen einen Anteil von 17 Prozent. Der Löwenanteil entfiel mit 176,8 Millionen Euro (41 Prozent) auf Spenden. Insgesamt unterstützen die Sparkassen im vergangenen Jahr gemeinwohlorientierte Projekte mit 432 Millionen Euro. 
 

Eli Hamacher
– 14. Oktober 2020